Wir schreiben den 16. Mai 1921, es ist Pfingstmontag. Der Heimatforscher Andreas Busch bricht erstmals zu einer Fahrt von Nordstrand nach Südfall auf. Mit Pferd und Wagen und in Begleitung seiner Familie und des Journalisten Felix Schmeißer will er nach den Spuren des alten Hafenortes suchen. Dieses war 1362 in den Fluten der „ersten Mandränke“ untergegangen. Buschs Fahrt sollten dann in den nächsten 50 Jahren noch viele weitere Fahrten folgen – und er wird deutschlandweit bekannt.
Zurück zum 16. Mai 1921: Von Fuhlehörn aus geht es hinüber nach Südfall. Außer der Familie Busch fuhr der Husumer Journalist Felix Schmeißer (1882-1953) mit, der schon damals auch als Heimatschriftsteller bekanntgeworden war. Während Frau und Kinder auf der Halligwarft warten, machen sich Andreas Busch und Felix Schmeißer auf den Weg ins Watt.
„Die Entdeckung der letzten Spuren Rungholts“
„Wir sahen anfangs nichts Besonderes“, berichtete Busch später. „Schließlich sahen wir eine Anzahl von Pfählen aus dem Watt herausragen. Nach näherer Untersuchung und einiger Überlegung konnte ich feststellen, dass es sich um Holzreste einer ehemaligen Entwässerungsschleuse handelte.“ Die beiden Männer fanden außerdem mehrere Brunnenringe und Warftreste. „Sehr beeindruckten uns an vielen Stellen im Watt die in schnurgeraden Linien verlaufenden Gräben und bearbeiteten Ackerbeete, wie überhaupt die ganze, planmäßig angelegte Feldeinteilung.“
Nun war er überzeugt, dass er das sagenhafte Rungholt gefunden hatte. Sein ausführlicher Bericht im Jahrbuch des Nordfriesischen Vereins von 1923 trug die Überschrift: „Die Entdeckung der letzten Spuren Rungholts“.
Busch war geradezu elektrisiert von diesen Funden und erkundete anschließend viele Male das Watt bei Südfall. Ausgestattet mit Kompass, Maßband, Skizzenblock und Fotoapparat sucht er nach Kulturspuren im Watt, alte Warften, Brunnenreste und Schleusenartefakte. Und tatsächlich, er bringt es dazu, ihre Geschichten zu erzählen.
Diese Exkursion im Mai 1921 gilt als der Beginn der wissenschaftlichen Erforschung des Rungholtthemas und hat heute über die Landesgrenzen hinaus ein deutschlandweites Interesse wachgerufen.
Der Pfingstausflug des Jahres 1921 gilt gemeinhin als Beginn der ernsthaften Rungholt-Forschung. Für das 100-jährige Jubiläum (2021) waren auf Nordstrand mehrere Veranstaltungen geplant, so eine Kutschfahrt nach Südfall. Sie wurden wegen der Corona-Pandemie abgesagt und ein Jahr später (Mai 2022) gehalten. Der Nordstrander Heimatverein gab seinem Museum den Namen „Andreas-Busch-Inselmuseum“ (siehe Link zur Website).
Foto: Ein Modell des Ortes Rungholt (C) Inselarchiv Nordstrand
Wer war Andreas Busch?
Andreas August Busch wird am 16. Juni 1883 von Friedrich Andreas Busch (1850 – 1932) und Anna Catharina Busch, geb. Michelsen (1858 – 1944), auf Nordstrand geboren. Er wächst mit sechs weiteren Geschwistern auf. Sein Vater war Bauer, Müller und Bäcker. Seine Mutter Tochter des Nordstrander Hofbesitzers Bahne Thomas Michelsen und Sophie Dorothea, geborene Erichsen. Es handelte sich um eine alteingesessene Familie von Bauern.
Busch geht von 1890 bis 1899 auf die Nordstrander Volksschule, die anfangs einklassig, danach zweiklassig geführt wurde. Bereits während dieser Zeit erstellt er gerne Landkarten. Seine mangelnde Schulbildung verwehrt ihm jedoch, den Berufswunsch des Landmessers auszuüben. Stattdessen arbeitete er als Landwirt.
