Die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949 trat am 12. Januar 1950 unter dem Titel Landessatzung für Schleswig-Holstein in Kraft. Schleswig-Holstein war damit das erste Land der Bundesrepublik, das sich eine Verfassung gab.
Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg: Trümmer, Flüchtlinge und der Aufbau einer neuen Ordnung
Der Zweite Weltkrieg endete für Schleswig-Holstein mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945. Das Land war schwer getroffen. Die Städte waren in Trümmern, die Infrastruktur zerstört. Hinzu kam eine massive Flüchtlingswelle aus den ehemaligen Ostgebieten.
Die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen, die nach Schleswig-Holstein kamen, wird auf 1,1 Millionen geschätzt. Dies entspricht einem Anstieg der Bevölkerung um etwa 60 %. Kein anderes späteres Bundesland Deutschlands hatte durch Flüchtlinge einen solchen Bevölkerungszuwachs zu bewältigen.
Verwaltung unter Britischer Besatzung
Die ersten Jahre nach dem Krieg waren geprägt von Hunger, Not und Wohnungsmangel. Die Britische Besatzungsmacht übernahm die Verwaltung des Landes und sorgte für die Versorgung der Bevölkerung. Sie förderte auch den Aufbau einer neuen demokratischen Ordnung.
Der Provinziallandtag und die vorläufige Verfassung
Die Militärregierung rief im Februar 1946 einen Provinziallandtag ein, der die ersten politischen Entscheidungen für das Land treffen sollte.
Die Mitglieder des Provinziallandtags wurden von der Militärregierung auf Vorschlag deutscher Parteien und Organisationen ausgewählt. Wahlen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Die britische Flagge am Bühnenvorhang des Kieler Stadttheaters, in dem der Provinziallandtag tagte, symbolisierte die Machtverhältnisse im Land.
Der Provinziallandtag verabschiedete am 12. Juni 1946 die „Vorläufige Verfassung“. Diese Verfassung beschrieb grob die Grundsätze für den Aufbau der Staatsgewalt und der wichtigsten Behörden. Sie wurde von den Briten nicht anerkannt, diente aber in den nächsten Jahren als Grundlage der politischen Willensbildung und Politikgestaltung in Schleswig-Holstein.
Auflösung Preußens und Neuordnung der Ländergrenzen
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Königreich Preußen von den Alliierten aufgelöst. Die Briten sahen Preußen als Ursprung vieler Kriege und hielten es für eine Bedrohung für den Frieden.
Im August 1946 setzten die Briten die Auflösung Preußens in Kraft. Die Ländergrenzen wurden neu gezogen, um die Entstehung eines starken deutschen Staates zu verhindern.
Schleswig-Holstein blieb als Gebiet unangetastet. Es wurde jedoch von einer Provinz zu einem Land erhoben. Dieser Schritt war symbolisch, da er die Gleichberechtigung Schleswig-Holsteins mit den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland unterstrich.
Erste freie Landtagswahlen in Schleswig-Holstein
Erste Wahlen seit Ende des Zweiten Weltkriegs fanden im Oktober 1946 statt. In Schleswig-Holstein fanden diese Wahlen am 20. April 1947 statt.
Die Wahlen wurden von der SPD gewonnen, die 41,1 % der Stimmen erhielt. Die CDU kam auf 33,7 % und die KPD auf 12,5 %. Die SPD bildete daraufhin unter Ministerpräsident Hermann Lüdemann (im Bild) die Landesregierung.
Die Wahlen waren ein Erfolg für die SPD, die sich als stärkste Partei in Schleswig-Holstein etablierte. Sie waren auch ein wichtiger Schritt für die Demokratisierung des Landes.
Der Weg zur Landesverfassung von Schleswig-Holstein
Die SPD wollte die neuen politischen Verhältnisse in Schleswig-Holstein auch in einer Verfassung verankern. Doch zunächst wartete man in Kiel ab, wie sich die verfassungsrechtliche Entwicklung Gesamtdeutschlands gestalten würde.
Das Grundgesetzt wurde vom Parlamentarischen Rat am 8. Mai 1949 beschlossen und von den Alliierten genehmigt. Am 23. Mai 1949 trat es in Haft – ein großer Tag für die Bundesrepublik Deutschland. Wenig Wochen später entwickelten die Gründungs-Männer und Frauen eine eigene Landesverfassung für für Schleswig-Holstein.
