Steigen wir ein in die Sage: Zwischen Flensburg und Schleswig ist ein Bach, der Hilligebeke, der früher der Jüdebeke hieß, aber seinen Namen änderte, weil der heilige Poppo darin das heidnische Volk taufte. Daneben heißt noch ein Gehölz das Poppholz, weil er da seine Predigten hielt. Reiter und Fuhrleute lassen ihre Pferde nicht aus dem Bache trinken, weil es bekannt ist, daß diese sich sogleich darnach verfangen.
Hier bei diesem Bache hat Poppo einmal ein Wunder verrichtet. Er zog ein mit Wachs getränktes Hemde an und forderte nun die ungläubigen Heiden auf, es anzustecken; wenn er beschädigt werde, brauchten sie nicht seiner Predigt zu glauben; bliebe er aber unversehrt sollten sie sich taufen lassen. Das gelobten sie.
Als nun das Gewand angezündet war, erhub er seine Hände zum Himmel und erduldete den Brand mit großer Ruhe und Heiterkeit; und da es ganz herunter gebrannt war, war auch nicht ein Brandfleck an seinem ganzen Körper sichtbar. Da nahmen Tausende den Christennamen an. Einige sagen aber, dies sei zu Ripen, andre in Schleswig selbst geschehen.
Der Teufel ist dem Bischof in seinem Werke vielfach in den Weg getreten. Einmal hatte er da im Hilligenbeke eine ganze Schar getauft als der Böse einen ungeheuren Stein ergriff und auf ihn schleuderte.
Aber in seiner Wut hatte er dem Wurfe einen zu großen Schwung gegeben und der Stein flog über den Kopf des Bischofs hin und lag nachher noch lange auf der Heide zwischen Stolk und Helligbek. Er hieß der Teufelstein und maß 20 Fuß in der Länge, 14 in der Breite und 12 in der Dicke. Man zeigt noch Überreste von ihm. Das meiste ist abgesprengt worden. # Ende #
Quelle: Cypraei Ann. episc. Slesvic. 82 f. – Durch Herrn Organisten Schmidt in Fahrentoft.
Die Geschichte hinter der Geschichte:
Der in der Sage genannte Grabhügel mit dem Großsteingrab Poppostein (auch „Taufstein“ genannt) gibt es tatsächlich. Er liegt nahe am Ochsenweg bei Helligbek, Gemeinde Sieverstedt, in der schleswigschen Geest östlich der ehemaligen B76 (heute L317 ) von Flensburg nach Schleswig.
Heute bietet es sich dem Besucher als freistehende Grabkammer dar, die aus 6 Tragsteinen besteht, 2 an jeder Seite, einem kleineren am Südende und einem größeren am Nordende. Alle Steine stehen mit der flachen Seite nach innen und bilden ein Rechteck von 2,20 m Länge und 1 m Breite.
Die Rätsel der Schalensteine: Zwischen kultischen Handlungen und Heilkraft
Der Poppostein ist ein Deckstein aus Granit mit 17 eingeriebenen Eintiefungen. Die Vermutung der Vorgeschichtsforscher ist, dass er für kultische Rituale oder zur Heilung verwendet wurde. Die Eintiefungen könnten für Opfergaben oder zum Sammeln von Heilstaub genutzt worden sein. Schalensteine enthalten chemisch Elemente, die in der Heilkunde wichtig sind.
Brauchtum und Symbolik von Steinen in vorchristlicher Zeit
Steine dienten in vorchristlicher Zeit als Rechts- und Brautsteine. Die Schalen in dem Deckstein sollen von einem Brauch bei der Eheschließung herrühren, bei dem mit einem Eheschwert Funken für ein Feuer geschlagen wurden. Feuer und Wasser stehen für den Haushalt und Kindersegen. (1)
Namensgebung
Die Namensgebung des Popposteins ist von verschiedenen Sagen, so auch die obige, um den Bischof Poppo geprägt. Allerdings wird der Wahrheitsgehalt dieser Sagen von Wissenschaftlern angezweifelt.
Der Germanenforscher Freerk Haye Hamkens (1902-1985) führt den Namen Poppostein auf „Poppensteen“ zurück, abgeleitet vom niederdeutschen Wort „Poppe“, das „Puppe“ oder „Kind“ bedeutet.
Diese Theorie wird jedoch durch die Tatsache widerlegt, dass die Volkssprache in der Region bis ins 19. Jahrhundert Dänisch und nicht Niederdeutsch war. Die Orts- und Flurnamen der Gegend sind daher fast ausschließlich dänischen Ursprungs.
