„Sowjetrepublik Stormarn“: Der Aufstand von 1923 – Sturm und Sturz in der Weimarer Republik

Vor genau 100 Jahren, im Herbst 1923, erlebte die Weimarer Republik eine der turbulentesten Phasen ihrer Geschichte. Die Hyperinflation, hohe Arbeitslosigkeit und innenpolitische Krisen trieben die Menschen in Hamburg und dem schleswig-holsteinischen Umland auf die Straßen. Unter der Führung von Ernst Thälmann, einem prominenten kommunistischen Anführer, führten die Aufständischen bewaffnete Angriffe auf Polizeiwachen in verschiedenen Stadtteilen durch. Doch nicht nur in der Stadt fanden sie Unterstützung – sogar in der ländlichen Gemeinde Bargtheheide wagten sie einen mutigen Schritt. Erfahre, wie sie für anderthalb Tage die „Sowjetrepublik Stormarn“ ausriefen und welches Schicksal diese Bewegung ereilte.

Im Herbst 1923 ist die Weimarer Republik mitten in einer schwerwiegenden Krise. Sie leidet unter Hyperinflation, hoher Arbeitslosigkeit und innerpolitischen Unruhen. Im Oktober 1923 kommt es in Hamburg und den umliegenden Gebieten von Schleswig-Holstein zu einem Aufstand der Kommunisten. Ihr Anführer: Ernst Thälmann (1), ein Hasser der SPD und Gegner der Demokratie und Förderer des Untergangs der Weimarer Republik. Blicken wir zurück:

Es ist der 23. Oktober 1923. Die Kommunisten, unter der Führung von Thälmann überfallen Polizeiwachen in Hamburg, Altona, Wandsbek, Bramfeld und Schiffbek und ergreifen dort Waffen. Anschließend liefern sie sich Straßenkämpfe mit der Polizei.

Die Unterstützung für die Kommunisten erstreckt sich nicht nur auf die Stadt, sondern reicht auch bis aufs Land: In Ahrensburg, Rahlstedt und Bad Oldesloe werden Straßen und Bahngleise blockiert.

Ausrufung der „Sowjetrepublik Stormarn

Besonders in der Gemeinde Bargtheheide (heute Kreis Stormarn ) finden die Aufständischen großen Rückhalt. Dort gehen sie so weit, die „Sowjetrepublik Stormarn“ für eineinhalb Tage auszurufen und den Amts- und Gemeindevorsteher zu verhaften.

Damals konnte die Staatsmacht fast ausschließlich auf die Schutzpolizei zählen, da die regionalen Einheiten der Reichswehr größtenteils nach Sachsen abgezogen worden waren, um einen großen Generalstreik zu bekämpfen.

Blutige Niederschlagung

Trotz dieser Herausforderungen gelingt es der Polizei, den Aufstand bis zum Abend des 24. Oktober niederzuschlagen.  Am Morgen des 24. Oktobers 1923 wird der Aufstand für beendet und die Sowjetrepublik für aufgelöst erklärt. Die blutige Bilanz: 24 Aufständische, 61 Zivilisten und 17 Polizeibeamte sterben.

Noch in der Nacht zum 24. Oktober 1923 und den darauffolgenden Tagen werden insgesamt sieben kommunistische Mitglieder der Hamburger Bürgerschaft festgenommen. Ernst Thälmann taucht für eine Weile unter.

1924 wird Thälmann zum stellvertretenden Vorsitzenden der KPD gewählt. 
Mitglied des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI). 

1924-1929 ist er Vorsitzender des Roten Frontkämpferbunds, dessen Mitglieder sich wiederholt Straßenschlachten mit der Sturmabteilung (SA) der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) liefern. 

1924-1933 ist Thälmann Mitglied des Reichstags.  Ab 1929 konzentriert er sich vor allem auf die politische Bekämpfung der SPD und NSDAP.

1931 wird er Mitglied des Präsidiums der Komintern.  1932 wird er als Kandidat der KPD für die Reichspräsidentenwahl nominiert. Er scheitert, Paul von Hindenburg siegt mit 53 Prozent vor Adolf Hitler. Thälmann warnt in einer Rede vor der Überschätzung der NSDAP, in die viele Menschen große Hoffnungen auf Besserung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation setzen. 

Am 3. März 1933, zwei Tage vor der Reichstagswahl und einige Tage nach dem Reichstagsbrand wird er verhaftet. Im August 1944, nach über elf Jahren Einzelhaft im KZ Buchenwald, wird Thälmann, vermutlich auf direkten Befehl Adolf Hitlers, erschossen.

Geschichtliche Einordnung und Kritik an Thälmann

Die in  Bargteheide geborene Clara Zetkin charakterisierte die KPD unter Thälmann im September 1927 als „schwach und unfähig“, geprägt durch „Herausbildung kleiner Kliquen, persönliches Intrigieren, Gegeneinanderarbeiten“. Einem anscheinend hilflosen Thälmann attestiert sie, dass er „… kenntnislos und theoretisch ungeschult ist, in kritiklose Selbsttäuschung und Selbstverblendung hineingesteigert wurde, die an Größenwahnsinn grenzt und der Selbstbeherrschung mangelt …

Der Historiker Götz Aly kritisiert Thälmanns Unterstützung der Sozialfaschismustheorie, mit der er die SPD zum Hauptfeind erklärte. Sie hätte den Untergang der Weimarer Republik gefördert.

Quellen / Weiterführende Informationen

(1) Ernst Johannes Fritz Thälmann (* 16. April 1886 in Hamburg; † 18. August 1944 im KZ Buchenwald) war ein deutscher Politiker in der Weimarer Republik. Er war von 1925 bis zu seiner Verhaftung im Jahr 1933 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die er von 1924 bis 1933 im Reichstag vertrat und für die er in den Reichspräsidentenwahlen von 1925 und 1932 kandidierte.

Thälmann führte von 1925 bis zum Verbot 1929 den Roten Frontkämpferbund (RFB) an, der als paramilitärische Schutz- und Wehrorganisation der KPD vor allem in Straßenkämpfen mit politischen Gegnern und der Polizei in Erscheinung trat.

Er schloss die in den Statuten der Kommunistischen Internationale vorgesehene Umstrukturierung der KPD als Partei neuen Typus ab. Aufbauend auf die sowjetische Sozialfaschismusthese bekämpfte die KPD, die sich unter seiner Führung zunehmend stalinisierte, die SPD als politischen Hauptfeind innerhalb der Weimarer Republik.

Diese Entwicklung ging besonders von Thälmann selbst aus, der den Befehlen Stalins folgte. So wurde auch in der KPD der Pluralismusin der Partei unterdrückt und Mitglieder wie Funktionäre aus der Partei gedrängt oder ausgeschlossen.

Seine Verhaftung erfolgte am 3. März 1933, zwei Tage vor der Reichstagswahl März 1933 und einige Tage nach dem Reichstagsbrand. Thälmann wurde im August 1944, nach über elf Jahren Einzelhaft, vermutlich auf direkten Befehl Adolf Hitlers, erschossen.

Beitragsbild: Reichswehr-Soldaten durchsuchen während des Hamburger Aufstands Passanten in der Nähe einer Barrikade

Autor: Willi Schewski

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