Svend Johannsen: Pionier der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein

Svend Johannsen (* 15. Oktober 1903 in Flensburg; † 16. Februar 1978) war ein dänischer Minderheitenpolitiker in Schleswig-Holstein. Er war der erste Vorsitzende der Sozialistischen Volkspartei Schleswig-Holsteins (SSW) und engagierte sich in der Minderheitenarbeit auf europäischer Ebene

Was passiert, wenn ein dänischer Lehrer in Nazi-Deutschland für seine Minderheit eintritt? Svend Johannsen wird am 5. Oktober 1903 in Flensburg geboren und engagiert sich früh für die dänische Minderheit in Südschleswig. Nach dem Studium und der Hochzeit wird er Leiter einer dänischen Schule. Doch seine Kritik an den Nationalsozialisten führt ihn ins Konzentrationslager. Was geschah dort mit ihm? Lernen Sie Svend Johannsen kennen, einen mutigen Mann, der für seine Überzeugungen eintrat.

In einem Brief an seine Frau Elly vom 25. Mai 1940 (1) kritisierte Svend Johannsen die Nazi-Herrschaft in Dänemark. Er schrieb, dass die Deutschen die dänische Kultur und Sprache unterdrücken wollten und dass die dänische Unabhängigkeit bedroht sei. Johannsen schrieb auch, dass er sich nicht mit der Nazi-Herrschaft abfinden würde und dass er sich für die dänische Minderheit einsetzen werde.

Dieser Brief wurde von der Gestapo abgefangen und Johannsen am 29. Mai 1940 verhaftet. Er wurde ins KZ Sachsenhausen gebracht, wo er 14 Monate lang inhaftiert war. Der Brief von Johannsen ist ein wichtiges Dokument, das die Widerstandshaltung der dänischen Minderheit gegen die Nazi-Herrschaft belegt.

Hier ist ein Auszug aus dem Brief:

„Liebe Elly,

Ich schreibe dir diesen Brief, weil ich befürchte, dass ich bald verhaftet werde. Ich habe einen Brief an einen Freund in Dänemark geschrieben, in dem ich meine Kritik an der Nazi-Herrschaft äußere.

Ich weiß, dass dies gefährlich ist, aber ich kann nicht schweigen. Ich muss mich für die dänische Minderheit einsetzen.

Ich liebe dich und die Kinder sehr. Ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen.

Dein Svend“

In seinem Gefangenentagebuch (2) schilderte Johannsen unter anderem die Einteilung der Insassen durch aufgenähte Symbole (sogenannte Winkel). Als politischer Häftling wurde ihm ein rotes Dreieck aufgenäht.

In dem ihm zugeteilten „Block 48“, so beschrieb er, sei die Toilette fast immer verstopft gewesen und die Insassen hätten zu zweit auf einem Teppich schlafen müssen.

Die Verpflegung, die er als „das Fressen“ beschrieb, habe morgens „aus einem Getränk, das sich Kaffee nannte, mittags meistens aus einer Gemüsesuppe und abends aus etwas Tee und Brot“ bestanden.

Vor Folter schreckten die SS-Wachen nicht zurück. Johannsen beschrieb zwei Folterinstrumente (Der Bunker und der Pfahl), bei denen Gefangene bis zur totalen Erschöpfung oder Tod gequält wurden, dem Johannsen jedoch entgehen konnte. 

„Außerhalb der Außenmauer lagen SS-Kasernen und ein Villaquartier für die verheirateten Blockführer. Da kamen wir auf dem Weg zur Arbeit oft vorbei und dann konnten wir oft die brutalen Quälgeister in ganzer Pracht ihrer Uniformen sehen, wie Sie mit ihren Frauen und Kindern im Vorgarten standen und spielten. Man konnte seinen Augen nicht trauen.“

Am 16. September 1941 ist Johannsens Inferno beendet: Er wird nach anhaltenden diplomatischen Bemühungen der dänischen Regierung entlassen. Er wurde bis Kriegsende in Schleswig unter Hausarrest gestellt.

Nach der Entlassung und dem Ende des Zweiten Weltkrieges

Nach dem Krieg setzte Johannsen seine politische Arbeit für die dänische Minderheit fort. 1945 bis 1948 war Johannsen zweiter Bürgermeister von Schleswig und auch Schulreferent der Stadt.

Er wird einer der Mitbegründer der Sozialistischen Volkspartei Schleswig-Holsteins (SSW)  und Chefredakteur der Südschleswigschen Heimat-Zeitung (3).

Sein Verdienst war es, arbeitsfähige Strukturen für die neue Partei und damit die Grundlage für die politische Arbeit zu schaffen. 1974 wurde er für seine Verdienste um die dänische Minderheit mit der Guldnål (Goldnadel) des Sydslesvigsk Forening ausgezeichnet.

„Mein südschleswigsches Testament“

Über sich selbst sagte er „… Ich war der erste Landesvorsitzende des „Südschleswigschen Wählervereins“, der Mitbegründer der „Südschleswigschen Heimatzeitung“ und — abgesehen von den ersten Tagen — der erste Chefredakteur, obwohl etwas gezwungenermaßen. Achtzehn Jahre lang war ich als Vertreter des Südschleswigschen Wählervereins Mitglied der Kommunalverwaltung der Stadt Schleswig und des Kreises Schleswig, zum Teil an besonders hervortretenden Stellen. Man sollte also meinen, ich müsse einiges von der SSW-Politik verstehen. Man wird nachstehend feststellen können, daß dies — jedenfalls jetzt — nicht mehr der Fall ist. (…)“ (Grenzfriedenshefte 3/71, S. 54, Quelle)

Johannsen starb am 16. Februar 1978 in Flensburg. Er wurde auf dem Friedhof von Nordborg in Dänemark beigesetzt.

Minderheitenarbeit auf europäischer Ebene

Johannsen war auch ein wichtiger Vertreter der Minderheitenarbeit auf europäischer Ebene. Er war von 1963 bis 1967 Präsident der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEN). Die FUEN wurde am 19./20. November 1949 in Versailles (Frankreich) gegründet. Sie versteht sich als Nachfolgeorganisation des von 1925 bis 1938 bestehenden Europäischen Nationalitätenkongresses. Erster Präsident war der Belgier Charles Plisnier. Seit 1989 hat die FUEN den Teilnehmenden Status beim Europarat und seit 1995 den Konsultativen Status bei den Vereinten Nationen; mehr siehe Website.

Quellen / Weiterführende Informationen

(1) Der 9. April 1940, ein Brief und die Folgen Der Fall Svend Johannsen (pdf), S. 88

(2)  Svend Johannsen: For alt hvad du har kært. Forlaget Skandia, Herning 1978, S. 224.

(3) Die Südschleswigsche Heimatzeitung war eine Tageszeitung, die vom 25. September 1948 bis 1974 in Husum herausgegeben wurde. Das Presseorgan des im selben Jahr gegründeten Südschleswigschen Wählerverbandes positionierte sich deutlich auf Seiten der dänischen Minderheit des Landesteils Südschleswig. Dennoch erschien die Zeitung in deutscher Sprache. Der SSW-Gründungsvorsitzende Svend Johannsen gehörte zu den drei von den britischen Besatzern ernannten Lizenzträgern. Nachdem die Leserzahlen immer weiter sanken, wurde die Südschleswigsche Heimatzeitung 1974 eingestellt. Danach erschien das Blatt als Beilage zur Flensborg Avis.

Beitragsbild: Logo des SSW

Autor: Willi Schewski

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