Die Geschichte des Popposteins: Ein prähistorischer Thingplatz und Ort der Christianisierung
Der Poppostein ist wahrscheinlich zwischen 3000 und 2700 vor Christus errichtet worden. Vermutlich wurde der Platz in vorchristlichen Zeit als Thingplatz (2) des Istedsyssels (3; zusammengesetzt aus dem Ort „Isted“ und der Verwaltungseinheit„Syssel“), genutzt. Zu dem gehörten neun Harden (3a).
An solchen vorgeschichtlichen Grabhügeln und Steinsetzungen wurden oft Thingversammlungen abgehalten. Es gab auch ein Wirtshaus in Helligbek, das früher in der Nähe des Popposteins lag.
Wirtshäuser wurden oft an oder in der Nähe von Thingstätten errichtet, da hier regelmäßig viele Menschen zusammenkamen. Aus diesem Grund eignete sich der Ort später auch gut zur Christianisierung der Bevölkerung.
Lauf obiger Sage soll der Schleswiger Bischof Poppo im 10. Jahrhundert an der Megalith-Anlage Heiden getauft haben. Im Jahr 960 soll er den dänischen König Harald Blauzahn Gormsson im nahen Jütenbach getauft haben, nachdem er ihn von der Macht des Christentums überzeugt hatte, indem er mit bloßen Händen glühendes Eisen trug.
Seitdem soll der Bach Helligbek (dänisch für „heiliger Bach“) heißen. Bischof Poppo soll von einer nahegelegenen Kuppe, die heute im Vorgarten des Hofes Poppholz (OT von Sieverstedt) liegt und deshalb auch Kanzel genannt wird, zu den Heiden gepredigt haben.
Eine weitere Sage beschreibt das Feuerwunder, bei dem das Abbrennen eines mit Wachs getränkten Hemdes am Leib von Missionar Poppo beschrieben wird. Der Stein soll vom erzürnten Teufel auf Poppo geschleudert worden sein.
Andere Quellen berichten, dass der dänische König erst 974/975 nach einer Niederlage einer Zwangstaufe durch den Hamburger Erzbischof Adaldag, der einer Königstaufe angemessen war, unterziehen musste.
Das Feuerwunder von Poppo könnte demnach als Geschichtsschönung (4) betrachtet werden, um eine Niederlage und die Zwangschristianisierung durch die Deutschen zu vertuschen.
Im Jahr 1859 kaufte der dänische König Friedrich VII. den Grabhügel. Seitdem ist der Platz von sechs Grenzsteinen umgeben, in die das dänische Wappen und die Jahreszahl gemeißelt sind.
Aktuell
Der Grabhügel ist heute im Landesbesitz und steht unter Denkmalschutz. Er kann von jedermann/frau und jederzeit besichtigt werden.
Quellen / Weiterführende Informationen
Gemeinde Sieverstedt DER POPPOSTEIN
(1) Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg. von Eduard Hoffmann-Krayer, Hanns Bächtold-Stäubli, S. 148 ff.
(2) Als Thingplatz oder Thingstätte genannt, bezeichnete man historische Stätten, wo Volks- und Gerichtsversammlungen nach dem alten germanischen Recht abgehalten wurden.
(3) Istedsyssel. In Südschleswig mit den Harden (2a) Nørre & Sønder Gøs Herreder, Vis Herred, Ugle Herred, Husby Herred, Ny Herred, Strukstrup Herred, Slis Herred und Arns Herred.
Syssel (dänisch, Plural: Sysler) war eine historische Verwaltungseinheit in Jütland einschließlich Herzogtum Schleswig, Region Sjælland (Seeland), Norwegen und Schweden. Sysler existieren heute noch in Island, auf Spitzbergen und auf den Färöern als Polizeibezirke und im Sinne geografischer Regionen.
(3a) Als Harden, früher auch Herden genannt, bezeichnete man in Skandinavien, namentlich im späteren Dänemark (einschließlich des Herzogtums Schleswig und der Provinzen östlich des Öresunds) und in Teilen des späteren Schwedens und Norwegens, die unteren Verwaltungsbezirke.
(4) Niels Lund: Haithabu und die grossen dänischen Ringburgen von Heidger Brandt. Books on Demand, 2005, S. 151
Wie komme ich da hin? Hier eine Landkarte mit exakten Geodaten
Beitragsbild: Großsteingrab Poppostein (Ansicht um 1936), Carl Schuchardt (1859-1943) – Carl Schuchhardt: Deutsche Vor- und Frühgeschichte in Bildern. Oldenbourg, München/Berlin 1936.