Eine landwirtschaftliche Schule besucht er nicht. Stattdessen studiert er Fachzeitschriften und veröffentlicht schon mit 20 Jahren seinen ersten kleinen Artikel in der „Illustrierten Landwirtschafts-Zeitung“ unter dem Thema: „Reinhalten der Schweine mit wenig Streu„. Auch als Erfinder einer „fahrbaren Erdschaufel“ macht er sich einen Namen.
1921 entstand in der Nähe von Buschs Hof die Lithschleuse. Dabei traten überraschend Reste einer Kirche des ehemaligen Dorf Lith zutage, die bei der Burchardiflut 1634 abgegangen war. Busch arbeitet mit daran, diese Spuren zu analysieren. Im selben Jahr nimmt er Forschungen zur Region um Rungholt auf.
Das Gebiet war seit der Zweiten Marcellusflut 1362 mit Schlick bedeckt. Busch untersucht systematisch die durch die Gezeiten zunehmend sichtbar werdenden Kulturspuren. Damit kann er nachweisen, dass Rungholt als Handelsort und Hafen existiert hatte.
Gefahr durch steigende Meeresspiegel – schon in den 1960er-Jahren erkannt!
Um seine Erkenntnisse korrekt dokumentierten zu können, beschäftigt er sich auch mit geologischen, wetterkundlichen, hydrographischen Fragestellungen. Darüber hinaus befasst er sich mit Statistiken über Sturmfluten, historischer Kartographie und Planung und Ausführungen von Deichen und Sielen.
Busch hatte das Problem, dass die von ihm auf der von Gräfin Diana von Reventlow-Criminil bewohnten Hallig Südfall entdeckten Kulturspuren aus der Zeit des Mittelalters deutlich tiefer lagen als neuzeitliche Anlagen.
Daher bemüht er sich anfangs, die Einflüsse und Zusammenhänge zwischen natürlichen und zivilisatorischen Vorgängen aus Literatur über die Theorie der sogenannten Küstensenkung zu erarbeiten.
Friedrich Müller hatte erkannt, dass diese Theorie wissenschaftlich nicht zu halten sei und stattdessen andere Gründe vorliegen müssten, bspw., dass der Meeresspiegel grundsätzlich ansteige.
Späte Publikation und Ehre
Busch greift Müllers Anregungen bezüglich des steigenden Meeresspiegels auf und studiert aktuellere Literatur. Er erweitert eigene Messwerte und spricht mit Experten über seine Überlegungen. Es handelt sich um grundlegende Ansätze mit für das angewandte Wasserwesen der Küstenlandschaft weitreichenden Konsequenzen.
Busch hält seine Erkenntnis schriftlich fest, publiziert sie jedoch zu Lebzeiten nicht. Dieser Aufsatz wurde dem Nachlass entnommen und 1977 unter dem Titel „Zur Kritik in der Niveauverschiebungsfrage“ veröffentlicht.
Busch beschäftigte sich darüber hinaus mit der Land- und Wasserwirtschaft, Heimatkunde und genealogischen Themen. Er berichtete hierüber in vielen kleineren Beiträgen, die oftmals grundlegend waren oder andere Wissenschaftler dazu anregten, sich weiter mit den Themen zu beschäftigen.
Bei der Würdigung seines Schaffens ist zu berücksichtigen, dass seine Schulbildung gering war. 1963 erhielt er die Universitätsmedaille der Universität Kiel.
Busch war verheiratet mit Anna Süsseline Erichsen (* 16. Juni 1886 in Nordstrand; 4. März 1956 ebenda). Ihr Vater Boy Friedrich Heinrich Erichsen (1853–1940) besaß einen Hof und war verheiratet mit Engel Hedwig, geborene Jacobsen (1864–1923). Das Ehepaar Busch hatte fünf Töchter und zwei Söhne.
Busch starb am 7. Juli 1972 auf Nordstrand. Er wurde auf dem Odenbüller Friedhof beerdigt. Eine Wasserstandskurve auf der Rückseite seines Grabsteins auf dem Odenbüller Friedhof erinnert noch heute die Bewohner daran, „seid wachsam gegenüber der Nordsee, „dem Blanken Hans“.
Weitere Informationen: www.heimatverein-nordstrand.de und www.nordstrand.de
Sehenswerte Doku bei YouTube: Rungholt – das Atlantis der Nordsee (2014)
Beitragsfoto: Der Gedenkstein zu Andreas Busch (C) Inselarchiv Nordstrand
Text aktualisiert am 28.11.2022
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