Die stillen Ecken der Nordsee mit Geschichte: Schobüller Berg & Wald

Es gibt sie noch – die Orte, an die man so gerne zurückkehrt! Entlang der Nordseeküste von Schleswig-Holstein gibt es diese versteckten, vielleicht noch unbekannten oder gar belebten Orte, die keiner vergisst, weil die Erinnerungen an den Besuch einen nicht mehr loslassen- wahre Sehnsuchtsorte… hier ein Tipp: Schobüller Berg & Wald

„Schleswig-Holstein, das ist doch nur plattes Land“, mag so mancher Auswärtiger denken. Doch weit gefehlt, selbst am Rande der Marsch, in Nordfriesland, genau gesagt, in Schobüll (etwa 1600 Einwohner) bei Husum, gibt es so manche Erhebung, manche schicke Ecken und so manche Geschichte. Ein weltberühmter Dichter soll sich dort Inspiration geholt haben, … doch dazu später mehr. 

Eine dieser schicken und stillen Ecken mit Geschichte an der Nordsee ist der „Schobüller Berg“. Er ist ein Relikt aus der letzten Eiszeit und vollständig bewaldet. Und mit 31 Metern ü. NN ist er einer der höchsten Punkte der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. Am höchsten Punkt des „Berges“ findet sich der Behnke-Gedenkstein.

Max Behnke (geb. 5. Juni 1890 in Berlin; gest. 17. November 1933 in Fürstenwalde), war Arbeiter, Kommunist, Mitglied des Rotfrontkämpferbundes. Er hatte am 29. Mai 1930 den Stahlhelm-Anhänger Rüdiger von Massow getötet. Kurz nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager Sonnenburg in Fürstenwalde wurde er erneut verhaftet, von SS-Leuten schwer misshandelt (Peitschenhiebe und Fußtritte), dann erschossen oder an den Folgen der Misshandlungen gestorben.

Fünf Grabhügel

Am Rande des Schobüller Waldes finden sich fünf Grabhügel, einer davon ist auf dem Foto (weiter oben) zu sehen. Die Hügel liegen meist weithin sichtbar auf natürlichen Anhöhen und prägen seit Jahrtausenden die Landschaft Norddeutschlands. Besonders in der älteren Bronzezeit (zwischen 1.500 und 1.200 v. Chr.) war es üblich, Verstorbene in aufwändigen Hügelgräbern beizusetzen. 

Den Männern wurden Schwerter, Lanzen und Beile aus Bronze mit ins Grab gegeben, den Frauen bronzener Hals-, Arm- oder Gürtelschmuck oder auch Dolche (Foto: Informationstafel am Grabhügel).

Die Toten lagen in ihrer Tracht und mit ihren Beigaben ausgestattet in ausgehöhlten Baumsärgen, die meist von einer Steinpackung geschützt waren. Darüber wurden Rasen- und Heidesoden zu einem Hügel aufgebaut und der Hügelfuß oft von einem Steinkranz umgeben.

Der Dichter Theodor Storm und sein besonderes Verhältnis zu Hattstedt 

In der Nähe dieses schicken und auch geschichtsträchtigen Standortes soll sich 1848 der Dichter Theodor Storm (* 14. September 1817 in Husum, Herzogtum Schleswig; † 4. Juli 1888 in Hanerau-Hademarschen) zu seinem Gedicht „Abseits“ inspiriert haben, der Text:

Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.

Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen,
Die Vögel schwirren aus dem Kraut –
Die Luft ist voller Lerchenlaut.

Ein halbverfallen niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen;
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.

Kaum zittert durch die Mittagsruh
Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten.
– Kein Klang der aufgeregten Zeit

Drang noch in diese Einsamkeit.

Theodor Storm ging einst auf dem Weg zwischen Hattstedt und Schobüll spazieren und ließ sich zu dem Gedicht inspirieren. Damals konnte er von diesem Punkt die Hattstedter Kirche sehen. 

Am Ende des Gedichtes heißt es „… Kein Klang der aufgeregten Zeit„. Als er dieses schrieb, 1848, war es in der Tat eine „aufgeregte Zeit“. Es begann die sogenannte „Schleswig-Holsteinische Erhebung„, eine von der Mehrheit der Staaten des Deutschen Bundes unterstützte politische und militärische Auseinandersetzung der deutschen Nationalbewegung in den Herzogtümern Schleswig und Holstein mit dem Königreich Dänemark. Sie dauerte von 1848 bis 1851. 

Storm engagierte sich während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung ab 1848 gegen die dänische Herrschaft. Auch nach dem Friedensschluss von 1850 zwischen Dänemark und Preußen nahm Storm eine unversöhnliche Haltung gegenüber Dänemark ein. 

Deshalb entzog ihm 1852 der dänische Schleswigminister Friedrich Ferdinand Tillisch die Advokatur. 1853 sprach man ihm in Berlin eine unbezahlte Anstellung im Kreisgericht von Potsdam zu. Erst nach der Niederlage Dänemarks im Deutsch-Dänischen Krieg zog Storm 1864 nach Husum zurück.

Doch zurück zur besondere Verbundenheit zwischen Hattstedt (das 10 Km nördlich von Husum liegt) und Theodor Storm: 

Marienkirche in Hattstedt

Die Novelle Der Schimmelreiter von Theodor Storm spielte im Raum Hattstedt, welche die Bodenständigkeit und Gegebenheiten von Land und Leuten dieser Gegend widerspiegelt und über die Grenzen hinaus bekannt gemacht hat.

Theodor Storm war sehr häufig in Hattstedt zu Gast, der Sohn des Hattstedter Pastors besuchte mit ihm gemeinsam die Gelehrtenschule in Husum.

Die besondere Verbundenheit Storms mit Hattstedt fand in verschiedenen Werken Storms ihren Niederschlag. So könnte der Hattstedter Kirchturm in der Erzählung „Aquis submersus“ als Vorbild gedient haben, wo es heißt: „Der graue spitze Kirchturm“ „bis an das Schindeldach… aus Granitquadern aufgebaut“. Gleiches soll auch gelten für Beschreibungen in „Der Schimmelreiter“ und dem Fragment „Die Armesünderglocke“.

Die Beziehung Storms zu Hattstedt war auch durch persönliche Erlebnisse des Dichters geprägt. So heiratete Storm in Hattstedt im Juni 1866 seine zweite Frau Dorothea. Die Hochzeit fand allerdings nicht in der Kirche statt, sondern auf dem Grundstück Lindenweg 1 unter den sogenannten „Storm-Linden“ statt. Diese stehen noch heute. Die dortige Örtlichkeit findet sich ebenfalls in „Aquis submersus“; das Epitaph zu dieser Novelle aber hängt in der Kirche in Drelsdorf.

Wie komme ich zum Schobüller Wald / Berg hin?

Der Schobüller Berg liegt im Stadtgebiet Husum und den Nachbargemeinden Wobbenbüll und Hattstedt. Dort hin führen mehrere Wege, per PKW/Fahrrad oder zu Fuß (hier bei Google-Maps die Route anschauen). Unterkünfte gibt es unter dieser Adresse.

Foto: Marienkirche in Hattstedt. Von Joachim Müllerchen – Joachim Müllerchen, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16883722

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

2 Kommentare zu „Die stillen Ecken der Nordsee mit Geschichte: Schobüller Berg & Wald“

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