Nach 160 Jahren: Flächen des ehemaligen Landeshafens Friedrichskoog gehen zurück an die Gemeinde

Friedrichskoog (plattdeutsch Friechskouch, kurz Fri’ko bzw. Frie’ko, als Spitzname Friko rsp. Frieko) ist eine Gemeinde im Südwesten des Kreises Dithmarschen in Schleswig-Holstein. Ihr im 19. und 20. Jahrhundert durch Eindeichungen entstandener Kern liegt auf einer Halbinsel an der Helgoländer Bucht, Nordsee und wird seeseitig von der Elbmündung sowie der Meldorfer Bucht bzw. dem Nationalpark Wattenmeer begrenzt. Neben den Kögen zählen auch die Vogelschutzinsel Trischen sowie die größte deutsche Bohr- und Förderinsel Mittelplate zur Gemeinde.

Es ist der Schlusspunkt einer 160-jährigen Geschichte: Das Land hat die Flächen des ehemaligen Landeshafens Friedrichskoog im Kreis Dithmarschen an die Gemeinde zurückgegeben. Nach der notariellen Beurkundung übergab Wirtschaftsminister Dr. Bernd Buchholz die Flächen des ehemaligen Landeshafens symbolisch an Friedrichskoogs Bürgermeister Bernd Thaden (siehe Foto oben). „Damit beenden wir einen vor mehr als zehn Jahren angestoßenen Prozess, der lange und heftig die Gemüter erhitzt und auch die Gerichte beschäftigt hat„, wird Buchholz zitiert

Förderung und Unterstützung

Damit die Gemeinde das Hafenareal wie geplant touristisch weiterentwickeln kann, müssen die Flächen in ihrem Besitz sein. Deswegen gibt das Land die Flächen kostenfrei an die Gemeinde zurück. Hier sollen unter anderem Restaurants und Ferienwohnungen entstehen. Das Land werde die Gemeinde bei der Hafenentwicklung weiter unterstützen, kündigte der Minister an.

Seit Schließung des Hafens* wurden vom Land bereits unter anderem mehr als 7,5 Millionen Euro in den Aus- und Umbau der Seehundstation Friedrichskoog investiert. Auch für die Instandsetzung der Ufereinfassung wird das Land aufkommen, sie wird vom Landesbetrieb Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz umgesetzt. 

Keine wirtschaftliche Perspektive

Buchholz betonte, er habe größtes Verständnis dafür, dass sich die Menschen in der Region nur schwer von „ihrem“ Hafen trennen konnten. „Damit sind nun einmal Familiengeschichten über Generationen verbunden.“ Aber der zunehmend versandete Hafen habe keine wirtschaftliche Perspektive mehr gehabt und jeder Kutter-Anlauf sei vom Steuerzahler rechnerisch mit rund 10.000 Euro subventioniert worden.

*Etwas zur Geschichte des ehemaligen Hafens:

Mit der Eindeichung des Friedrichskoogs in den Jahren 1853/1854 wurde (unter Ausnutzung des Priels Rugenorter Loch) vor dem Deich ein Sielhafen angelegt, der im Jahr 1855 in Betrieb ging (Quelle).

Er diente zunächst als Frachthafen für den Transport landwirtschaftlicher Erzeugnisse, später als Stützpunkt für Landgewinnungsarbeiten der Preußischen Domänenverwaltung und für Seenotrettungskreuzer. Ab Aufkommen der Fischkutter zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Quelle) war er vorrangig Fischereihafen. Historiker vermuten, dass bereits zur Zeit der Hanse das Rugenorter Loch für den Warenumschlag genutzt wurde. (Quelle)

In den Jahren 1933 bis 1935 wurde der Hafen mit dem Dieksanderkoog eingedeicht sowie mit einem Sperrwerk versehen. Aus dem Tidehafen entwickelte sich so ein sturmflutsicherer Dockhafen mit einem etwa 800 Meter langen Hafenbecken. Der konnte jedoch im Hinblick auf den schwankenden Wasserstand des zur Elbmündung führenden Hafenpriels (Länge zuletzt etwa 2000 Meter) nur gezeitenabhängig angelaufen und verlassen werden.

