6. August 1845: „Wanke nicht, mein Vaterland!“ – Das Schleswig-Holstein-Lied wird zur Kampfeshymne

Vor genau 178 Jahren, am 6. August 1845, verwandelte sich das regionale Heimatlied „Wanke nicht, mein Vaterland!“ in eine nationale Kampfeshymne und legte damit den Grundstein für die bewegte Geschichte des Schleswig-Holstein-Liedes und die symbolische Bedeutung des Bindestrichs. Hier erfahren Sie die faszinierende Geschichte dieses Liedes und die Bedeutung des Bindestrichs, die die enge Verbindung der beiden Herzogtümer betont.

Das siebenstrophige Schleswig-Holstein-Lied (1) ist „unser“ regionales Heimatlied und voller Historie. Es entstand ca. 1845 als unser heutiges Schleswig-Holstein (mit Bindestrich) noch ohne Bindestrich bestand und sich aus den Herzogtümern Schleswig und Holstein zusammensetze. Beide Herzogtümer waren de facto seit 1773 Teile des dänischen Königreichs. Zu wachsenden Widerstand der deutschsprachigen Bevölkerung kam es 1845:

1845 – als sich die Gemüter der Schleswiger, Holsteiner, Dänen und Preußen erhitzten

die dänische Regierung versuchte die deutsche Sprache und Kultur in der Region zu unterdrücken. Zur Eskalation kam es als das Schleswig-Holstein-Lied am 24. Juni 1844 auf dem Schleswiger Sängerfest uraufgeführt wurde. Ein Jahr später, am 6. August 1845, sollte es sich zu einer nationalen Kampfeshymne entwickeln.

Wie angedeutet, entstand das Lied während der Wirren des Jahres 1845, die auch als „die Schleswig-Holstein-Frage“ genannt wird. Und diese Frage beinhaltete, ob unser Land weiter in zwei Herzogtümern Schleswig und Holstein und weiter zu Dänemark gehören und verharren sollte. Oder ob es deutsch-vereint Schleswig-Holstein heißen sollte.

Im Juli 1844 erhitzen sich die Gemüter der Schleswiger und der Holsteiner. Christian VIII. ist König von Dänemark und als Herzog von Schleswig sowie Graf von Holstein auch Landesherr der beiden Elbherzogtümer. In Schleswig ist die Bevölkerung im nördlichen Teil dänischsprachig und im südlichen Teil deutschsprachig. Holstein ist seit 1815 Mitglied im Deutschen Bund.

Südlich der beiden Herzogtümer rollt eine national gesinnte Welle durch die deutschen Landstriche. Die Menschen in Schleswig-Holstein fühlen sich hin- und hergerissen. Sollen sie sich Dänemark oder Deutschland anschließen?

Die Frage wird in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder aufgeworfen werden. Sie wird zu einem der Hauptkonflikte im Deutschen Bund werden und schließlich zum Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 führen.

Die Geburt des Schleswig-Holstein-Liedes auf dem Schleswiger Sängerfest 1844: Eine Melodie trifft auf einen „kräftigen Protest“

Titelblatt des Schleswig-Holstein- Liedes (1845) 

Das Sängerfest am Montag, 24. Juni 1844 sollte die Geburt des Schleswig-Holstein-Liedes sein. Das Sängerfest in Schleswig war Teil einer Reihe von Sängerfesten, die im 19. Jahrhundert in ganz Deutschland stattfanden.

Das wenige Tage später am Montag, 5. August 1844 durchgeführte Würzburger Sängerfest sollte ebenso eine wichtige Rolle für das Lied und unserer späteres Bundesland SchleswigHolstein (mit Bindestrich) spielen – wie hier im Blog beschrieben. Sängerfeste hatten eine wichtige gesellschaftliche und politische Bedeutung, da sie dazu beitrugen, ein Gefühl der nationalen Einheit und Identität zu schaffen.

Die die Geschichte des Schleswig-Holstein-Liedes beginnt einen Monat vor dem Sängerfest, im Juni 1845. Der Organist am adeligen St. Johanniskloster zu Schleswig, Bellmann, hielt ein Gedicht mit dem Titel „Schleswig, Holstein, schöne Lande“ in seinen Händen. Es wurde ihm am 22. Juni aus Berlin zugeschickt, verfasst vom preußischen Kreis-Justizrath Dr. Karl Friedrich Straß – ein wahres Heimatgedicht. Vier Strophen beschrieben die Schönheit der beiden Herzogtümer.

Carl Gottlieb Bellmann, ein gebürtiger Schlesier, wurde sofort von der Idee ergriffen und komponierte eine hymnische Musik dazu. Sein Ziel war es, im Volkston zu schreiben und das Lied möglichst leicht zugänglich zu gestalten. Dabei half ihm eine kleine Inspiration aus der „Marseillaise“.

Er hoffte, dass der „schöne“ Text vielleicht sogar bei Tisch, wenn Zeit und Augenblick es erlaubten, gesungen werden würde. Doch es kam anders, denn die Zeit für den Gesang sollte sich mit einem anderen Text finden. Der Schleswiger Advokat Matthäus Friedrich Chemnitz, selbst ein gebürtiger Holsteiner, erhob „kräftigen Protest“ in sieben Strophen gegen Bellmanns Komposition.

