Was ist eigentlich … „Husumerei“?

Die Reihe „Was ist eigentlich …?“ möchte Leserinnen und Lesern Fach-Begriffe und Phänomene erklären, die in Schleswig-Holstein gebräuchlich sind. Wer hat schon mal den Begriff „Husumerei“ gehört?

Der Verfasser, selbst in Husum, dem im „Metropölchen“ am grauen Meer geboren und aufgewachsen, kannte den Begriff nicht: „Husumerei„. Man lernt ja nie aus. Was bedeutetes das denn nun genau?


Husumerei ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für ein übertriebenes oder falsches Selbstbewusstsein. Er wird oft verwendet, um Menschen zu beschreiben, die sich selbst für besser oder wichtiger halten als sie sind.

Der Ausdruck stammt aus der Stadt Husum in Schleswig-Holstein. Dort ist er schon seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Er bezieht sich auf die Einwohner Husums, die damals als besonders stolz und selbstbewusst galten.

Husumerei kann in verschiedenen Situationen verwendet werden. Zum Beispiel, wenn jemand sich für etwas bewirbt, das er nicht kann, oder wenn jemand versucht, andere zu beeindrucken, obwohl er nicht ehrlich ist.

Hier sind einige Beispiele für den Gebrauch des Ausdrucks „Husumerei„:

  • Der neue Kollege hat ganz schön viel Husumerei.“
  • Ich kann die Husumerei von Politikern einfach nicht mehr hören.
  • Ich habe mich für den Job nicht beworben, weil ich nicht die passende Husumerei habe.

Husumerei kann auch als Selbstironie verwendet werden. Zum Beispiel, wenn jemand sich selbst für etwas lustig macht, was er getan hat.

Hier ist ein Beispiel für den Gebrauch des Ausdrucks „Husumerei“ als Selbstironie:

„Ich weiß, ich habe ein bisschen Husumerei, aber ich kann einfach nicht anders.“

Ursprung des Begriffes „Husumerei“

Over de stillen Straten, geit klar de Kloggenslag; god Nacht! / Din Hart will slapen, un morgen is og en Dag.“ Theodor Storm (1)

Den Begriff „Husumerei“ hat ursprünglich Theodor Fontane etwas abfällig über Theodor Storm und sein Tun in Husum geprägt. Mit dem „Schimmelreiter“, die Geschichte vom Kampf auf Leben und Tod, schuf er ein Werk, dass in die Weltliteratur einging. 

Es war übrigens sein letztes Werk, das er, von einer Krebserkrankung gezeichnet und geschwächt, vollendete. Diesen Kampf gewann er. Das Erscheinen des Werks erlebte er nicht, er starb am 4. Juli 1888.

Husumerei – oder: die Flucht aufs Land, dahin wo die Welt noch in Ordnung ist

Theodor Storm (Foto aus einer öffenltich aufgestellten Infotafel)

Schon vor zwei Jahrhunderten kritisierten zwei Dichter und Denker die naive Flucht aufs Land: Theodor Storm, der als bedeutendster Vertretern des Poetischen Realismus galt und Wilhelm Heinrich Wackenroder, einer der Mitbegründer der deutschen Romantik. 

Ihnen waren die angebliche Idylle der Orte und Kleinstädte suspekt, nachdem Städter angeekelt von  Dreck, Lärm, Gewalt, Industrialisierung „reif für die Insel“ wurden spricht, aufs Land flohen – wo doch alles so in Ordnung schien.

Würde Storm als „moderner“ Mensch von heute, ausgestattet mit Mobiltelefon, Instagram-App und E-Zigarette im Mundwinkel sagen: 

„Mensch – wenn das mit Berlin so weitergeht bin ich bald reif für Husum“

Fontane würde entgegnen:

„Lass doch die blöde “Husumerei“, da wärst du auch nur eine ethnische Minderheit‘

Und es war ausgerechnet der preußische Lokalpatriot und Freund Storms, Theodor Fontane, der ihm abfällig “Husumerei“ und „Provinzsimpelei“ vorwarf. 

