Die Biene Maja: Hinter den Kulissen von Waldemar Bonsels – Kindheit, Erfolg und dunkle Schatten des Nationalsozialismus

Waldemar Bonsels: Die dunklen Schatten hinter der Biene Maja. Erfahren Sie mehr über den Schöpfer der weltbekannten Figur und seine Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus. Eine faszinierende Reise in die Kindheit, den Erfolg und die dunklen Seiten eines beliebten Autors

Die Biene Maja und das Buch „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ sind weltweit bekannt und wurden in über 40 Sprachen übersetzt. Die Zeichentrickserie „Die Biene Maja“ erfreut sich ebenfalls großer Beliebtheit und wurde erstmals am 9. September 1976 unter dem Titel „Maja wird geboren“ im ZDF ausgestrahlt. Doch wer war der Schöpfer dieser beliebten Figur, Waldemar Bonsels, und welche Rolle spielte seine Vergangenheit im Nationalsozialismus?

Die Kindheit von Waldemar Bonsels – schwarze Pädagogik und Traumata

Waldemar Bonsels wurde am 21. Februar 1880 in Ahrensburg im heutigen Kreis Stormarn geboren. Seine Kindheit war von einer streng christlichen Erziehung geprägt. Sein Vater, ein frommer Pietist, legte großen Wert auf die religiöse Unterweisung seiner Kinder.

Beispiel: Als Waldemar Silberlöffel stiehlt und verkaufen will, sperrt ihn der Vater zwei Tage lang bei Brot und Wasser im Badezimmer ein. Zwischenzeitlich plant Reinhold Bonsels sogar, Waldemar in eine Zwangserziehungsanstalt zu geben, lässt auf Bitten der Mutter aber von dem Plan ab. (1)

Bonsels selbst war von klein auf ein frommer Mensch und besuchte regelmäßig die Kirche. In seiner Kindheit musste er auch den Tod seines kleinen Bruders verkraften, der 1893 von einem 15-Jährigen erschossen wurde. Dieses Ereignis hinterließ einen tiefen Eindruck und beeinflusste sein Leben nachhaltig.

Schule & Ausbildung und erste Schreiberfahrungen

Nachdem Bonsels die Oberrealschule in Kiel ohne Abschluss verlassen hatte, absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung in Bielefeld. Anschließend arbeitete er als Kaufmann in einer Karlsruher Druckerei. Danach ließ er sich zum Missionskaufmann ausbilden und reiste im Auftrag der Basler Mission nach Niederländisch-Indien. Diese Tätigkeit dauerte jedoch nur bis April 1904 an.

Gründung des Verlags und der Weg zum Erfolg mit „Die Biene Maja“

Nach seiner Rückkehr gründete Bonsels zusammen mit Freunden den Verlag E. W. Bonsels und Co. in München-Schwabing. Im Jahr 1904 veröffentlichte er einen offenen Brief, in dem er seine Kritik an der Basler Mission in Niederländisch-Indien äußerte. In den folgenden Jahren heiratete er zweimal, zog um und veröffentlichte 1912 sein Buch „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“, das ihn weltberühmt machte.

Erster Weltkrieg und Erfolg als Autor

Während des Ersten Weltkriegs war Bonsels als Kriegsberichterstatter tätig. Nach dem Krieg kaufte er ein Haus am Starnberger See und wurde einer der meistgelesenen Autoren der 1920er-Jahre in Deutschland. Er veröffentlichte regelmäßig neue Bücher bis in die 1940er-Jahre hinein.

Bonsels und der Nationalsozialismus: Antisemitismus und kontroverse Werke

Bonsels‘ politische Einstellung und seine antisemitischen Ansichten sind bekannt. Er war ein überzeugter Nationalsozialist und trat der NSDAP bei. Bereits vor den Bücherverbrennungen im Jahr 1933 äußerte er sich in einem Artikel positiv über die Beendigung des „überhandnehmenden Einflusses jüdischen Wesens“ in der Kultur. 

Der Jude ist anders als wir“, bemerkte er. Juden stellten ein „penetrantes Element der Einwirkung“ dar. Sie verbreiteten „Gift“. Ihr Einfluss sei als „tödlicher Feind“ „unserer Bewegung“ wie der Volksgemeinschaft insgesamt zu werten.

Gerade auch für Kunst und Kultur gelte das, es seien Juden gewesen, die darüber entschieden hätten, welche Schriftsteller und Dichter erfolgreich gewesen seien. Bonsels erfuhr im Nationalsozialismus keinerlei Einschränkungen seiner schriftstellerischen Tätigkeit. 

