25. Oktober 1854: Bahnstrecke Flensburg–Husum–Tönning eröffnet

„Die Eisenbahn ist die Lösung dieser Zeit. Es gibt kaum eine Erfindung, die eine so bedeutende Rolle für den Verkehr, Wohlstand und dem Glück der Bevölkerung spielen wird“ Christian Hansen jun., Flensburg, 1837

Der 25. Oktober 1854 ist historisch: Der Dänische König Frederik VII. eröffnet offiziell die Bahnstrecke Flensburg–Husum–Tönning, sie wird auch „Frederik-VII.-Südschleswigsche Eisenbahn“ genannt. Die Bahnstrecke war die erste Eisenbahnstrecke im Herzogtum Schleswig.

In der Flensburger Zeitung wird berichtet: „Die erste Schleswigsche Eisenbahn wurde heute von dem erhabenen Monarchen, dessen Namen sie trägt, feierlich eröffnet. Der Königszug ging bald nach 9 Uhr vom Bahnhof ab. Es hatten sich mehrere Volksmassen auf den Anhöhen vor der Stadt versammelt.

Von einer Anhöhe wurde der Zug mit Kanonendonner begrüßt. […] Am Abend erreichte der Zug wieder den Bahnhof in Flensburg und um 7 Uhr wurde das im Theater versammelte Publikum von der allerhöchsten Gegenwart seiner Majestät beglükkt. […]“ (Quelle: Husumer Stadtgeschichte pdf)

Die Bahntrasse der „Frederik VII. Südschleswigschen Eisenbahn“ führte in Flensburg streckenweise sehr eng an den Häusern vorbei. Aufnahme um 1864 Quelle: Husumer Stadtgeschichte

Königlicher Salonwagen als pompöses Geschenk

Díe englische Baufirma Peto, Brassey und Batts hatte die Konzession für den Bau und Betrieb der Eisenbahnlinie bei der dänischen Krone erworben. Und so hatte sich Samuel Morton Peto nicht nehmen lassen, dem dänischen König Frederik VII am Einweihungstag, den 06. Oktober 1854 einen Königlichen Salonwagen als Geburtstagsgeschenk zu übergeben. 

Dieser Wagen war nach damaligen Maßstäben wahrhaft luxuriös ausgestattet. Er war so groß wie die üblichen Personenwagen mit fünf Coupes, aber nur dreifach unterteilt. An einem Ende befand sich ein Raucherabteil, in der Mitte der Salon und an anderem Ende etwas so unerhörtes wie eine Toilette mit allem Zubehör.

In dieser war auch der berühmte Nachttopf zu finden, auf dessen Boden – sehr geschmackvoll – die Engländer das Portrait des Prinzen von Noer, des Führers der Erhebung von 1848 gemalt hatten. 

Der Wagen war mit großen Spiegelglasfenstern versehen, die Decke mit weißer Seide bekleidet und die Polstermöbel hatten hellblaue Seidenbezüge. Das Holzwerk war reich vergoldet, die Tischplatten von feinstem poliertem Edelholz und die Fenster hatten seidene Rollgardinen. 

Bild: Der Schleswiger Königswagen stammt von 1854 und ist der älteste erhaltene Salonwagen in Dänemark. Er steht heute im Dänischen Eisenbahnmuseum in Odense. Fotoquelle Wikipedia, Autor Author Leif Jørgensen

Die Wageninnenseiten waren braun lackiert und beiderseits der Fenster und Türen zogen sich grün aufgemalte Blattdekors nach oben, die sich unter dem Dach zu Girlanden sammelten. Fenster und Leisten waren reichlich vergoldet. 

Die Pflanzenstreifen stützten sich auf schöne Kariatiden, geschnitzte nackte Frauenbüsten, die von französischen Künstlern mit abwechselnd blonder und dunkler Haarpracht versehen wurden. An den Dachseiten prange je eine große, vergoldete Königskrone, links und rechts flankiert von dänischen Flaggen. 

Der Salonwagen rollte häufig die Strecke von Flensburg über Ohrstedt und Ellingstedt bis Klosterkrug, wenn Mitglieder des dänischen Königshauses den auf Luisenlund residierenden Herzog Carl von Glücksburg und seine Gemahlin, die dänische Prinzessin Wilhelmine (daher die Wilhelminenschule in Schleswig) besuchten. 

Nach dem Krieg der Preußen und Österreicher gegen die Dänen erklärten die Preußen den Salonwagen zur Kriegsbeute. Es wurde jedoch bald als königliches Privateigentum zurückgegeben. Die züchtige Königin Louise, Gemahlin Christians IX ließ die barbusigen blond- und dunkelhaarigen Damen übermalen Quelle . Der Schleswiger Königswagen steht heute im Dänischen Eisenbahnmuseum in Odense (Link).

Probelauf am 1. April 1854 und die Bescheidenheit für Otto-Normal-Reisende

Der preußische (später „englische“) Bahnhof in der Flensburger Altstadt, um 1900. Heute liegt dort der Flensburger ZOB, dieser entstand 1931 als der erster Busbahnhof Deutschlands.

