Meldorfer Bucht: Wanderung durch das Wattenmeer mit Muschelessen

Michael Wieben, Nationalpark-Wattführer der Wattführergemeinschaft Dithmarschen, führt seine Gäste sicher durch Watt und Priele. Anschließend an die etwa 4-stündige Wanderung wird gemeinsam in ein gemütliches Restaurant in Meldorf eingekehrt und bei einem gemeinsames Muschelessen aufgewärmt.

Südlich von Büsum liegt die Meldorfer Bucht, zwischen Wattenmeer und Speicherkoog die Badestelle Nordermeldorf. Einsam ist es hier ohnehin, im Winter ist es gottverlassen. Am Abend zuvor zog ein stürmischer Wind durch mit Stärken von Sechs bis Sieben. Das Meer war aufgewühlt, jetzt zieht es sich zurück. Es ist knackig kalt geworden und vollkommene Stille liegt an diesem Morgen über dem winterlichen Watt.

Das Licht der aufgehenden Sonne flutet über diesen endlosen, weiten Raum an der Nordsee. Der Himmel flammt in violett und rotorange, dann in der Farbe heller Zitronen. Ein Naturschauspiel am Ende der Welt auch das. Michael Wieben sammelt seine Leute, die Gastwirte des Bistro Deichzeit haben heute kurz geöffnet, es gibt Kaffee. Und Informationen zu dem, was kommt.

Michael Wieben ist Nationalpark-Wattführer der Wattführergemeinschaft Dithmarscher Nordseeküste und lädt zur Muschelwanderung; dorthin, wo die Miesmuscheln wachsen im Watt. Eine Köstlichkeit gerade im Winter. Und er verspricht: „Nach der Tour kehren wir in ein Restaurant ein und essen welche!“

Zuvor das Praktische: Ein bisschen Kartenkunde , wohin, warum – und einen Gehstock für jeden, der mag, „...das hilft ein wenig beim Gehen, gerade, wenn es mal im Schlick sein sollte! Bleibt dort nicht stehen und geht behände weiter, dann bleibt ihr auch nicht stecken. Denn manchmal will euch das Watt die Gummistiefel ausziehen. Helft euch gegenseitig, auch durch die Priele, wenn es nötig ist.

Wattwanderungen im Winter haben ihren eigenen Reiz und viele gute Gründe, sie zu unternehmen. Die schöne, sich schnell entwickelnde Kameraderie Gleichgesinnter Natur- und Nordseefreunde gehört gewiss dazu.

Wir wollen jetzt bummelig fünf Kilometer wandern

Vor dem Deich liegt das Watt weit und endlos; das Gefühl, der Blick hinaus ist wie wohltuendes Ausatmen. Eine Schar Nonnengänse fliegt vorüber. „Wir wollen jetzt bummelig fünf Kilometer wandern“, sagt Michael. Im Watt ist man per Du und das norddeutsche bummelig bedeutet so viel wie gemütlich, locker weg.

Wenn euch der Wind zu fassen bekommt“, sagt Michael und hier draußen frischt es auf, „…dann bleibt in Bewegung, dann wird euch auch nicht kalt.“ Dicke Jacken, Mützen und Kapuzen, doppelt Socken, vielleicht Thermounterwäsche – die Leute sind gerüstet. Michael, der Mann in der signalroten Jacke und mit der Grabforke, marschiert voran nach Nordwest. Einsam wirkt es und so, als ob er in diesem Raum verschwinden würde.

Selbst im Winter im Watt unterwegs - Die Wattführer Jan Franzen und Michael Wieben (C) www.nordseetourismus.de

Das Watt liegt grau wie Zement und der Himmel darüber sieht nun auch nicht mehr anders aus. In kleinen Prielen, Gezeitenrinnen oder auch, wenn sie größer sind: den Flüssen auf dem Meeresboden, eilt das letzte Wasser der Nordsee hinterher. Sie münden in Größere, zu einem dieser Priele wollen wir und diesem dann folgen.

