Flensburg: Stolperstein Junkerhohlweg 13a

Stolpersteine erzählen erstmal nicht viel. Es werden nackte Zahlen, nackte Wörter, nackte Fakten genannt. Doch dahinter verbergen sich Schicksale in Fleisch und Blut und Seele(n). Und um Menschen. Um diese soll es gehen. Im aktuellen Beitrag um Emil Jessen

Die Verlegung des Stolpersteins im Flensburger Junkerhohlweg 13a liegt ein wenig zurück: Am 21.11.2019 hatte der Kölner Künstler Gunter Demnig in Flensburg insgesamt drei Stolpersteine gesetzt. Die erstmalige Verlegung von Steinen fand 2003 statt. Mittlerweile sind es insgesamt 27 Stolpersteine geworden (Stand 2022). Am 21.11.2019 waren dies die Stolpersteine Nummer fünfundzwanzig (in der Großen Straße) und sechsundzwanzig (Dorotheenstraße 28) und siebenundzwanzig im Junkerhohlweg 13a. Um Letztgenannten, zu Gedanken an Emil Jessen, geht es in diesem Text.

Auf der Inschrift steht: „Stolperstein für: Emil Jessen, geboren 1906. Im Widerstand / KPD. Verhaftet 1933, Vorbereitung Hochverrat, Zuchthaus Neumünster. 1943 Strafbataillon 999, Tot 1944 Tiraspol.

Das sagt erstmal nicht viel. Wie auch bei den anderen Tausenden Stolpersteinen. Es sind nackte Zahlen, nackte Wörter, nackte Fakten. Und es sind Schicksale in Fleisch und Blut und Seele(n). Und Menschen.

Emil Alwin Henning Jessen wird am 10. März 1906 im Harrisleefeld, Gemeinde Harrislee, Kreis Flensburg geboren. Über den damaligen Wohnsitz der Familie Jessen gibt es keine Hinweise. Nach Erzählungen wechselte die Familie häufig ihren Aufenthaltsort von Südschleswig nach Nordschleswig und Dänemark.

Ihr Sohn Emil, der gerne dänisch lernen wollte, war nach der Wiedervereinigung Nordschleswigs mit Dänemark einige Jahre zur dänischen Schule gegangen. 1920 war er in Sønderjylland in der Gemeinde Lintrup gemeldet.1921 wurde er in der dortigen Kirche konfirmiert.

Schule, Ausbildung, berufliche Tätigkeit

Nach Schule und Konfirmation hat er in der Umgebung von Lintrup in der Landwirtschaft und als Brunnenbohrer gearbeitet. 1930 zieht er nach Flensburg. 

Politische Aktivität / Inhaftierung

Emil Jessen gehörte bis zum Jahr 1933 der KPD (1) in Flensburg an. Hier war er an der Erstellung und Verbreitung illegaler Druckschriften beteiligt. Aus diesem Grund wurde er zusammen mit anderen am 31. März 1933 verhaftet. Durch das Urteil des Berliner Kammergerichts vom 29. Mai 1934 wurde er wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt. Unter Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft verbüßte er seine Haftstrafe bis zum 1.April 1935.

In der Folgezeit war er unter anderem als Terazzoschleifer und Brunnenbohrer beschäftigt. Am 30. Juli1943 wurde er zu der Bewährungseinheit 999 eingezogen. Nachdem er auf dem Heuberg ausgebildet worden war, wurde er auf dem Balkan eingesetzt. 

Im August 1944 schrieb er aus Bessarabien eine letzte Nachricht. Seit dem galt er als verschollen. 

Tod

Eine Suchanfrage beim Deutschen Roten Kreuz hat ergeben, dass der Verschollene mit großer Wahrscheinlichkeit bei den Kämpfen im Raum Tiraspol Ende August 1944 zu Tode gekommen ist. 

Das Amtsgericht Flensburg hat Emil Jessen zum 31. Dezember 1944 für tot erklärt.

Ein Stolperstein liegt vor den Häusern 13 und 13a für Emil Jessen (Aufnahme 25.09.2022, Willi Schewski) 

Quelle:
Aufzeichnungen von Arne Jessen Entschädigungsakte M.Jessen LAS 761/22582

(1) Die KPD Schleswig-Holstein bildete in der Weimarer Republik und in den Nachkriegsjahren bis 1948 zusammen mit der Hamburger KPD den Bezirksverband Wasserkante der Kommunistischen Partei Deutschlands, hielt aber bereits separate Landesparteitage zur Aufstellung der Wahllisten für den Provinziallandtag bzw. den Landtag ab. Ein solcher Landesparteitag wählte auch die KPD-Fraktion des im September 1946 ernannten Landtages. 1948 wurde der Bezirksverband Wasserkante aufgelöst und es entstand ein separater Landesverband der Partei.

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

Kommentar verfassen

Bitte logge dich mit einer dieser Methoden ein, um deinen Kommentar zu veröffentlichen:

Gravatar
WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: