24. März 1933: Ermächtigungsgesetz tritt in Kraft

Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 übertrug der Deutsche Reichstag die gesetzgebende Gewalt de facto vollständig auf die neue Reichsregierung unter Adolf Hitler und hob damit die für eine demokratische Staatsordnung konstituierende Gewaltenteilung auf

Heute, vor 90 Jahren, setzte ein weiteres schwarzes deutsches Kapitel einen unschönen Punkt in die die Geschichtsbücher: Mit seiner Verkündung tritt das am Vortag beschlossene „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich, das sogenannte Ermächtigungsgesetz, in Kraft. Damit können von der Reichsregierung beschlossene Reichsgesetze von der Reichsverfassung abweichen, womit diese im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung de facto außer Kraft gesetzt wird.

Zwei Tage nach dem von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels erfolgreich inszenierten „Tag von Potsdam“ stimmte der Reichstag am 23. März 1933 über das von Reichskanzler Adolf Hitler vorgelegte „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ ab.

An der Abstimmung nicht teilnehmen konnten die 81 Abgeordneten der KPD. Ihre Mandate waren auf Basis der Reichstagsbrandverordnung bereits am 8. März 1933 annulliert worden.

Die Abgeordneten der NSDAP und insgesamt sieben weiterer Parteien nahmen das Ermächtigungsgesetz mit 444 Stimmen („Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“) an. 

Lediglich die 94 Abgeordneten der SPD ließen sich nicht von den Drohgebärden der im Reichstag aufmarschierten Sturmabteilung (SA) einschüchtern und stimmten gegen die Selbstentmachtung des Parlaments.

Damit war die zentrale Voraussetzung für den systematischen Übergang von der Demokratie in die nationalsozialistische Diktatur geschaffen.

In seiner Reichstagsrede hatte ihr Parteivorsitzender Otto Wels zuvor ein eindrucksvolles Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie abgelegt. Wels sprach die letzten freien Worte im Deutschen Reichstag:

„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.

Nach den Verfolgungen, die die Sozialdemokratische Partei in der letzten Zeit erfahren hat, wird niemand von ihr billigerweise verlangen und erwarten können, daß sie für das hier eingebrachte Ermächtigungsgesetz stimmt. Die Wahlen vom 5. März haben den Regierungsparteien die Mehrheit gebracht und damit die Möglichkeit gegeben, streng nach Wortlaut und Sinn der Verfassung zu regieren.

Wo diese Möglichkeit besteht, besteht auch die Pflicht. Kritik ist heilsam und notwendig. Niemals noch, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht, und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll. Eine solche Allmacht der Regierung muß sich um so schwerer auswirken, als auch die Presse jeder Bewegungsfreiheit entbehrt.

[…] Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. […] Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen.

Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft.“

Nach diesen Worten begannen die nationalsozialistischen Abgeordneten zu randalieren. In ihrem Geschrei und höhnischen Gelächter ging der Applaus der Sozialdemokraten unter.

Hitler betrat erneut das Rednerpult. Hasserfüllt und immer wieder von stürmischem Beifall seiner Anhänger unterbrochen sprach er der Sozialdemokratie den Anspruch auf nationale Ehre und Recht ab und hielt Wels unter Anspielung auf dessen Worte die Verfolgungen vor, die die Nationalsozialisten in den 14 Jahren seit 1919 erlitten hätten.

Die Nationalsozialisten seien die wahren Fürsprecher der deutschen Arbeiter. Er wolle gar nicht, dass die SPD für das Gesetz stimme: „Deutschland soll frei werden, aber nicht durch Sie!“

Das Sitzungsprotokoll vermerkte langandauernde Heil-Rufe und Beifallskundgebungen bei den Nationalsozialisten und auf den Tribünen, Händeklatschen bei den Deutschnationalen sowie stets einsetzenden stürmischen Beifall und Heil-Rufe. Joseph Goebbels notierte dazu in seinem Tagebuch (24. März 1933):

„Man sah niemals, daß einer so zu Boden geworfen und erledigt wurde wie hier. Der Führer spricht ganz frei und ist groß in Form. Das Haus rauscht vor Beifall, Gelächter, Begeisterung und Applaus. Es wird ein Erfolg ohnegleichen.“

Beitragsbild (gemeinfrei): Text des Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, Seite 1 von insgs. 2 Seiten.

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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