In der Ferne sind die Silos des Büsumer Hafens zu erkennen, das Hochhaus auch, und sie sind Landmarke und Orientierung gleichermaßen. Die Stimmung in der Gruppe ist gelöst und sie ist gepaart mit Neugier und Abenteuerlust

– im Winter ins Watt, das ist schließlich doch etwas Außergewöhnliches. Wird es matschig, helfen sich die Leute wie selbstverständlich, aber es ist überwiegend ein gut zu begehendes, festes Sandwatt.

Rastplatz für 12 Millionen Vögel

Und Michael will schließlich auch was erzählen, nicht nur zu den Miesmuscheln, und er möchte sie zeigen und ihre Lebensweise erklären. Dorthin, wo die Muscheln leben also. Er stoppt und gräbt mit der Forke Herzmuscheln aus dem Wattboden.

Auch Herzmuscheln sind eine wichtige Nahrung für Vögel, ohnehin sind die Muschelbestände des Nationalpark Wattemeers von globaler Bedeutung . Watt und Muscheln haben eine Schlüsselfunktion – zur Zeit des Vogelzugs rasten hier bis zu 12 Millionen Vögel und müssen sich Energie anfressen für ihren Weiterflug.“ Die Fischerei von Herzmuschel ist im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer verboten.

Historische Siedlungsreste

In der Ferne seihen Brandgänse in einem flachen Prielbett nach Wattschnecken. Man hört das muntere Getriller der Austernfischer und nicht nur Vögel mögen Muscheln. „Man hat hier an der Nordsee in historischen Siedlungsresten Muschelschalen gefunden, die darauf schließen, dass Muscheln seit mehr als 1500 Jahren zur Nahrung der Menschen gehören – es war eine einfache, nahrhafte Beute.

Und man denke an die mediterranen Gerichte mit Herzmuscheln, z.B. die Spanische Paella. Oder daran, dass „…die Sandklaffmuschel an der Ostküste der USA als Delikatesse gilt“, wie Michael meint. Die Sandklaffmuschel wird an der Nordsee auch Strandauster genannt.

Büsum hatte sich nach dem ersten Weltkrieg durch seine gute Lage zu den Fanggründen zum Hauptfangort für Muscheln an der Westküste entwickelt. In dieser Zeit wurden die Sandklaffmuscheln als Strandaustern gehandelt. Aus Ihnen wurde mit allerlei Zutaten eine Art Muschelbutter gekocht, die geschmacklich wohl der Leberwurst nahekam.“ Das heutige Ziel ist, auch kulinarisch, ohnehin und doch lieber die Miesmuschel.

Inzwischen steht die Gruppe vor dem großen Priel. Fließt Wasser frei, so tut es das in Kurven – Wasserläufe mäandrieren. Dabei bilden sie steile Ufer, Prallhang genannt, und gegenüber flache Ufer, den Gleithang. Der Wattführer erklärt die ungeheure Dynamik im Watt, die permanente Veränderung der Priele und der Sandbänke, er berichtet davon, dass er manchmal selbst nicht genau weiß, wo und wie man gehen könne, dass es sich meist vor Ort entscheidet.

Also doch ein richtiges Abenteuer?

Vor allem an den schrägen Ufern kann es schlickig sein, und so schmatzen die Gummistiefel fordernd in der zähen, dunklen Masse. Michael geht in den Priel und der Rest der Gruppe wartet, das gegenüberliegende Ufer ist schulterhoch. Beinah unmöglich, dies zu bewältigen. Also doch ein richtiges Abenteuer?

Nein, wir folgen diesem Priel jetzt auf dieser Seite“, bestimmt Michael und es geht nun nach Westen. Man kann gut im knöcheltiefen, fließenden Wasser gehen und die Gruppe folgt dem Lauf Richtung Nordsee. Es ist windiger geworden und der Wind zerrt an den Kapuzen.

Das Geschrei der Möwen und heiteres Gepiepe vom Austernfischer, das Platschen der Schritte begleitet die einsamen Wanderer und zunehmend das Knirschen von Muschelschalen unter den Stiefel. Die Strömung hat mehr und mehr leere Muschelschalen angespült.

Hier ist Bewegung im (Tide-Hoch)Wasser. Und auch der Meeresboden ist strukturierter geworden. Sandbänke sind zu erkennen, ausgedehnte Pfützen dazwischen. Die Erhebungen wirken fester, ja: festgehaltener. Es geht weiter hinaus, immer weiter. In den immer größeren Kurven dieses Flusses auf dem Meeresboden.

