Flensburg: Wanderausstellung: „Der lange Weg – Aus der Vergangenheit lernen-Zukunft gestalten“

Vom 29. September bis zum 2. Oktober 2022 wird in der Freien Waldorfschule Flensburg die Wanderausstellung „Der lange Weg – Aus Vergangenheit lernen – Zukunft gestalten“ des Verbands Deutscher Sinti und Roma e.V. Landesverband Schleswig-Holstein präsentiert. In diesem Rahmen wird auch das Projekt Gedenkstelle Valentiner Allee vorgestellt.

Seit Herbst 2021 zeigt der Verband Deutscher Sinti und Roma e.V., Landesverband Schleswig-Holstein, an verschiedenen Orten diese Wanderausstellung (Kurator: Jens Rönnau) und setzt im Rahmen der Aufklärung und im Kampf gegen den Antiziganismus (1) damit ein weiteres Zeichen, um Information, Austausch, Präsenz und Begegnung zu ermöglichen und zu fördern.

21 Schrifttafeln und ein großformatiger Tablet-PC auf einer Säule, an dem zusätzliche Informationen abgerufen werden können, führen ein in die Geschichte der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein. In diesem Rahmen wird auch das Projekt Gedenkstelle Valentiner Allee vorgestellt. Programm, Donnerstag, 29.09. 2022:

Öffentliche Veranstaltung: 19:30 Uhr Großer Saal

Grußworte von Matthäus Weiß, Vorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holstein im Verband Deutscher Sinti und Roma e.V., Simone Lange, Oberbürgermeisterin der Stadt Flensburg, sowie Jens Rönnau, Kurator der Wanderausstellung des Landesverbandes (s.u.)

Vortrag von Dr. Sebastian Lotto-Kusche, Europa-Universität Flensburg/Schleswiger Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte und Public History: „Verfolgung von Sinti und Roma in der NS-Zeit in Flensburg und im nördlichen Schleswig-Holstein. Neue Forschungsergebnisse und Perspektiven“.

Kurze Vorstellung des Konzeptes für die Gedenkstelle – Zum Stand der Arbeiten von Achim Langer und Constanze Hafner, Oberstufenlehrer-/ in der FWS Flensburg.

Im Anschluss haben die Gäste Gelegenheit, die Wanderausstellung „Der lange Weg. Aus Vergangenheit lernen – Zukunft gestalten” (Kleiner Saal) zu besichtigen.

Weitere Besichtigungstermine:

Freitag, 30. September, 14 – 18 Uhr 
Samstag, 01. Oktober, 14 – 18 Uhr
Sonntag, 02. Oktober, 11 – 15 Uhr.

Alle Veranstaltungen finden in der
Freien Waldorfschule Flensburg, Valentiner Allee 1, 24941 Flensburg, Tel. 0461—90 32 50 statt. 

Ein barrierefreier Zugang zum Großen Saal ist möglich, zum Kleinen Saal leider nur bedingt (drei Stufen, bitte bei der Ausstellungsaufsicht Bescheid geben). 

Bildbeschreibung: Links: Gebäude Norderstraße 104 mit Gedenktafel der Sinti und Roma-Familie Weiß. Rechts: Blick in die Norderstraße hinein, links im Bild die Gedenktafel an der Häuserwand (zum Vergrößern aufs Bild klicken!)

Hintergrundinformationen zum Beitragsfoto (2) und dem Projekt „Erinnerungsstelle für die 1935 an die Valentiner Allee zwangsumgesiedelten und später deportierten Flensburger Sinti

Seit dem 2. August 2008 erinnert eine Bronzetafel am Haus Norderstraße 104 (siehe Beitragsbild, oben) in Flensburg an sechs Mitglieder der Familie Weiß, Hausbewohnerinnen und Hausbewohner, die hier stellvertretend für alle ermordeten Flensburger Sinti genannt werden.

Die Inschrift verweist auf ein Lager in der Valentiner Allee, in das die betroffenen Familien Ende des Jahres 1935 zwangsumgesiedelt worden waren und bis zum Mai 1940 unter menschenunwürdigen Bedingungen leben mussten.