Während des Zweiten Weltkriegs war er Herausgeber kriegspropagandistischer Feldposthefte. In seinen Werken finden sich immer wieder antisemitische Stereotype und rassistische Hetze.

1941 gab er mit „Der Hüter der Schwelle. Die Welt des Novalis“ eine Anthologie heraus, von der der Literaturwissenschaftler Herbert Uerlings sagt, sie enthalte „offene rassistische Hetze“ gegen Heinrich Heine, während der Dichter Novalis durch Bonsels einer „antisemitischen Indienstnahme“ ausgesetzt werde. (3)

1943 erschien sein Roman „Der Grieche Dositos“ in einer Auflage von ca. 100 Exemplaren als „nicht für die Öffentlichkeit bestimmter“ Privatdruck. Ein Exemplar übersandte er dem damaligen Reichsinnenminister Wilhelm Frick und hob dabei eine beabsichtigte antisemitische Wirkung des Buches hervor. Ein Zitat:

„Wenn ich töte, bin ich so menschlich, als wenn ich liebe! Sonst würde kein Krieger zum Helden und kein Gott zum Erlöser werden.“

(4)

Nach dem Nationalsozialismus: Publikationsverbot und Neuanfang

Nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde Bonsels mit einem Publikationsverbot belegt. Er trat im Entnazifizierungsverfahren von Henriette von Schirach als Entlastungszeuge auf. Bonsels überarbeitete sein Werk „Der Grieche Dositos“ und veröffentlichte es 1948 unter dem Titel „Das vergessene Licht“. Er erkrankte 1949 an Morbus Hodgkin und verstarb am 31. Juli 1952 in seinem Haus in Ambach.

Wie konnte Bonsels zum Judenhasser werden?

Zunächst müssen wir uns mit Grundsätzlichen zur Judenfeindschaft beschäftigen. Geschichtlich liegen die Wurzeln diese Hasses lange zurück. Die Judenfeindschaft hat ihre Wurzeln in religiösen Vorurteilen und Stereotypen, in der christlich-jüdischen Differenz, oder genauer: in der traditionellen Ablehnung des Judentums durch das Christentum und die christliche Welt.

Doch das wäre zu kurz gedacht. Wir müssen tiefer, psychologisch der Frage nachgehen, woher kommt die Judenfeindlichkeit und wie konnte Bonsels zum Judenfeind werden?

Maximilian Gottschlich, 1948 in Wien Geborener emeritierter Universitätsprofessor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, hat, wie die Verfasser meint, treffende Worte gefunden. In einen Aufsatz mit dem Titel „Die tiefreichenden Wurzeln des (europäischen) Antisemitismus“ schreibt er (Auszug)

Mit diesen ungelösten Konflikten geht auch irrationaler Hass einher, der danach drängt, nach außen, auf ein äußeres Objekt projiziert und legitimiert zu werden. Und dazu dienen seit alters her die Juden. Gottschlich stützt sich dabei auf die Überlegungen von Alice Miller, die darauf aufmerksam machte, dass der Judenhass zu allen Zeiten eine entwicklungspsycho­logische Ventilfunktion hatte: nämlich den im Menschen von Kindheit an aus verschiedenen Gründen aufgestauten oder aufgrund eines engen Tugendkonzepts nicht zugelassenen Hass abzuführen bzw. zu kanalisieren.

Schuldabwehr durch Schuldprojektion oder Täter-Opfer-Umkehr ist eine psychische Entlas­tungsstrategie, die auch dem sekundären Antisemitismus, also dem Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz zugrunde liegt. Gottschlich zeigt auf, wie diese psychische Entlastungsstrategie gerade auch im Zusammenhang mit dem modernen Antisemitismus funktioniert, der in Gestalt des – meist als „legitime“ Israelkritik getarnten – Antizionismus und Antiisraelismus auftritt, und welche Rolle dabei das Israel-Bashing spielt. 

Die tiefreichenden Wurzeln des (europäischen) Antisemitismus“ von Maximilian Gottschlich (Link)

Bonsels Kindheit und antisemitische Stereotype: Ein Blick auf die Ursprünge seiner Einstellung

Blicken wir nochmals auf Waldemar Bonsels Kindheit. Diese war geprägt von einer streng christlichen Erziehung, dem Tod seines Bruders und einer unsteten Schul- und Berufsausbildung. Es ist möglich, dass diese Erfahrungen zu seiner antisemitischen Einstellung beigetragen haben.

