Die stillen Ecken der Nordsee mit Geschichte: Auf Spurensuche im Sylter Osten

Es gibt sie noch – die Orte, an die man so gerne zurückkehrt! Entlang der Nordseeküste von Schleswig-Holstein gibt es diese versteckten, vielleicht noch unbekannten oder gar belebten Orte, die keiner vergisst, weil die Erinnerungen an den Besuch einen nicht mehr loslassen- wahre Sehnsuchtsorte, … hier ein Tipp: Auf Spurensuche im Sylter Osten

Vor 1000 Jahren, die Wikinger. Wind zupft an den letzten Rosenblüten und weht in Wellen über das Gras, Beeren prangen saftig und sommersatt an den Büschen. Die Schritte schlagen in den Sand und der Weg führt vorbei an der Heide in die Einsamkeit, im Sylter Osten ist es still.

Auf drei Seiten glitzert das Wattenmeer und in der Ferne klingen die Glocken von Morsum. Der Pfad verliert sich nach links, nach rechts und der Blick schweift über das Hügelige. In der gefällig gewellten Landschaft fallen kleine Kuppen auf, kaum mehr als einen guten Meter hoch – Grabhügel.

Und diese Gegend haben sich Archäologen genauer angesehen – denn der Sylter Osten ist eine der schönsten bronze- und wikingerzeitlichen Sakrallandschaften Deutschlands. Nachdem im Jahre 2015 ein Schatz offenbart wurde, ein Landwirt hatte den schon Jahrzehnte zuvor bei Morsum entdeckt, rückten die Altertumsforscher an und keine Viertelstunde später schrillten die Detektoren:

nach und nach kam ein spektakulärer Silberschatz zusammen – Münzen, Barren, Schmuck. Tausend Jahre alt und von den Wikingern vergraben, es ist ein überaus bedeutender Fund.

Auf Sylt traf sich schon damals die High-Society, denn der Schmuck – teils aufwendig mit Mustern tierähnlicher Wesen verziert – war ein beachtliches Kapital, Wikinger-Oberschicht. Dann verschwanden die Wikinger im Dunkel der Zeit und es wurde wieder still im Sylter Osten, Jahrhundert um Jahrhundert legte sich über die Gräber.

An diesem Abend ist es einsam und ruhig, kaum jemand ist noch unterwegs in dieser wildromantischen, nordisch-herben Landschaft und das tiefstehende Licht setzt Akzente, wird golden und warm. Brombeere und Schlehe leuchten, man nascht am Strauch.

Und blickt dabei auf das weite Wattenmeer und denkt an Wikinger-Fürsten und Leute aus der Bronzezeit, die hier ihre Toten bestatteten. Noch früher taten dies auf Sylt die Menschen in der Steinzeit und vor Archsum ging nicht nur ein Steingrab in der Zeit verloren, sondern auch in der Nordsee unter.

Der Weg führt hinunter an die Wasserkante und vorbei am Morsum Kliff: in Farben von Ocker und Rost, in creme und weiß, ragt die Steilküste auf wie Mauern und Zinnen einer Burg in der Phantasie. Wer allein unterwegs ist, wandelt auf traumhaft-leerer Bühne, fühlt sich ein wenig entrückt und wie aus der Zeit gefallen.

Bald geht es hinauf nach „Klein-Afrika“, so heißt ein fast wüstenhaftes Gebiet, und der Sand weht knisternd. Herüber vom Gräberfeld, wie von einer Insel in der Zeit. Was ist schon ein Jahrtausend in ewiger Ruhe an diesem schönen, stillen Ort.

Erweiterte Infos über Sylt-Ost:

Der Osten der Insel bildete bis zum Zusammenschluss mit Westerland 2009 kommunalpolitisch die Großgemeinde Sylt-Ost mit rund 5500 Einwohnern. Sie war ein Zusammenschluss der zuvor selbstständigen Dörfer der so genannten Nössehalbinsel: Tinnum, Archsum, Morsum mit Keitum (einschl. Munkmarsch) als Verwaltungsmittelpunkt.

Die Weiden der Marsch prägen bis heute das Landschaftsbild und boten über viele Jahrhunderte die Grundlage für den Broterwerb in diesen Dörfern. Die Siedlungsgrenzen von Tinnum gehen mittlerweile fast unmerklich in das Siedlungsgebiet von Westerland über und so profitiert Tinnum von der unmittelbaren Nähe zur Inselmetropole.

Die Tinnumburg (siehe Beitragsfoto oben), südwestlich des Ortes gelegen, ist ein kreisförmiger Wall mit einem Durchmesser von 120 Metern und einer Höhe von 8 Metern. Sie wurde etwa im 1. Jahrhundert v. Chr. errichtet, vermutlich als heidnische Kultstätteoder Wehranlage gegen Angriffe von Mensch und Meer.

Vor der Marscheindeichung 1938 ragte die Burg bei Sturmfluten inselartig aus dem Wasser. Die Burg hatte mindestens zwei Tore (im Osten und Süden). Vielleicht hatte sie ein drittes Tor im Westen, das auf ein kleines, am Döplem gelegenes Plateau führte.

Grabungen in den Jahren 1870, 1948 und 1976 erbrachten den Beweis, dass die Tinnumburg zu den in der frühen römischen Kaiserzeit errichteten Rundwällen auf den nordfriesischen Inseln gehörte. Die Grabungsergebnisse ergaben, dass es sich hierbei um eine germanischeKultstätte handelte.

Sie wurde, nachdem sie eine Zeit lang brach lag und vermoorte, erneut im 8. bis 10. Jahrhundert benutzt. Die Innenbebauung bestand aus Sodenwandhäusern. Aus dieser Zeit stammt auch der heute sichtbare Wall, der über dem Wall aus der Zeit um Christi Geburt errichtet wurde.

Die gleich alte Lembecksburg auf Föhr brachte Vergleichsfunde zur Tinnumburg.

Bildautor: Holger Weinandt – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6778497

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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