3. April 1933: Der Politiker Herbert Ernst Karl Frahm (später Willy Brandt) flieht nach Norwegen

Willy Brandt, dessen eigentlicher Name Herbert Ernst Karl Frahm lautete, war ein deutscher Politiker (SPD) und Staatsmann, der von 1969 bis 1974 als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland amtierte. Er spielte eine bedeutende Rolle bei der Gestaltung des Nachkriegsdeutschlands und war für seine Bemühungen bekannt, die Beziehungen zur Sowjetunion und den Ländern des Ostblocks zu verbessern. Am 3. April 1933 floh Brandt, der jüdischer Abstammung war, vor der Verfolgung durch die Nazis nach Norwegen. Diese gestaltete sich hoch gefährlich und abenteuerlich.

Sie bedurfte eine Vorbereitung. In Lübeck-Travemünde, in der Jahrmarktstraße 4, Im Hause von Johannes Johannsen, wird die Fahrt von Frahm alias Brandt nach Lolleland / DK beschlossen. Der damals noch 19jährige geht abends in Travemünde an Bord eines Fischkutters. An Bord erwartet ihn der Travemünder Fischer Paul Stooß.

In dem Buch von  Martin Wein „Willy Brandt. Das Werden eines Staatsmannes“ (Berlin 2003) heißt es:

Zwei ins Vertrauen gezogene Genossen, Emil Peters und Herrmann, stellten Kontakte zum Travemünder Fischer und Sozialdemokraten Johannes Johannsen her. Mit dessen Motorkutter TRA 10 fuhr, kaum kontrolliert, der 36jährige Stiefsohn Paul Stooß, ebenfalls ein Linker, jede Nacht zum Fang auf die Ostsee hinaus Richtung Dänemark …

Bootseigner Johannsen informiert Stiefsohn Stooß, dass er bei Nacht ‚einen von Lübeck, hinter dem sie her sind‘, nach Dänemark bringen soll: ‚Lass niemand in die Kajüte sehen. Mehr brauchst du nicht zu wissen.`“ [Quelle]

Brand führt lediglich eine Aktentasche bei sich, in der finden sich Unterwäsche, Rasierzeug, Hemden und der erste Band des „Kapitals“ von Karl Marx. Außerdem hat ihm sein Großvater noch 100 Mark zugesteckt. 

Der sozialdemokratische Fischer verbirgt ihn unter Tauwerk und leeren Kisten, sodass der Zollbeamte ihn bei seiner nächtlichen Kontrolle nicht entdeckt. Die Überfahrt wird stürmisch. Wellen, Regen und Kälte setzen dem 19-jährigen Brandt zu. Gegen halb sechs Uhr morgens geht er in Rödbyhavn an Land, stärkt sich mit Kaffee und Aquavit. (Quelle)

Ausflugstipp: An der Häuserwand in in der Jahrmarktstraße 4, in Lübeck-Travemünde erinnert heute eine Informationstafel an Willy Brandts Flucht nach Dänemark und seinen Fluchthelfer, den Fischer Paul Stooß. 

Parteiarbeit in Oslo

Über Kopenhagen reist Brandt weiter nach Oslo, wo er bald einen Parteistützpunkt aufbaut, der die Genossen in Deutschland mit Informationen und Material versorgt. Im August 1940 wird ihm von der Botschaft in Stockholm die norwegische Staatsbürgerschaft bestätigt. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges blieb er, mit diversen Ausnahmen (die hier jetzt nicht beschrieben werden), in Stockholm.

Rückkehr nach Deutschland

Nach dem Krieg kehrte Brandt nach Deutschland zurück und wurde aktiv in der Sozialdemokratischen Partei (SPD). Er stieg in den Rängen auf und wurde schließlich 1957 zum Bürgermeister von West-Berlin gewählt. Seine Amtszeit als Bürgermeister während des Baus der Berliner Mauer brachte ihm internationale Anerkennung ein.

1969 wurde Willy Brandt zum Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt und führte eine Koalitionsregierung an. Als Kanzler setzte er innenpolitische Reformen um und verfolgte eine Politik der Ostpolitik, die darauf abzielte, die Beziehungen zu Ostdeutschland und der Sowjetunion zu verbessern. Brandts Bemühungen, Spannungen zwischen Ost- und Westdeutschland abzubauen, trugen zur späteren Wiedervereinigung des Landes im Jahr 1990 bei.

Obwohl Brandts Leben vom Exil und seinem Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime geprägt war, ist es wichtig zu beachten, dass er nicht im herkömmlichen Sinne emigrierte. Vielmehr suchte er während des Krieges in Norwegen Zuflucht und kehrte später nach Deutschland zurück, um eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung seiner Nachkriegsgeschichte zu spielen.

Außerdem zum Thema im Blog:

Ausstellung im Kieler Landtag: „Willy Brandt – Freiheitskämpfer, Friedenskanzler, Brückenbauer“ (hier klicken)

Beitragsbild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F057884-0009 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5356484

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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