Wegen der Bedeutung des Hafens für die Fischerei ging im Jahre 1937 die Unterhaltspflicht von der preußischen Domänenverwaltung auf die Wasserstraßenverwaltung des Deutschen Reiches über. Diese siedelte eine Kutterwerft sowie eine Motorenschlosserei als Servicebetriebe für die Fischer an. Noch während des Zweiten Weltkriegs wurden Teile des Hafenpriels durch einen mit Basalt gepflasterten Leitdamm gesichert.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Land Schleswig-Holstein als Rechtsnachfolgerin Eigentümerin des Hafens.

Der Landeshafen erreichte in den 1950er Jahren den Höhepunkt seiner Entwicklung, als der Leitdamm um weitere 200 Meter bis zur Mündung des Hafenprils verlängert, das Hafenfeuer elektrifiziert und ein Nebelhorn installiert wurde. Damals hatten etwa 80 Baumkurrenkutter und zahlreiche Nebenerwerbsfischer in Friedrichskoog ihre Heimat, (Quelle) nach Büsum war Friedrichskoog zweitgrößter Fischereihafen an Schleswig-Holsteins Westküste.

Ab den 1960er Jahren reduzierte sich aufgrund des allgemeinen Strukturwandels die Zahl der Kutter. Gleichzeitig nahm deren Größe und Tiefgang zu. Auch dadurch rückten die sich verstärkenden Sedimentationen in Hafen und Hafenpril in den Fokus.

Zur Aufrechterhaltung des Hafenbetriebs musste der landeseigene Saugbagger Isern Hinnerk II jedes Jahr im Cutterbetrieb rund 100.000 Kubikmeter Sediment durch eine Rohrleitung auf Spülfelder nördlich des Hafens verbringen. Nachdem der Landesrechnungshof bereits in den 1970er Jahren die zunehmende Unwirtschaftlichkeit des Hafenbetriebs bemängelte, (Quelle) wurden mit wissenschaftlicher Unterstützung die Anlage von Spülpoldern,

der Bau eines Seitenkanals sowie der Anschluss des Hafens an das Grüppensystem als Alternativen zum aufwändigen Baggerbetrieb geprüft, im Ergebnis aber aufgrund erkennbarer Risiken verworfen. (Quelle) Auch vor diesem Hintergrund liefen zuletzt nur noch wenige Kutter den Hafen regelmäßig an. (Quelle)

Von Christian der Vierte – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=114126521

Schließung – gegen den Willen der Bevölkerung

Im Mai 2010 beschloss die Schleswig-Holsteinische Landesregierung auf Empfehlung der Haushaltsstrukturkommission, den Hafen Friedrichskoog wegen der hohen Kosten für Instandhaltung und Aufrechterhaltung der Hafenzufahrt zu schließen.

Zunächst verständigten sich jedoch Ministerpräsident, Landrat des Kreises Dithmarschen und Bürgermeister der Gemeinde Friedrichskoog im April 2012 in einem „Letter of Intent“, dass die Gemeinde bei Erklärung einer gesicherten wirtschaftlichen Basis den Hafen zu Jahresbeginn 2014 übernehmen könne.

Trotz intensiver Bemühungen konnte die Gemeinde aber kein tragfähiges Finanzierungskonzept zur Kommunalisierung des Hafens mit Übertragung des Betriebs auf einen anderen Träger vorlegen. (Quelle)

Gegen den Widerstand der Bevölkerung (Quelle1; Quelle2; Quelle3) schloss das Land Schleswig-Holstein zum 1. Juli 2015 den ehemaligen Landeshafen: Nach Angaben der Landesregierung hatten sich Personal- und Sachkosten, Instandhaltungsinvestitionen sowie Kosten für Baggerarbeiten in Eigenregie für den Hafen (ohne Sperrwerk) zuletzt auf durchschnittlich 700.000 Euro im Jahr summiert. (Quelle) Dem standen Einnahmen aus dem Hafenbetrieb von rund 75.000 Euro gegenüber.

Beitrags-Foto: Minister Buchholz gab heute symbolisch den Hafen in Friedrichskoog an Bürgermeister Thaden zurück.©Verkehrsministerium

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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