Nachdem Ministerpräsident Hermann Lüdemann (SPD) im August 1949 aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war, wurde der bisherige Landwirtschaftsminister Fritz Diekmann (SPD) zu seinem Nachfolger gewählt.
Die Britische Militärregierung, die Schleswig-Holstein bis 1955 besetzt hielt, hatte Lüdemann noch ernannt, Diekmann hingegen nur noch über seine Wahl informiert. Dies war ein Zeichen dafür, dass die Landesregierung zunehmend mehr Selbständigkeit erlangte.
Kontroverse Verfassungsberatungen
Die Verfassungsberatung fand in einer feindseligen Atmosphäre statt. Die SPD hatte eine klare Mehrheit im Landtag, während die CDU bei den Kommunal- und Bundestagswahlen 1949 an Stärke gewonnen hatte. Die Opposition forderte eine verfassungsgebende Versammlung, aber die SPD lehnte dies ab und entschied, dass der Landtag die Satzung verabschieden sollte.
Die SPD wollte mit der Satzung ihre Kernpunkte, die sechsjährige Grundschule und die Bodenreform, dauerhaft verankern. Die Satzung sah vor, dass sie mit einer absoluten Mehrheit angenommen werden sollte, während zukünftige Änderungen eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderten.
Die Oppositionsparteien CDU und SSW kritisierten diese Regelungen scharf. Die CDU kündigte an, das Ergebnis der Verfassungsberatungen vor dem Bundesverfassungsgericht anzufechten.
Die SPD war nicht bereit, den Forderungen der Opposition nachzukommen. Daher fanden die Beratungen nur mit den Abgeordneten der SPD und des SSW statt. Die CDU entsandte lediglich zwei Beobachter.
Ministerpräsident Hermann Lüdemann (SPD) versuchte noch einen Kompromiss zu finden, indem er vorschlug, den Absatz über die sechsjährige Grundschule zu streichen. Seine Fraktion lehnte diesen Vorschlag jedoch ab, da dadurch zukünftige Mehrheiten diese Regelung wieder abschaffen könnten.
Die Diskussion über die Vorlage führte zu nur wenigen Änderungen. Die Legislaturperiode wurde von drei auf vier Jahre verlängert und ein konstruktives Misstrauensvotum wurde eingeführt. Die Regelungen zur Bodenreform und Grundschule blieben jedoch in der Satzung unverändert.
Schlussendlich wurde die Landessatzung am 13. Dezember 1949 mit den Stimmen der 42 SPD-Abgeordneten angenommen. Die beiden CDU-Beobachter und der SSW stimmten dagegen. Lediglich zwei SSW-Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Am 12. Januar 1950 trat die Landessatzung in Kraft, die die Grundlage für die neue demokratische Ordnung in Schleswig-Holstein bildete.
Änderungen / Neufassung der Landesverfassung
Die Landesverfassung Schleswig-Holsteins wurde im Laufe der Zeit mehrfach geändert. Die wichtigsten Änderungen waren die folgenden:
1950: Die SPD verlor die Landtagswahl und musste in die Opposition gehen. Die neuen Mehrheitsparteien CDU und FDP strichen die Verfassungsbestimmungen über die sechsjährige Grundschule und die Bodenreform.
1990: Die Kieler Affäre führte zu einer umfassenden Verfassungs- und Parlamentsreform. Die neue Verfassung stärkte die Rechte des Landtags und führte unter anderem eine Präambel, einen Grundrechtskatalog und ein Klagerecht des Landesrechnungshofs ein.
2014: Ein interfraktioneller Ausschuss erarbeitete einen Vorschlag für eine weitere Verfassungsreform. Die neue Verfassung wurde am 8. Oktober 2014 verabschiedet. Sie senkte die Quoren für Volksentscheide, verankerte den Schutz der digitalen Privatsphäre und den Aufbau digitaler Basisdienste im Grundgesetz und stärkte die Inklusion von Schülern mit Behinderungen.
Quellen / Weiterführende Informationen
Die Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949 mit allen Änderungen (Link)
Foto1: Ministerpräsidenten-Konferenz der Länder der 3 Westzonen Deutschlands auf dem Berghotel Rittersturz in Koblenz
(Dr. Hermann Lüdemann) 8.-10.7.1948; Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F046120-0015 / Vollrath / CC-BY-SA 3.0
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