Text: Hier wohnten Karl Weiß (*1872) Antonie Weiß (*1875) Amalie Weiß (*1900) Rosine Weiß (*1899) Selma Weiß (*1901) Christof Weiß (*1922).

Letztlich wurden, soweit bis heute bekannt, ungefähr 40 bis 50 Flensburger Sinti von dort über Hamburg in das von Deutschland besetzte Generalgouvernement nach Belzec (Polen) deportiert. Längst sind noch nicht alle Spuren der deportierten Mitbürgerinnen und Mitbürger rekonstruiert, noch immer ergeben sich durch zufällige Aktenfunde oder breit angelegte Recherchen neue Erkenntnisse.

Die erlittene Verfolgung, die nach 1945 weiterhin anhielt und erst gegen Ende der Siebzigerjahre (!) allmählich einem angemessenen Bewusstsein in der Mehrheitsbevölkerung wich, hat tiefe Wunden hinterlassen, die zu heilen viel Zeit und unser aller Empathie erfordert. 

Im Herbst 2018 entstand bei einer kleinen Gruppe von Kolleginnen und Kollegen der Freien Waldorfschule Flensburg der Wunsch, dem Gedenken an die Opfer dieser Verbrechen an der Valentiner Allee einen Raum zu geben und diesen dort angemessen zu gestalten.

Die Schulgemeinschaft könnte damit ihren Teil dazu beitragen, die Erinnerung an die vertriebenen Flensburger Mitbürgerinnen und Mitbürger lebendig zu erhalten. Zudem ließe sich in unmittelbarer Nähe zum Standort des ehemaligen Lagers (Steinfelder Weg 41 und 43) so eine weitere Station zu den Flensburger Erzählorten (FLEO 2020) hinzufügen.

Aufgehalten durch die Corona-Situation, konnte das Projekt – Stand Januar 2022 – noch nicht abgeschlossen werden, das gestalterische Konzept liegt jedoch vor. Text & Quelle: Constanze Hafner

(1) „Antiziganismus“ ist ein historisch hergestellter stabiler Komplex eines gesellschaftlich etablierten Rassismus gegenüber sozialen Gruppen, die mit dem Stigma ‚Zigeuner‘ oder anderen verwandten Bezeichnungen identifiziert werden.

(2) Gedenktafel für die Sinti und Roma: auf dringlichen Wunsch der Familiennachkommen wurde von der Verlegung von Gedenksteinen abgesehen. Für die in Flensburg verfolgten Roma und Sinti hat eine Initiativgruppe stattdessen eine Gedenktafel entworfen. Am 02.08.2008 wurde an der Hauswand Norderstr. 104 die Gedenktafel enthüllt.

Sie erinnert seitdem an das Schicksal der Familie Weiß.

Die Flensburger Sinti-Familien wohnten viele Jahre lang in dem städtischen Gebäudekomplex in der Norderstraße 104. Auf Fotografien der 20er und 30er Jahre ist dokumentiert, wie ärmlich die Lebens- und Wohnsituation der Sinti-Familien in diesem Quartier waren. Die Häuser waren zum Teil noch aus dem 17. Jahrhundert.

Mitte der 30er Jahre ließ die Stadt die Häuser abreißen und durch Neubauten ersetzen. Die Sinti-Familien wurden 1935 an den südlichen Stadtrand zwangsumgesiedelt. In die Norderstraße 104, ihren ehemaligen Wohnort, durften sie nach Errichtung der Neubauten nicht zurückkehren.

1940 wurden etwa 50 Flensburger Sinti aus ihren sogenannten Zigeunerwohnungen in der Valentinerallee nach Hamburg in ein Sammellager verschleppt. Von hier aus wurden sie nach Polen abtransportiert, wo die meisten in Arbeits- und Vernichtungslagern den Tod fanden.

Quellen: 
Ausgebürgert. Ausgegrenzt. Ausgesondert. Beitrag: Im Januar 1944 in Kielce / Polen verstorben; Björn Marnau / Stephan Linck, in Flensburger Beiträge zur Zeitgeschichte 3, Hg. Stadtarchiv Flensburg u.a., hier S. 190-222

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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