Der Chanukka-Leuchter der Familie Posner kommt zurück nach Kiel

Zum Chanukkahfest 1931 fotografierte Rahel, die Frau des Rabbiners Dr. Akiba Posner, den Chanukkah-Leuchter der Familie vor dem Hintergrund des gegenüberliegenden Gebäudes, das mit Nazifahnen geschmückt war.
Auf die Rückseite des Fotos schrieb Rahel Posner:
Chanukkah 5692 (1932)
„Juda verrecke“
Die Fahne spricht –
„Juda lebt ewig“
Erwidert das Licht.

Nachfahren der Familie Posner besuchen erstmals die Heimatstadt ihrer Vorfahren. Im Jahr 1931 fotografierte Rahel Posner in Kiel einen Chanukka-Leuchter auf ihrer Fensterbank. Dieses ikonische Foto der Chanukkia vor dem Hintergrund des mit einer großen Hakenkreuzfahne beflaggten Gebäudes der NSDAP-Kreisleitung erlangte Jahrzehnte nach der Schoah weltweite Aufmerksamkeit.

Mehr als 90 Jahre später besuchen nun die Nachfahren von Rahel und Arthur Posner zum ersten Mal Deutschland. Mit im Gepäck ist jener Leuchter, der durch das Foto und die Zeilen Rahel Posners auf der Rückseite berühmt geworden ist. 

Der Besuch der Nachfahren und sein Anlass sind historisch, die Symbolkraft bedeutend. Die Posners konnten 1933 über Belgien in Richtung Israel fliehen. Dort gehört der Chanukka-Leuchter, dessen Kerzen jedes Jahr beim jüdischen Lichterfest traditionell entzündet werden, zu der Sammlung der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem.

Lediglich zum jährlichen Fest verlässt der Leuchter die Gedenkstätte, um im Kreise der Familie angezündet zu werden. Yehuda Mansbach, Enkelsohn von Rahel und Akiba Posner erklärt: „Ich möchte sehen, wo meine Mutter geboren wurde und wo mein Großvater von 1921 bis 1933 Rabbiner war. Es ist mir wichtig, junge und alte Bürgerinnen und Bürger zu treffen und von ihnen zu hören, was sie über die Geschehnisse in Kiel während des Holocausts denken. Und ich möchte von meinem Großvater erzählen: Er war ein stolzer Jude und als er fliehen musste warnte er die Mitglieder der Gemeinde: Sie sollten sich selbst retten, einander helfen und stolz darauf sein, dass sie ‚Kieler‘ sind.“ 

Die Gäste werden vom Freundeskreis Yad Vashem, der die Reise organisiert, nach Schleswig-Holstein begleitet. In der Landeshauptstadt Kiel wird aktuell eine Ausstellung zu dem berühmten Posner-Foto gezeigt. Am diesjährigen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar beteiligten sich Tausende in Kiel und ganz Deutschland an der Erinnerungaktion #LichtZeigen, die der Freundeskreis Yad Vashem initiiert und in Kooperation mit den Kieler Nachrichten, der Landeshauptstadt Kiel, Yad Vashem und dem Zentralrat durchgeführt hat.

Gemeinsam mit den Kieler Nachrichten hat der Freundeskreis Yad Vashem fast 80.000 Aufkleber des Leuchters in deutsche Haushalte geschickt mit der Bitte, ihn in ein Fenster zu kleben und in den Sozialen Medien zu teilen – als Symbol gegen Hass und Ausgrenzung und als Zeichen dafür, dass die Erinnerung an den Holocaust nicht vergessen werden darf. 

Am Donnerstag, 15. Dezember, empfangen Kiels Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpferund Bürgermeisterin Renate Treutel die Nachfahren von Rahel und Arthur Posner. Der original Chanukka-Leuchter wird dann bis zum Wochenende im Stadtmuseum Warleberger Hof zu sehen sein. 

Oberbürgermeister Ulf Kämpfer betont: „Der Holocaust und seine Vorgeschichte dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Das Foto und der Chanukka-Leuchter der Familie Posner erinnern an ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte und mahnen gleichzeitig zur Wachsamkeit. Mit der Aktion #LichtZeigen haben in den vergangenen Monaten tausende Kielerinnen und Kieler deutlich gemacht, dass Antisemitismus keinen Platz in unserer Stadt hat. Es ist mir eine große Ehre, nun die Nachfahren der Familie Posner in Kiel begrüßen zu dürfen.“ 

Für Bürgermeisterin und Kulturdezernentin Renate Treutel ist wichtig: „Wir beteiligen auch Schulen an der Aktion #LichtZeigen, damit sich durch Lernen aus der Geschichte so etwas niemals wiederholt. Die Ausstellung im Warleberger Hof um das geschichtsträchtige Foto sensibilisiert, frühzeitig Demokratieschädliches zu erkennen und zu verstehen, dass man daher immer wieder neu für Demokratieförderliches einstehen muss.

Neben Führungen bieten wir Kieler Schulen eine Graphic Novella vom Freundeskreis Yad Vashem und der amerikanischen Künstlerin Ali Fitzgerald als Klassensatz für den Unterricht an. In einem jugendgerechten Format wird eindrucksvoll eine Nähe zum Leben der jüdischen Familie Posner zu Beginn des Nationalsozialismus hergestellt. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Nachfahren der Familie Posner zu uns nach Kiel kommen.“ 

Während ihres Besuchs will die Delegation wichtige Orte besuchen, an denen ihre Vorfahren wirkten und in den Austausch mit den Menschen treten. Treffen mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde stehen auf dem Programm und der Besuch von historischen Plätzen und Denkmälern. 

Ruth Ur, Geschäftsführerin des Freundeskreis Yad Vashem, unterstreicht die Bedeutung des Besuchs: „Die Familie kommt 90 Jahre nach der Flucht ihrer Großeltern in deren einstige Heimat, nach Kiel. Damals wurde das Leben für Jüdinnen und Juden in Deutschland unerträglich. Dass die Nachfahren unserer Einladung folgen und die Erinnerung im Dialog mit den Menschen in Deutschland wachhalten wollen, ist sehr beeindruckend, ihnen gilt meine volle Anerkennung.“ # Ende #

(1) Siehe hier ausführlicher Bericht im Blog: Rahel Posner, die Frau des Kieler Rabbiners, fotografierte zum Chanukkafest. Im Dezember 1931 ein symbolstarkes Motiv: den Chanukka-Leuchter der Familie auf einem Fensterbrett ihrer Wohnung am Sophienblatt 60. Im Hintergrund ist die Hakenkreuzfahne an der Kreisgeschäftsstelle der NSDAP auf der anderen Straßenseite zu sehen. Das Foto steht nun im Mittelpunkt der Ausstellung (bis 12. März 2023)Kiel, Chanukka 1931. Rahel Posners Foto erzählt“ des Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseums. (weiter)

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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