In seinen Werken, insbesondere in seinem bekanntesten Buch, „Die Biene Maja und ihre Abenteuer„, finden sich immer wieder antisemitische Stereotype. So werden die Bienen in dem Buch als ein „Volk“ dargestellt, das durch seine Ordnungsliebe und Fleißbereitschaft besticht. Beispiel:

„Müssen die Meinen unterliegen und sterben, so will ich es auch, dachte sie, aber vorher will ich nichts ungetan lassen, sie zu retten.
‚Es lebe meine Königin!‘ rief sie.
‚Ruhe da drinnen!‘ scholl es barsch von außen.“

Diese Eigenschaften werden dabei als typisch deutsch angesehen. Die Wespen hingegen werden als ein chaotisches und unordentliches Volk dargestellt. Diese Eigenschaften werden, von Antisemiten dabei als typisch jüdisch angesehen.

Bonsels‘ antisemitische Einstellung war in seiner Zeit weit verbreitet. Sie wurde durch die nationalsozialistische Propaganda noch weiter geschürt. Bonsels selbst war ein überzeugter Nationalsozialist und trat der NSDAP bei. Es ist wichtig, sich der antisemitischen Stereotype in Bonsels‘ Werken bewusst zu sein. Sie sind ein Spiegelbild seiner Zeit und seiner eigenen Einstellung.

Bei Waldemar Bonsels könnten Kindheitsbelastungen einen Einfluss auf seine Weltanschauung gehabt haben, aber es wäre zu simplifizierend, allein auf diese Faktoren zu verweisen. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder, der schwierige Erfahrungen in der Kindheit gemacht hat, zwangsläufig antisemitische oder diskriminierende Überzeugungen entwickelt.

In Bonsels‘ Fall könnten mehrere Elemente zu seiner antisemitischen Haltung beigetragen haben, darunter:

  1. Familiäre Einflüsse: Die streng christliche Erziehung, die er von seinem Vater erhielt, einem frommen Pietisten, könnte bestimmte Einstellungen geprägt haben.
  2. Persönliche Erfahrungen: Die bedrückenden Ereignisse in seiner Kindheit, wie der Diebstahl des Silberlöffels und die daraus resultierenden Strafen seines Vaters, könnten zu einem Gefühl der Unsicherheit oder Ablehnung geführt haben, das sich möglicherweise auf bestimmte Gruppen, einschließlich Juden, übertragen hat.
  3. Traumatische Erlebnisse: Der tragische Tod seines kleinen Bruders, der 1893 von einem 15-Jährigen erschossen wurde, könnte ebenfalls eine Rolle spielen. Traumatische Erfahrungen können bei manchen Menschen zu Vorurteilen führen, insbesondere wenn sie nach einem Schuldigen suchen oder negative Emotionen rationalisieren wollen.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Zusammenhang zwischen Kindheitserfahrungen und antisemitischen Ansichten komplex ist und von vielen Faktoren beeinflusst wird. Eine genaue Analyse erfordert eine tiefgehende Untersuchung der individuellen Lebensgeschichte und der verschiedenen Einflussfaktoren, die zu bestimmten Überzeugungen führen können.

Quellen / Weiterführende Informationen

(1) NDR: Waldemar Bonsels: Die braune Seite des „Biene Maja“-Schöpfers

(2) Freude an der Kraft. In: taz.de. 19. Februar 2005

(3) Waldemar Bonsels, NSDAP. und Judentum, hier zit. nach: Siegener Zeitung, 23. Mai 1933.

(4) Bonsels: Der Jude Heine habe „die ganze Ideenwelt der Romantik [= „höchste und reinste deutschen Geistigkeit und Selbstbesinnung“] und ihrer Dichtung in die Abwässer einer sensationslüsternen Intellektualität gezogen“, siehe: Herbert Uerlings, Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis, Stuttgart 1991, S. 540.

(5) Henriette „Henny“ von Schirach (geborene Hoffmann, * 3. Februar 1913 in München-Schwabing; † 27. Januar 1992 ebenda) war eine deutsche Schriftstellerin und Ehefrau von Baldur von Schirach, dem ehemaligen Reichsjugendführer und Gauleiter in Wien. Sie teilte die nationalsozialistische Einstellung ihres Mannes.

Ferdinand von Schirach (Geb. 1964), der bekannte Jurist und Autor, ist der Neffe von Henriette „Henny“ von Schirach

Deutschlandfunk: „Das Weltbild von Biene Majas Vater„

Beitragsbild: Waldemar Bonsels (1923)

Autor: Willi Schewski

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