17. März 2005 – Ministerpräsidentin Heide Simonis scheitert bei Wiederwahl

Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte kommt es bei einer Wahl zum Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein zu keinem Ergebnis. Weder Heide Simonis (SPD) noch Peter Harry Carstensen (CDU) erreichen eine Mehrheit, so dass nach vier erfolglosen Wahlgängen die Wahl ausgesetzt wird.

Der 17. März 2005 war ein Tag, der in die Geschichtsbücher Schleswig-Holsteins einging. Zum ersten Mal kommt es bei einer Wahl zum Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein zu keinem Ergebnis. Weder die Sozialdemokratin Heide Simonis* noch der Christdemokrat Peter Harry Carstensen (i. Bi. A.) erreichen eine Mehrheit, so dass nach vier erfolglosen Wahlgängen die Wahl ausgesetzt wird.

Am 17. März 2005 lautete der Tagesordnungspunkt 6 der konstituierenden Sitzung des 16. Landtages von Schleswig-Holstein: „Wahl und Vereidigung der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten“. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatte Heide Simonis vorgeschlagen. Kandidat der Fraktionen von CDU und FDP war Peter Harry Carstensen.

Erster Wahlgang

Das Ergebnis des ersten Wahlgangs wird verkündet:  Für Peter Harry Carstensen hatten 33 Abgeordnete, für Heide Simonis 34 Abgeordnete gestimmt; zwei Abgeordnete (mutmaßlich je einer aus dem Lager von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und SSW einerseits und CDU und FDP andererseits) hatten sich enthalten. Daraufhin ordnete der Präsident einen sich unmittelbar anschließenden zweiten Wahlgang an.

Zweiter Wahlgang

Auch im zweiten Wahlgang ergab sich für keinen der Kandidaten die erforderliche Mehrheit: Bei einer Enthaltung erhielt Heide Simonis erneut 34 Stimmen, während Peter Harry Carstensen diesmal ebenfalls 34 Stimmen auf sich vereinigte; also stimmte mutmaßlich mindestens ein Abgeordneter von SPD, Bündnis 90/Die Grünen oder SSW nicht für Heide Simonis.

Dritter Wahlgang

Im dritten Wahlgang genügte nach Artikel 26 Absatz 4 Satz 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein die einfache Mehrheit der Abgeordneten. Da sich jedoch wiederum ein Patt zwischen Carstensen und Simonis ergab (34 zu 34 Stimmen bei einer Enthaltung), führte auch dieser Wahlgang nicht zum Ergebnis.

Um 14:15 Uhr unterbrach der Präsident des Landtages die Plenarsitzung für Sitzungen der Fraktionen und berief für 15:15 Uhr den Ältestenrat ein.

Während Heide Simonis nach dem Wahlgang jede Stellungnahme ablehnte, sagte der SPD-Fraktionschef Lothar Hay, er sei „tief enttäuscht“ von dem oder der Abgeordneten, der „Geschichte schreiben möchte“.

Hay ließ nun innerhalb der SPD-Fraktion eine geheime Probeabstimmung vornehmen, die Grünen verfuhren ebenso. Die Vorsitzende des SSW im Landtag Anke Spoorendonk sagte, sie sei „mehr als irritiert und wütend“ über die Abstimmungsergebnisse und stellte die Tolerierung der rot-grünen Koalition durch den SSW in Frage.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki sprach sich für eine Große Koalition aus, spekulierte aber unmittelbar nach der Unterbrechung der Sitzung – zutreffend –, dass die SPD noch einen Wahlversuch starten wollte.

Der CDU-Generalsekretär Volker Kauder forderte die zu diesem Zeitpunkt geschäftsführend amtierende Ministerpräsidentin Heide Simonis auf, sich von einer weiteren Kandidatur zurückzuziehen.

Vierter Wahlgang

Der Ältestenrat beschloss in seiner Sitzung einen vierten Wahlgang. Um 16:19 Uhr wurde das Ergebnis bekanntgegeben; wieder gab es bei einer Enthaltung einen Gleichstand von 34 zu 34 Stimmen, obwohl in den vorherigen fraktionsinternen Geheimabstimmungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen alle Abgeordneten für Heide Simonis gestimmt hatten.

Der vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Lothar Hay beantragten Sitzungsunterbrechung von einer Stunde mit anschließendem Zusammentritt des Ältestenrates wurde zugestimmt.

Am Abend gab der Landtagspräsident eine Vereinbarung aus dem Ältestenrat bekannt. Die Fraktionen waren übereingekommen, am 17. März keinen weiteren Wahlgang durchzuführen. Die nächste Plenarsitzung des Landtags sollte am 27. April stattfinden.

Konsequenzen

Nur 34 Stimmen für Simonis, der „Heide-Mörder“, wie die Presse den Abtrünnigen tauft, hat wieder zugeschlagen. „Man ist wie örtlich betäubt, wie bei einem Hammer über den Kopf“, erinnert sich Heide Simonis an den Verrat in den eigenen Reihen. Noch in der Nacht zieht sie die Konsequenzen aus dem „Schuss in den Rücken“ und erklärt ihren Rückzug aus der Politik. Der meuchelnde „Heide-Mörder“ konnte bis heute nicht enttarnt werden. (Quelle: NDR)

Fünfter Wahlgang am 27. April 2005

Nach der gescheiterten Ministerpräsidentenwahl vom 17. März 2005 vereinbarten CDU und SPD die Aufnahme von Verhandlungen zur Bildung einer Großen Koalition, die zum Erfolg führten. Der Koalitionsvertrag wurde durch die satzungsgemäßen Organe von CDU und SPD bestätigt.

Im fünften Wahlgang zur Wahl des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein war Peter Harry Carstensen der von CDU und SPD gemeinsam vorgeschlagene Kandidat.

Ergebnis: Er erhielt 54 von 69 abgegebenen gültigen Stimmen. Sieben Abgeordnete stimmten gegen ihn, acht enthielten sich.

Carstensen erhielt damit fünf Stimmen weniger als die neuen Regierungsfraktionen CDU und SPD zusammen zählten. Peter Harry Carstensen wurde somit zum zwölften Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein gewählt; er war der erste ordentlich gewählte CDU-Ministerpräsident seit Uwe Barschel, der am 2. Oktober 1987 von seinem Amt zurückgetreten war.

Beitragsfoto (Archiv): Peter Harry Carstensen, deutscher Politiker (CDU), hält eine Rede. Von 2005 bis 2012 war er Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein. Carstensen ist seit dem 25. Februar 2020 Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus. Aufnahme vom 31.03.2022, Bürgerhalle, Rathaus Flensburg, Flensburg. 

*Foto von Heide Simons an dieser Stelle

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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