Sich im Urlaub für die Umwelt engagieren? Geht das? Ja, das geht, zum Beispiel auf Sylt. Im Oktober lässt sich in der Akademie am Meer / Klappholttal auf Sylt Naturschutz nah und ganz konkret erleben. Selbstverständlich draußen in der Natur – mit der Schutzstation Wattenmeer und unter Mitwirkung der Naturschutzverbände der Insel Sylt in Trägerschaft der Sölring Foriining sowie „bye bye Plastik“.
Man trifft Gleichgesinnte und lernt vielleicht neue Fähigkeiten. „Packen Sie zusammen mit Fachleuten der Schutzgebiete aktiv an und genießen Sie gleichzeitig Ihren Aufenthalt“, heißt es seitens der Schutzstation Wattenmeer, „…denn Erkundungen der reizvollen Umgebung kommen nicht zu kurz.“
In dieser Woche der Vielfalt steht jeder Tag unter einem anderen Naturschutzthema: – Heide und Heidepflege, – Watt und Wattlabor, – Clean up am Strand sowie – die Vogelwelt auf Sylt und Einführung in die Vogelzählung.
Der Biologe und Dünenexperte Rainer Borcherding begleitet die Arbeitseinsätze mit Unterstützung der Naturschutzverbände der Insel Sylt und steht gemeinsam mit deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Fragen zur Verfügung. „Natur braucht auch aktive Pflege und Hilfe, wenn sie durch menschliche Einflüsse unter Druck gerät. Es ist sehr befriedigend, die Verbesserungen zu sehen, die man gemeinsam mit der Arbeit der eigenen Hände erreicht.“
Für die Arbeitseinsätze sind eine normale körperliche Fitness sowie Freude an Bewegung und der Aufenthalt an der frischen Luft, allerdings bei Wind und Wetter, ausreichend. Gummistiefel sowie warme, wetter- und regenfeste Kleidung müssen mitgebracht werden, Handschuhe und Werkzeug werden gestellt.
An einem Vormittag steht zum Beispiel das Entkusseln der Heide auf dem Programm: standortfremde Büsche und Nadelbäume werden entfernt, damit die Heide nicht überwuchert wird. Nachmittags findet dann eine Exkursion zum Entdecken der Pflanzenwelt im Klappholtaler Wäldchen statt. Anderntags gibt es eine Exkursion in die Braderuper Heide, wo zum Schutz von Lungenenzian und Mondraute die Verbuschung bekämpft wird.
Wiederum an einem anderen Tag steht das Watt im Mittelpunkt – was fliegt dort, was rastet und wie zählt man das eigentlich alles? Schließlich erhalten die Teilnehmer im Rahmen einer Führung durch das Alfred-Wegener-Institut in List einen Einblick in das Wattlabor, nachmittags steht eine Wattführung auf dem Programm und wie man ein solches kartiert. Und: Welcher Müll verursacht was? Wie lässt sich Müll vermeiden?
„Am Strand vor dem Klappholttal wird Müll gesammelt, die Funde werden besprochen“, heißt es seitens der Schutzstation Wattenmeer, „ein Filmabend am Tage zuvor dient zur Einführung in das Thema Bye Bye Plastik.“
Vorträge, Abschlussbesprechungen, Resümees runden die Themen und das Erarbeitete ab. Es fallen für die Teilnehmer Seminargebühren und Kosten für Unterkunft und Verpflegung an. Aktiver Dünenschutz zum Mitmachen wird außerdem in St. Peter-Ording angeboten.
Informationen: schutzstation-wattenmeer.de
Zu Dünenpflege (und solcher im Wäldchen) sowie Sichtungen von Amphibien und Reptilien – Entdecken, Fotografieren, Foto schicken und Sichtung melden (aber die Tiere nicht anfassen!) – in St. Peter-Ording auch: sandkueste-spo.de
Ein Heide-Triathlon der besonderen Art
Dieser Triathlon bedeutet: Mitmachen bei der Heidepflege. Diese Dreifachbetätigung tut gut – dem Körper durch Arbeit, dem Kopf beim Lernen in Sachen Naturschutz, dem Bauch wegen des gemeinsamen Essens nach getaner Arbeit.
Der Natur tut es auch gut, denn es geht um die Heide, sie ist ein wertvoller Lebensraum, doch bedroht. Fast die Hälfte aller Heideflächen in Schleswig-Holstein findet sich auf Sylt, sie umfassen rund 2900 Hektar. Bei Braderup und oberhalb des Morsum Kliff befinden sich noch zwei Gebiete mit ursprünglichen Geestheiden. Blüht die Heide im Spätsommer, gleicht sie oft einem violetten Teppich.
Mit dem Wattenmeer im Hintergrund gehört sie nicht nur zu den schönsten Landschaften Sylts, sie ist auch Lebensraum für mehr als 2000 Tier- und Pflanzenarten. Falls sie intakt ist. Heide muss gepflegt werden, sonst verschwindet sie – Bäume und Büsche überwuchern, und Artenvielfalt schwindet in der Folge.