Fontanes Spott zielte jedoch weniger auf den Schriftsteller, als vielmehr auf den Menschen, dessen von Wehmut und Erdverbundenheit getragene „Heimatliebe“ in der Emigration (1853-1864) besonders dann auftrat, wenn es „weihnachtete“.

Fontane reflektierte am 25. Juli 1853:

„Für alles das aber hatte der von mir als Mensch und Dichter, als Dichter nun schon ganz gewiß, so sehr geliebte Storm nicht das geringste Verständnis, und daß er dies Einsehen nicht hatte, lag nicht an »Potsdam und seinen geschniegelten Parks«, 

das lag an seiner das richtige Maß überschreitenden, lokalpatriotischen Husumerei, die sich durch seine ganze Produktion – auch selbst seine schönsten politischen Gedichte nicht ausgeschlossen – hindurchzieht. Er hatte für die Dänen dieselbe Geringschätzung wie für die Preußen.Theodor Fantane: „Von Zwanzig bis Dreißig“

Tatsächlich hat Storm die Landschaften und Lebenswelten seiner norddeutschen Heimat gestaltet. Doch ein provinzieller Heimatdichter war er nicht. 

Fontane hatte den karikierenden Effekt mit dem Suffix „ei“ Ende der 1880er Jahre für sein Schreiben entdeckt, vermutlich beeinflusst von Eugen Zabel und Ludwig Pietsch, und in dem Roman Frau Jenny Treibel bereits der „Treibelei“ die „Hamburgerei“ und die „Felgentreuerei“ gegenübergestellt. (2)

Die Novelle „Waldwinkel“ war für ihn ein „wahres Musterstück, wie man’s nicht machen, wie Kunst nicht sein soll.“ Hatte Aquis submersus für ihn „etwas Schiefes“, fand er in der psychologischen Novelle Schweigen „eine gewisse schwüle, bibbrige Stimmung

und bezeichnete Storm als „Generalpächter der großen Liebesweltdomäne“. Bereits zu Beginn ihrer Freundschaft 1855 hatte er Storm als „vor allem … erotische(n) Dichter“ beschrieben, der „auf diesem Gebiete alle neueren deutschen Dichter“ überflügle.(3)

„Er ist ein Meister, er bleibt.“

Und so war es der Weltliterat Thomas Mann selbst, der 1930 in seinem bekannten Storm-Essay vom „vollkommenen Unsterblichkeitscharakter“ und „absoluter Weltwürde der Dichtung“ der Werke sprach. Und er zog dieses Fazit:

„Das hohe und innerlich vielerfahrende Künstlertum Storms hat nichts zu schaffen mit Simpelei und Winkeldumpfigkeit, nichts mit dem, was man wohl eine Zeitlang ‚Heimatkunst‘ nannte“.

Er ist ein Meister, er bleibt.“ (Quelle) 

Quellen / Weiterführende Informationen

(1) Stroms plattdeutsche Texte machten ihn nur zum „halben Friesen … In Theodors Elternhaus wird hochdeutsch gesprochen, ab und an plattdeutsch, doch kein Wort friesisch.“ Quelle

(2) Karl Ernst Laage: Zur Herkunft des Wortes „Husumerei“. In: Karl Ernst Laage: Theodor Storm zum 200. Geburtstag. Aufsätze, Untersuchungen, Dokumente. Boyens, Heide 2017, S. 55 und 58.

(3)  Zitiert nach: Jochen Missfeldt: Du graue Stadt am Meer. Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Reclam, Stuttgart 2014, S. 167.

Beitragsbild: Husum bei typisch nordfriesischen Schmuddelwetter, grau und Regen. Vorne: Asmussen-Woldsen-Denkmal, auch Tine-Brunnen genannt, dahinter die evangelisch-lutherische St. Marienkirche in Husum, erbaut von 1829 – 1833, gilt als eines der Hauptwerke des Klassizismus in Schleswig-Holstein. Aufnahme vom 25.08.2023, (c) Willi Schewski

Autor: Willi Schewski

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