Wir sind jetzt bei den Muschelbänken

Es wird düster, der Himmel macht zu, und diese Meereslandschaft reduziert sich auf Schwarz und Weiß und Tausend Nuancen Grau. Eine fahle Sonne dimmt hinter dem Hochnebel und verleiht dieser Szene etwas Surreales, beinah Gespenstisches. Trotzdem: Die Gruppe marschiert tapfer und freut sich übers Hiersein (und gewiss aufs Essen hinterher), schaut hier, fragt dort. „Wir sind jetzt bei den Muschelbänken“, sagt Michael, denn längst sind rundherum schwarze Placken, also Muschelbeete, auf den Sandbänken zu erkennen.

Manche nur mit ein paar Handvoll Muscheln drauf, nicht mehr als ein paar Quadratmeter, große Muschelbänke können mehrere hundert Meter lang sein. Sie wirken wie kleine, stabile Inseln in dieser amphibischen, sich ständig verändernden Welt. „Diese Placken sind Kolonien abertausender Miesmuscheln, die sich gegenseitig mit sogenannten Byssus-Fäden festhalten. Hier leben sie und ernähren sich vom Plankton des Meerwassers, sie filtern es heraus.“

Im Gegensatz zur Herzmuschel leben Miesmuscheln auf dem Meeresboden, nicht darin. Dies ist eine natürliche Muschelbank. Michael erklärt auch, dass weiter draußen, in fünf Meter tiefem Wasser beim Tertiussand , kleine Miesmuscheln als Saat gewonnen werden, dann werden sie auf Kulturflächen verbracht und nach zwei bis drei Jahren geerntet.

Hier jedoch gilt der Naturschutz streng und von daher bittet der Wattführer: „Tretet bitte nicht auf die Muscheln und geht durch die Pfützen, wenn ihr auch das Gebiet genauer ansehen möchtet.

Natürlich hebt Michael einen Placken auf, zeigt und erklärt die Miesmuscheln. Und wer bekommt jetzt Appetit? An die Küste müssen die Leute nun ohnehin, denn die Nordsee kommt bald zurück. Still und unaufhaltsam wird das Wasser nun einfließen und alles wieder ertränken. Damit die Muscheln selbst sich ernähren können.

Endlos, weit und offen

Das Mosaik aus Pfützen, Sand- und Muschelbänken wird wieder knapp drei Meter hoch überflutet sein. Also zurück. Bummelig natürlich und Michael erzählt, dass man im Watt der Meldorfer Bucht mit viel Glück einen Seeadler beobachten kann, der hier seinen Fisch frisst.

Wieder wirkt alles endlos, weit und offen. Die definierten Strukturen der Muschelbänke bleiben zurück, vor der Gruppe liegt eine ebene Fläche, auf der spiegelglatt das Wasser steht. Die fahle Sonne spiegelt sich darin ebenso wie die Leute. Die Schritte verwerfen die Spiegelung zu einem sonderbaren Zerrbild und in der Weite scheinen sich Zeit und Raum aufgelöst zu haben.

Wenn sich nicht der Hunger melden würde: Die Miesmuschelbänke sind untergegangen, das Muschelgericht aber wartet als Verheißung im Restaurant, zu dem Nationalpark-Wattführer Michael Wieben uns jetzt führen wird.

Dabei sein ist alles!

Wer bei der kulinarischen Muschelwanderung dabei sein möchte, meldet sich bei Nationalpark Wattführer Michael Wieben, Tel: 0175/2675150 oder sende eine E-Mail an:  

Die Durchführbarkeit der Veranstaltung ist abhängig von der geltenden Landesverordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus SARS-CoV-2.

Fotoquellen:

Winterliche Wattwanderung (C) http://www.nordseetourismus.de

Selbst im Winter im Watt unterwegs – Die Wattführer Jan Franzen und Michael Wieben (C) http://www.nordseetourismus.de

Die Salzwiesen in Dithmarschen im Januar (C) http://www.nordseetourismus.de

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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