Der Mensch kann, muss was tun. Beim Plaggen werden die unerwünschten Gehölze samt Wurzeln entfernt, der Oberboden wird abgefräst. Ein kontrolliert gelegtes Feuer vernichtet das, was in der Heide nicht sein soll – Tiere fliehen kurzfristig und kehren zurück, seltene Pflanzen überleben und treiben wieder aus.
Nicht zuletzt: Schafe verbeißen die Triebe der für die Heide schädlichen Gehölze und unerwünschtes Gras. Jahrhundertelang lebte der Mensch von und mit der Heide; nahm Wurzelwerk als Einstreu für den Stall, ließ seine Schafe dort weiden.
„Heutzutage braucht es ein regelrechtes Management, um diese letzten, großflächigen Geestheiden als wertvollen Lebensraum und als typisches Landschaftsbild der Nordsee zu erhalten“, wird zitiert Maike Lappoehn von der Naturschutzgemeinschaft Sylt, einmal im Jahr, im Herbst wird zum „Heide-Triathlon“ eingeladen.
Dieser Verein ist seit 1977 für den Erhalt der Heide verantwortlich und betreut die Braderuper- sowie die Morsumer Heide. „Gäste und Einheimische können teilnehmen an diesem Tag, jeder kann wirklich was tun, denn es ist Landschafts- und Artenschutz ganz konkret.“ Begreifbar im wahren Wortsinn, es wird angepackt und ausgegraben – Birken und Büsche zum Beispiel.
„Nach der Einweisung, der ökologischen und auch darin, wie man rückenschonend arbeitet, erfolgt die Ausgabe von Handschuhen und Hacken, die Arbeitsgruppen werden eingeteilt“, wird zitiert Maike Lappoehn. Dann geht es zur Arbeit in die Heide, übrigens auf Flächen, wo man sonst nicht hindarf. Vielleicht ist auch dieses ausnahmsweise erlaubte Betreten eines Naturschutzgebietes für manch einen Teilnehmer ein Anreiz, mitzumachen.
„In erster Linie werden junge Birken, Ebereschen und Traubenkirsche sowie Brombeergebüsch entfernt. Ebenfalls die sogenannte Kartoffelrose, auch als Sylter Rose oder Kamtschatka-Rose bekannt – die ist ortsfremd, verdrängt heimische Arten und überwuchert letztlich die Heide“, wird zitiert Maike Lappoehn. Fachpersonal erklärt wie´s geht.
Mit Wurzeln ausgraben! Sie helfen, wenn´s mal schwer wird – und sie beantworten Fragen. Muss das weg? Kann das bleiben? Und überhaupt – was ist das eigentlich? Zeigen den Teilnehmern zum Beispiel den Lungenenzian: eine blaue, kleine Blume mit zarten Blüten. Diese Pflanze hat in der Heide oberhalb des Morsum Kliffs einen ihrer letzten Lebensräume nördlich der Alpen. In nassen Senken finden sich vielleicht Sonnentau und Wollgras.
Man erfährt von den verschiedenen Heidearten und Beerensorten, die hier wachsen. Man bekommt bei der Arbeit Einblicke in die ökologischen Zusammenhänge und hat einzigartige Ausblicke auf das Wattenmeer. Nach drei Stunden ist Schluss, denn es ist ein symbolischer Akt.
„Insulanern wie Gästen soll die Möglichkeit geboten werden, etwas für Natur und Umwelt zu tun, ohne sich gleich dauerhaft zu irgendwas verpflichten zu müssen“, wird zitiert Maike Lappoehn. Es soll gezeigt werden, welch wertvollen Lebensraum es gibt an der Nordseeküste. Sensibilisierung ist es und dass man was dafür tun muss. Vielleicht auch im Schweiße des eigenen Angesichtes. Bald kommen wieder die Schafe und übernehmen die Heidepflege.
www.naturschutz-sylt.de
Auf der Jagd nach den leckeren Cranberries
Warum selbstgemachte Marmelade seltene Pflanzen retten kann, ja: was daran letztlich konkreter Landschafts- und Artenschutz ist, lässt sich bei einer Exkursion in die Sylter Küstenheide erfahren. Angela Schmidt, Biologin und Stationsleitung von Rantum und Puan Klent auf Sylt bei der Schutzstation Wattenmeer wird zitiert:
„Im Herbst finden Mitmach-Aktionen statt, um Cranberries in den Dünen zu rupfen. Sie schmecken roh nicht wirklich köstlich aber für leckeren Aufstrich oder getrocknet als Superfood im Müsli eignen sie sich hervorragend. Durch das Rupfen der Pflanzen, als auch durch das Sammeln der Beeren wird das Ausbreiten der invasiven Cranberry verlangsamt und seltene heimische Pflanzen der feuchten Dünentälern werden geschützt und bekommen wieder mehr Lebensraum.“
Der Pfad führt durch die Heide in die Dünen des Sylter Südens. Heide bis zum Horizont, unter der Sonne gleißen immer wieder Tümpel und offener Sand zwischen dem dichten Bewuchs, der so nicht unbedingt sein soll. Es ist nass und windig, das längst etablierte Stammpublikum ist trotzdem dabei und es werden auch zunehmend mehr Gäste und Einheimische.