Während der Preuße Straß in seinem Text „Schleswig, Komma, Holstein“ politisch korrekt auseinandersetzte, entschied sich Chemnitz dazu, die beiden Herzogtümer mit einem Bindestrich fest miteinander zu verbinden. So entstand der bedeutsame Bindestrich im Schleswig-Holstein-Lied, der die enge Verbindung der beiden Landesteile betonte und das Lied zu einer Hymne für die Region werden ließ. Ein Jahr später, am 6. August 1845 wurde das Lied „Wanke nicht, mein Vaterland!“ erstmals veröffentlicht.

Erstes gesamtdeutsches Sängerfest in Würzburg: Der Bindestrich wird zur nationalen Kampfsache

Druck des Schleswig-Holstein-Liedes (ca. 1848) 

Vom 4. bis 6. August 1845 fand in Würzburg mit Unterstützung des bayerischen Königs das erste gesamtdeutsche Sängerfest statt. Die bayerischen Gastgeber empfingen die Sänger aus dem Norden als Brüder und verkündeten, dass sie gemeinsam gegen alle Feinde und jede fremde Einmischung kämpfen würden. Dieses Fest war ein wichtiger Moment in der deutschen Geschichte und trug dazu bei, das Gefühl der nationalen Einheit zu stärken.

Der Abgesandte aus dem hohen Norden, der Advokat Bremer aus Flensburg rief den Festgästen zu, man werde für „Deutschlands Einheit (…) auch gerne in den Tod gehen! (Donnernder Applaus)“ vermerkt die Mitschrift.

Dem Auftritt der 30 Mitglieder des Sängerchores aus dem Norden folgt am 06. August 1845 ein Begeisterungssturm. Die „Neue Würzburger Zeitung“ notiert auf ihrer Titelseite: „Als die Schleswiger ihr : … vollendet hatten, donnerten die Kanonen, erhob sich ein ungeheuerer Beifallssturm, die Hüte wurden geschwenkt, und man sah es deutlich, aus Aller Herzen sprach die Sympathie für die theuern Brüder im Norden.“ In der Ausgabe vom 09. August wird der Liedtext auf der Titelseite abgedruckt.

„Wanke nicht, mein Vaterland !“ Die Liedertafel aus Bad Kissingen verteilt eigens hergestellte Drucke mit dem „Lied der deutschen Brüder aus Schleswig=Holstein“ an alle Männergesangvereine.

Die Sänger aus dem Norden stehen im Mittelpunkt des Ersten Deutschen Sängerfestes. Der Bindestrich ist zur nationalen Kampfsache geworden.

Die politische Bedeutung des Schleswig-Holstein-Liedes im 19. Jahrhundert

In den folgenden Jahrzehnten fand das Lied immer wieder während regionaler Unruhen Verwendung, um für die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit Schleswig-Holsteins einzutreten. Besonders während des Deutsch-Dänischen Krieges von 1864 wurde es von den Schleswig-Holsteinern als Ausdruck ihres Widerstandes gegen die dänische Herrschaft genutzt.

Nachdem Schleswig-Holstein schließlich 1866 an Preußen fiel und Teil des Deutschen Reiches wurde, blieb das Lied ein Symbol der regionalen Identität und wurde weiterhin gerne bei Festen und Veranstaltungen gesungen. Es blieb jedoch auch politisch umstritten, da einige dänische Minderheiten in der Region das Lied als nationalchauvinistisch ansahen.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts fand das Schleswig-Holstein-Lied offiziell als Landeshymne des Landes Schleswig-Holstein Anerkennung und ist bis heute ein bedeutendes kulturelles Symbol in der Region. Es wird bei offiziellen Anlässen und Festlichkeiten gespielt und hat seinen Platz in der Tradition und Geschichte von Schleswig-Holstein behalten.

(1) Die bekanntestes der sieben Strophen des Schleswig-Holstein-Lied ist die erste. Sie wird traditionell um Mitternacht vom Radiosender Radio Schleswig-Holstein (R.SH) gespielt:

Wanke nicht, mein Vaterland

Schleswig-Holstein, meerumschlungen,
deutscher Sitte hohe Wacht!
Wahre treu, was schwer errungen,
bis ein schön’rer Morgen tagt!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
wanke nicht, mein Vaterland!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
wanke nicht, mein Vaterland!

Parodie des Schleswig-Holstein-Liedes durch Friedrich Engels

Die Diktion parodierte Friedrich Engels in einem Brief an Karl Marx schon 1846 „Hast du schon gehört, in Schleswig-Holstein haben sie ein bescheuertes Lied erfunden.“ Das sei so schlecht, dass es nur wert sei, von blöden Dithmarschern gesungen zu werden. Er umformulierte das Lied so:

„Schleswig-Holstein, meerumschlungen, Schleswig-Holstein, stammverwandt.
Schleswig-Holstein, deutscher Zungen, – Schleswig-Holstein, deutscher Strand!
Schleswig-Holstein, brunstdurchdrungen, Schleswig-Holstein, glutentbrannt,
Schleswig-Holstein, ernst gerungen, Schleswig-Holstein, halte Stand!
Schleswig-Holstein, frisch gesungen : „Schleswig-Holstein! Dän’scher Tand!“
Schleswig-Holstein, bis erklungen: „Schleswig-Holstein“, all durchs Land!
Schleswig-Holstein, starke Lungen, – Schleswig-Holstein, schwache Hand,
Schleswig-Holstein, dumme Jungen, – Schleswig-Holstein, Affenschand.

Schleswig-Holstein, stammverwandt, bleibe treu mein Vaterland …“

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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