13. April 1956: Emil Nolde stirbt mit 88 Jahren

„Mit 18 Jahren hatte ich in Flensburg den ersten Juden gesehen […] Juden haben viel Intelligenz und Geistigkeit, doch wenig Seele und wenig Schöpfergabe.“ Emil Nolde (* 7. August 1867; † 13. April 1956) zitiert nach Prof. Uwe Danker

Er wurde oft als großer Einzelgänger des Expressionismus genannt, als einer der großen Aquarellisten in der Kunst des 20. Jahrhunderts und bekannt für seine ausdrucksstarke Farbwahl: Emil Nolde (* 7. August 1867; † 13. April 1956). Obwohl als „entarteter Künstler“ verfemt, galt er als Rassist, Antisemit und überzeugter Anhänger des Nationalsozialismus.

Am 13. April 1956 starb dieser. Neuneinhalb Jahre nach seiner Frau Ada im Alter von 88 Jahren in Seebüll (Nordfriesland), mit Blick auf den Garten, in dem er seine letzte Ruhe fand. 

1927 hatte er mit dem Bau des von ihm entworfenen Atelierhauses auf einer Warft begonnen, die er ein Jahr zuvor erworben hatte. “Denken kann ich nur noch langsam”, klagte er wenige Monate vor seinem Tod, doch malte er bis in seine letzten Tage, Aquarelle, seit er nach einem Armbruch keine Ölbilder mehr malen konnte.

Ein gemeinsames Testament verfügte die Gründung der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde. Der Garten und große Teile seiner Bepflanzung zeigen sich den Besuchern noch heute wie zu Lebzeiten von Ada und Emil Nolde.

Noldes Rassismus, Antisemitismus und Nazi-Überzeugung

Nolde war früh der Überzeugung, die „germanische Kunst“ sei allen anderen weit überlegen. Im August 1934 bezeugte er mit seiner Unterschrift unter den Aufruf der Kulturschaffenden, dass er zu des Führers Gefolgschaft gehöre. Er wurde 1934 Mitglied einer der verschiedenen nationalsozialistischen Parteien in Nordschleswig, der Nationalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft Nordschleswig (NSAN).

Nolde war auch antisemitisch eingestellt, wie aus vielen Dokumenten hervorgeht – so aus den ersten beiden Teilbänden seiner Autobiografie, Das eigene Leben (1930) und Jahre der Kämpfe (1934), welche die Jahre von 1867 bis 1914 umfassen. In den Originalausgaben der beiden Bände lassen sich viele nationalistische, rassistische und antisemitische Äußerungen Noldes finden. (Quelle)

Nolde sorgte dafür, dass die stark antisemitischen Passagen seiner Autobiografie in den Auflagen nach 1945 gestrichen wurden; alle vier Bände der Memoiren erschienen in dieser abgeänderten Form bis einschließlich 2008.

Er polemisierte gegen den jüdischen Kunsthändler Paul Cassirer und den Maler Max Liebermann. Im Mai 1933 denunzierte Nolde den Maler Max Pechstein allein wegen dessen Namens bei einem Beamten des Propagandaministeriums als vermeintlichen „Juden“.

Obwohl Nolde von Max Pechstein darauf aufmerksam gemacht wurde, dass diese Behauptung unzutreffend sei und der Familie von Pechstein gefährlich werden könne, verweigerte Emil Nolde eine Richtigstellung. (Quelle)

Im Sommer 1933 arbeitete Nolde ein von ihm als „Entjudungsplan“ bezeichnetes Dokument aus, das die Aussiedlung aller „Juden“ aus dem Deutschen Reich betraf.

Bereits 1911 hatte er an einen seiner Förderer geschrieben, dass sich „Malerjuden“, wie er seine jüdischen Malerkollegen nannte, über das ganze Land ausgebreitet hätten; oder wie er es ausdrückte: „ganz wie die Hausschwammwucherung hier unter dem rotgestrichenen Boden unserer kleinen trauten Stube“

Der Flensburger Historiker Prof. Uwe Danker berichtet in dem Jahrbuch Demokratische Geschichte. Band 22″ wie folgt:

„‚Eine hiesige junge Dame interessiert sich sehr für Ihre Kunst‘ erzählte Frau Rauert. Es war Fräulein Dr. Schapiere [sic], und als wir nach Alsen kamen, wurden uns ihre frisch geschriebenen Artikel zugesandt. Auch kamen Briefe geflogen. – Die schnell auflodernde Freundschaft zwischen ihr und uns brach bald wieder in sich zusammen. Nur Asche blieb. Vom Wind verweht.