Hier und heute darf man – unter Aufsicht – dorthin, wohin man sonst nicht hin kommt und man kann, darf, (soll es sogar) Cranberries ernten. „Davon so viel wie möglich, wenn möglich die ganze Pflanze mit Wurzel!“
Die Mitarbeiter der Schutzstation Wattenmeer kennen die besten Stellen, um die Eimer mit den leckeren Beeren recht rasch zu füllen. Angela Schmidt: „Cranberries dürfen an solchen Stellen nur während der begleiteten Sammel-Aktionen entnommen werden. Aber die Gäste sind oft sehr ehrfürchtig, dass sie an so einem Tag mit uns in ein Gebiet dürfen, wo sonst nur wir als SchutzgebietsbetreuerInnen herum laufen dürfen. Sie fühlen sich oft wie in einer anderen Welt, umzingelt von Dünen und tun dabei was Gutes für die Natur.“
Seit einigen Jahrzehnten breitet sich die Kanadische Cranberry auch auf Sylt aus. Wie sie auf die Insel gekommen ist, haben Fachleute nicht endgültig geklärt. „Vermutlich wurde sie entweder von Menschen hergebracht, vielleicht über ein Fass Cranberries an Bord eines Schiffs, welches über Bord ging, so wie es in Holland passiert ist oder über Vögel eingeschleppt“, berichtet sie,
„…schlecht ist das zum Beispiel für die heimische, kleinere Moosbeeren-Art, denn die Cranberries vermehrten sich lange Zeit ungestört und verdrängten heimische Arten.“ Mehr noch: Sie wucherten, und tun es immer noch, Täler und Tümpel zu, in denen seltene Pflanzen wie der Sonnentau und der Sumpfbärlapp wachsen.
Die Leute knien in den Flächen. Knöchelhoch und dicht ist das Cranberry-Gestrüpp, es ist voller Beeren und etwas anderes wächst hier nicht mehr. Schnell sind ein paar Handvoll der Beeren gepflückt. Die für den Naturschutz unerwünschten, für die Küche aber umso gesuchteren Beeren, leuchten rot und dunkel wie Kirschen.
Schmecken tun sie herb, bitter und säuerlich, jedoch angenehm fruchtig. Rezeptideen machen die Runde. Die Cranberries mit Ingwer zu einer Marmelade kochen, meint einer, Angela Schmidt: „… ich koche sie mit Granatapfelsaft und Orangenabrieb, so hat man gleich ein Weihnachtsgeschenk für die Familie“.
Es sind Versuche, der Plage Herr zu werden. Bestimmte Probeflächen in der Dünenheide werden auf diese Weise bearbeitet und in der Folgezeit beobachtet. Die Frage laute: Lassen sich Cranberries mit regelmäßigem Rupfen und Sammeln der Beeren zurückdrängen, kann man also mit einer gezielten Entnahme die weitere Ausbreitung stoppen und Gebiete wieder von ihr befreien.
Angela Schmidt: „An Stellen, wo wir regelmäßig Cranberries ernten, hat sich zum Beispiel der Sonnentau wieder ausgebreitet. Das ist eine heimische, fleischfressende Pflanze“. Damit sind alle Teilnehmer Naturschützer und unbedingt hilfreich.
Angela Schmidt: „Hier ist Handarbeit gefragt, man kann auch alles abbaggern, dann aber sind auch die seltenen Pflanzen fort und man muss hoffen, dass deren Samen noch im Boden sind, damit die dann wieder auskeimen.“
In den vergangenen Jahren wurde systematisch erprobt, ob und wie diese Handarbeit den gewünschten Erfolg bringt. „Denn wenn die Cranberries noch bevor sie Fruchtstände bekommen und Ranken entnommen werden, stoppen wir dort ihre Fortpflanzung.“
Das ist gut für diese: Kreuzkröten finden sich dort recht häufig. „Die hat fast keine Möglichkeit, sich durch die dichte Vegetation der Cranberry zu bewegen und zu wandern. Zudem findet sie zwischen den Dichten beständen der Cranberry keine freien Sandflächen mehr zu laichen. Durch die Entnahme der Cranberry hat die Kreuzkröte auch wieder bessere Lebensbedingungen.“
www.schutzstation-wattenmeer.de/unsere-stationen/rantum-sylt
https://www.schutzstation-wattenmeer.de/unsere-stationen/hoernum-sylt
Urlaubstipps:
Weitere Tipps und Ideen für unterhaltsame Urlaubserlebnisse finden sich auf der Seite www.nordseetourismus.de sowie im nordsee Urlaubsplaner, der über diese Seite kostenlos angefordert werden kann.
Fotoquellen: Beitragsbild: Sylt (Symbol)