14. Dezember 1287: Luciaflut

In den letzten tausend Jahren haben Sturmflutkatastrophen an der Nordseeküste immer wieder tausende Menschen und eine Spur der Verwüstung hinterlassen.
Die Deutsche Bucht ist eines der am stärksten von Sturmfluten bedrohten Gebiete weltweit. Bedingt durch die Geographie der Nordseeküste und den Trichtereffekt der Elbmündung tritt dieses Phänomen dort häufiger auf als anderswo. Die Luciaflut vom 13./14. Dezember 1287 ist eine der ersten historisch belegte Sturmfluten des Mittelalters

In Schleswig-Holstein kennen wir ihn: den blanken Hans *. Er ist die bildhafte Bezeichnung für die tobende Nordsee bei Sturmfluten. Vom 13. auf den 14. Dezember 1287 brach die Sturmflut namens Luciaflut über die Nordseeküste herein. Die Chroniken sprechen für die deutsche Nordseeküste von circa 50.000 Toten (1) und schwersten Verwüstungen.

Viele Dörfer versanken in den Fluten, allein in Ostfriesland waren es über 30, es bildete sich eine Vorstufe zum Dollart. Infolge der großen Landverluste und relativen Schutzlosigkeit der Marsch zogen nun viele Menschen von der Marsch auf die Geest.

Namensgeberin der Sturmflut war der Tag der Heiligen Lucia von Syrakus, an dem sich die Katastrophe ereignete.

Diese Katastrophe ähnelte der Nordseeflut von 1953, als ein intensiver europäischer Sturm, der mit einer Flut zusammenfiel, eine große Sturmflut verursachte. Die Flut von St. Lucia hatte einen großen Einfluss auf die spätere Geschichte der Niederlande.

Die Luciaflut hatte zur Ursache, dass aus den Binnensee Almere zur Nordseebucht der Zuiderzee entstand. Aus der ging 1932 durch Eindeichung wieder der Süßwassersee IJsselmeer hervor.

Quellen / Weiterführende Informationen:

Die erschreckliche Wasser-Fluth, zeitgenössischer Kupferstich der Burchardiflut 1634

(*) Blanker Hans ist eine bildhafte Bezeichnung für die tobende Nordsee bei Sturmfluten. Davon abgeleitet werden auch orkanartige Stürme über der Nordsee und anderen Seegebieten so bezeichnet.

Die sprachliche Herkunft des Namens ist ungeklärt; eine Vermutung leitet ihn von der Bezeichnung der Gischt als blank („weiß“) her. Auch der Linguist Gerhard Bauer sieht (ohne Spezifizierung) im Ausdruck ein Phänonym, also einen von der Erscheinung abgeleiteten Namen.(2)

Der Germanist Henning von Gadow schließt eine Personifizierung nicht aus, deren Bezug er nicht näher bestimmt, während der Duden-Redakteur Rudolf Köster allgemein den Vornamen „Hans“ als Herkunft angibt.(3)

Der Ethnologe Bernd Rieken hat eine weitere Deutung aufgestellt, nach der blank hier „entblößt“ oder „nackt“ bedeutet und Hans als Allerweltsname zu verstehen ist, „blanker Hans“ demnach pejorativ „etwas Nacktes und gänzlich Durchschnittliches“ bezeichne. (4)

Der Chronist Anton Heimreich führte den Ausdruck in seiner Nordfriesischen Chronik 1666 auf den Deichgrafen von Risum zurück, der nach Fertigstellung eines neuen Deiches der Nordsee herausfordernd „Trotz nun blanke Hans“ entgegengerufen haben soll. Kurze Zeit später brach der Deich bei der Burchardiflut im Oktober 1634.(5)

Der in Kiel geborene Lyriker Detlev von Liliencron machte den Namen in seiner Ballade Trutz, blanke Hans allgemein bekannt (6). Der „Blanke Hans“ wurde künstlerisch vielfach verarbeitet, darunter in gleichnamigen Gemälden von Hans Peter Feddersen (1902) und Hans Hartig (1912).

(1) Seriöse Belege dafür fehlen.

(2) Als Phänonyme versteht Bauer „Namen, die Phänomene der Umwelt bezeichnen, welche sich dem Zugriff des Menschen entziehen“. Gerhard Bauer: Deutsche Namenkunde. 2., überarbeitete Auflage. Weidler, Berlin 1998, S. 59.

(3) Henning von Gadow: Rezension zu Gerhard Bauer: Namenkunde des Deutschen. In: Beiträge zur Namenforschung. Bd. 24, 1989, S. 380–385, hier S. 383 (Auszug).

(4) Rudolf Köster: Eigennamen im deutschen Wortschatz. Ein Lexikon. De Gruyter, Berlin 2003, S. 65. So auch Lutz Mackensen: 3876 Vornamen. Herkunft, Ableitungen und Koseformen, Verbreitung, berühmte Namenträger, Gedenk- und Namenstage. Südwest, München 1969, S. 77.

(5) Bernd Rieken: Nordsee ist Mordsee. Sturmfluten und ihre Bedeutung für die Mentalitätsgeschichte der Friesen. Waxmann, Münster 2005 (Habilitationsschrift, Universität Wien), S. 196.

(6) Anton Heimreich: Nordfriesische Chronik. Hrsg. von Niels Nikolaus Falck. Bd. 2. Perthes und Besser, Hamburg [Tondern] 1819, S. 134 f.: „Daß Gott der Herr durch Auslassung der Wasser das Land könne umkehren, solches haben diese Nordfresischen Landschaften … am Tage Burchardi … des 1634sten Jahres besonders müssen erfahren, und zwar dazumal, wie man am sichersten gewesen, und die Deiche so wohl gestanden, daß … der Deichgraf von Risummohr, nach verfertigtem Deiche den Spaten auf den Deich gesetzet, und vermessentlich gesaget: Trotz nun blanke Hans!“

Nina Hinrichs: Tod und Sturmflut in der Kunst. In: Ohlsdorf. Zeitschrift für Trauerkultur. Nr. 123, November 2013.

Beitragsbild (gemeinfrei): Kupferstich „Deichbruch“ von Winterstein 1661

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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