In der Kunst war es meine erste bewußte Begegnung mit einem Menschen, anderer Art als ich es war.

Mit 18 Jahren hatte ich in Flensburg den ersten Juden gesehen […] Juden haben viel Intelligenz und Geistigkeit, doch wenig Seele und wenig Schöpfergabe. Ein junger forscher Jude, als ich nach Berlin gekommen war, sagte mir dass: ‚Jedes junge Mädchen, mit dem ich zum dritten Mal allein zusammen bin, muß fallen.‘ – […] Mir waren wund alle zarten edlen Innigkeiten. Juden sind andere Menschen, als wir es sind. […]“

„Vorkämpfer des Deutschtums“ oder „Entarteter Künstler“ – Nachdenken über Emil Nolde in der NS-Zeit(= Jahrbuch Demokratische Geschichte. Band 22). Band 14., 2001, S. 151 (die antisemitischen Sätze nach dem fünften Satz sind in den nach 1945 erschienenen Auflagen der Erinnerungen weggelassen).

Dieses nur ein kleiner Auszug aus den Äußerungen eines, wenn auch, begabten Malers. Nach Noldes Tod 1956 wurde Seebüll gemäß seinem Wunsch Teil einer Stiftung und steht seitdem Besuchern als Museum offen.

Nolde in der Literatur und im Film

Das Leben Emil Noldes in der Zeit des „Malverbots“ ab 1941 spiegelt sich in dem Roman Deutschstunde von Siegfried Lenz (1968) wider (hier ausführliche Information im Blog). Der Roman wurde  1971 für das Fernsehen und 2019 fürs Kino verfilmt.

Das Buch steht unter Kritik: Viele Leser transferierten Nansen in Nolde und lasen den Roman als Nolde-Biografie – von Lenz unbeabsichtigt. So verstärkte sich Noldes Opfer-Mythos, der von der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde gepflegt wurde und einen besonderen Platz im kulturellen Gedächtnis der Bundesrepublik Deutschland erhielt.

Das Filmporträt „Träume am Meer – Der Maler Emil Nolde“ unter der Regie von Wilfried Hauke wurde 2006 gedreht. In dem Buch „Nolde und ich. Ein Südseetraum“ erzählte Hans Christoph Buch 2013 Noldes Reise in die Südsee.

Warum das Nolde-Museum besuchen, warum das Werk eines Nazi-Künstlers anschauen?

Nachdem sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Nolde sowohl bedeutender Maler als auch bekennender Rassist und Nationalsozialist war, wird sein Werk nach aktuellem Forschungsstand zukünftig in diesem Kontext präsentiert. „Emil Noldes berühmte Blumenbilder könnten nicht von seiner Blut-und-Boden-Ideologie getrennt werden„, sagte der Düsseldorfer Museumsdirektor Felix Krämer im Dlf. (Quelle)

Der enge Lenz-Freund und ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte schon den Bonner Kanzlerbungalow mit Nolde dekoriert. Und auch seine Nach-Nachfolgerin, Merkel  hatte zwei Nolde-Gemälde als Leihgaben der Berliner Nationalgalerie in ihrem Amtszimmer hängen. Diese gab sie wieder zurück, mit einer fragwürdigen Begründung:

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte die Bundeskanzlerin gebeten, das Gemälde ‚Brecher‘ von Emil Nolde an die Stiftung als Eigentümerin des Kunstwerks zurückzugeben. Dieser Bitte kommt die Bundeskanzlerin selbstverständlich gerne nach. Neben diesem wird sie auch das zweite in ihrem Arbeitszimmer befindliche Gemälde von Emil Nolde dauerhaft an die Stiftung zurückgeben.“ (Quelle)

Wie komme ich zum Museum?

Mit PKW: Ab Niebüll und Süderlügum ausgeschildert, Parkplätze am Museum. Adresse: Seebüll 31, 25927 Neukirchen. Web: https://www.nolde-stiftung.de Für die Anreise, hier ausführliche Info.

Quelle / Weiterführende Informationen

Beitragsbild: Emil Nolde, Porträtfoto von Minya Diez-Dührkoop, 1929. Fotoquelle: Minya Diez-Dührkoop (* 21. Juni 1873; † 17. November 1929), deutsche Fotografin – Menschen der Zeit – Hundert und ein Lichtbildnis wesentlicher Männer und Frauen aus deutscher Gegenwart und jüngster Vergangenheit. Karl Robert Langewiesche Verlag, 1930 (Bild Nr. 98)

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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