Am 1. April 1854 wurde die Strecke von Tönning bis zum damals wichtigen Bahnhof am Ochsenweg Holzkrug bei Flensburg (heute ist dort Bahnhof Flensburg-Weiche) provisorisch in Betrieb genommen; nach Fertigstellung eines Provisoriums des „Englischen“ Bahnhofs samt Hafenbahn in Flensburg folgte am 4. Oktober 1854 der offizielle Betrieb. Die Flensburger Zeitung schrieb:

„Wie öffentlich angezeigt war, ging heute Morgen um 8 Uhr der erste regelmäßige Eisenbahnzug von hier nach Tönning. Der selbe bestand aus 4 Personen- und einigen Transportwagen. […] So lange keine regelmäßigen Dampfschiffrouten von Tönning über die Nord- see und von Flensburg nach den Häfen der Ostsee etabliert sind, dürfte der Personenverkehr auf der jetzt eröffneten Flensburg-Tönning Bahn ziemlich beschränkt bleiben.“.

Husumer Stadtgeschichte (pdf)

Die Eisenbahn war, für heutige Vorstellungen und Erwartungen, extrem bescheidenen ausgestattet:

„Die Stationen waren klein und mit Einfahrsignalen auf hohen Masten ausgestattet, die 900 Ellen [1 dän. Elle = 62,8 cm] vor der äußersten Weiche standen.

Die Personenwagen hatten weder Licht noch Heizung. Die Südschleswigsche Eisenbahn hatte vollständig die englischen Betriebsbedingungen übernommen. Alle Formulare, Fahrkarten und Drucksachen waren in englischer Sprache.“

Quelle. Hartwig Rambusch, einer der Eisenbahner der ersten Stunde (hier: Husumer Stadtgeschichte pdf)

Entstehung

Bereits 1837 lag der Plan zum Bau einer Bahnlinie von Flensburg über Tönning nach Husum vor. Wie schon im Mittelalter sollte Husum erneut als „Westhafen“ genutzt werden.

Ziel war es, Flensburgs Atlantik-Handel (Rum) und den nach England zu stärken. Das Rennen im Englandhandel machte jedoch Tönning und nicht Husum.

Seit Ende der 1840er Jahre wurden von dort im großen Stil Ochsen exportiert. Bis die Maul- und Klauenseuche im Deutschen Reich 1888 zu einem Importstopp durch Großbritannien führte, wurden rund eine Million Stück lebendes Hornvieh verschifft.

Auf dem Rückweg kam englische Kohle über Tönning auf die Eisenbahn. Bis 1864 war Tönning damit einer der wichtigsten Häfen im dänischen Gesamtstaat.

Vor der Annexion durch die Preußen 1867 wurden Nord-Süd-Strecken als nicht so wichtig angesehen. Trotzdem war parallel zur Strecke Flensburg-Husum eine Linie von Oster-Ohrstedt über Klosterkrug nach Rendsburg gebaut worden,

die am selben Tag den Betrieb aufnahm zusammen mit der Strecke nach Husum und zu Ehren des damaligen Herrschers „Frederik-VII.-Südschleswigsche Eisenbahn“ getauft wurde.

Streckenveränderungen

Während der größte Teil der Strecke heute in Betrieb ist, sind Teilstrecken verschwunden, teilweise schon bei der Umgestaltung des schleswig-holsteinischen Bahnnetzes nach der Eroberung des Landes durch den Deutschen Bund 1864 und der Annexion durch das Königreich Preußen 1866.

Am 29. Dezember 1869 wurde ein Teilstück zwischen Eggebek und Oster-Ohrstedt zugunsten der neuen direkten Nordsüdverbindung Eggebek–Jübek aufgegeben.

Die Strecke nach Tönning wurde ab 1902 mit dem östlich von Platenhörn liegenden neu gebauten Abzweig Hörn an die 1887 gebaute Marschbahn angebunden, wodurch die westliche Strecke durch die Südermarsch zwischen Husum und Platenhörn ihre Aufgabe verlor.

Mit der Eröffnung des Abzweiges Hörn am 1. Februar 1905 wurde die alte Strecke stillgelegt und bis 1910 abgebaut.

Es gab übrigens einen Bahnhof „Büttel“, der sich am B5-Abzweig nach Friedrichstadt befand. Anfang der 1960er Jahre wurde der Bahnhof aufgegeben. Der Bahnsteig ist teilweise noch erhalten, wie auch in Platenhörn. Mehr, siehe hier.

Flensburg: Vom Kopfbahnhof zu Deutschlands erstem Busbahnhof

1928 ersetzte der heutige Bahnhof Flensburg den alten Kopfbahnhof am Ende der Förde, der zu Deutschlands erstem Busbahnhof (Einweihung: 31.12.1931) wurde.

Die verbliebenen Abschnitte der Strecke Flensburg–Husum–Tönning sind heute Teile dreier Bahnstrecken:

Abschnitt Flensburg–Eggebek: Teil der Bahnstrecke Flensburg–Neumünster,

Abschnitt Sollbrück–Husum: Teil der Bahnstrecke Jübek–Husum

Abschnitt Platenhörn–Tönning: Teil der Bahnstrecke Husum–Bad St. Peter-Ording

Quellen / Weiterführende Informationen

Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte

Eggebek–Ohrstedt. In: railwayhistory.org. Archiviert vom Original am 24. März 2015;

Hanswerner Röhr: Husums Anschluss an die große weite Welt. In: Husum-Berichte. S. 3;

Husum–Platenhörn Abzw. In: railwayhistory.org. Archiviert vom Original am 2. April 2015.

Grafik: Ausschnitt Daenische Bahnen in Schleswigholstein aus der Bahnkarte_Deutschland_1861

Autor: Willi Schewski

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