Politik: Mehr und mehr Kulturdenkmale fallen Wirtschafts-Interessen zum Opfer

„Kulturdenkmäler fungieren uns als Zeugen unserer Geschichte und unseres Zusammenlebens. Und an manchen Orten müssen wir sie besonders vor den Interessen von gewinninteressierten Investoren schützen.“ Zitat Lars Harms, Politiker (SSW), Landtagsabgeordneter

Der SSW-Landtagsabgeordneter Lars Harms hat sich zum „Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der Denkmale sowie Kulturdenkmale schützen“ (Drs. 20/767 & 20/768) geäußert. Er sagte in Kiel im Landtag, dass man an Orten wie Sylt der Geschichte „nahezu beim Verschwinden zusehen“ könne. Hintergrund:  
Mehr als 370 Jahre stand der Alte Gasthof in List auf Sylt (i. B. o.), hat dort Familienfeste ermöglicht, Biikebrennen stattfinden lassen, schlicht die Gemeinde zusammengeführt. Kurz vor Silvester wurde er von einem Investor abgerissen. Und das sei kein Einzelfall.

Die Mitglieder der Gemeindevertretung hätten geschildert, dass der Abriss des Alten Gasthofs „einer der Tiefpunkte ihrer Arbeit“ gewesen sei. Parteiübergreifend seien die politischen Vertreterinnen und Vertreter sowie die Bürgerinnen und Bürger erschüttert. 

Auf Sylt stünden nur noch knapp 200 historische Friesenhäuser. Immer mehr von ihnen würden abgerissen werden. So eben auch der Alte Gasthof in List. 
Der Auftraggeber habe so für einen unwiederbringlichen Verlust im Ortsbild gesorgt. 

Der Abriss habe ohne Genehmigung stattgefunden. „Aber er hat stattgefunden. Was weg ist, ist weg.“, sagte Harms.

Rechtlich geklärt würde momentan, ob es sich damit um eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat handelt.  Harms weiter (ungekürzt):

Was aber jetzt schon feststeht ist, dass wir hier einfach ein massives Problem haben, wenn die Ordnungsgelder für den Abriss so niedrig sind, dass sie von den Investoren einfach mit eingeplant werden können. 


Denn wir sprechen hier leider nicht über einen Einzelfall, es ist einfach nicht unüblich, dass so vorgegangen wird. Ich möchte da auch noch einmal auf einen etwas anderen Fall, nämlich das Haupthaus der Graupenmühle in Husum verweisen. Ebenfalls ein wunderschönes reetgedecktes Haus, ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert. 


Übrigens die letzte der drei Mühlen die dem Stadtteil „Dreimühlen“ einst seinen Namen gegeben hat.Es sollte eigentlich Teil eines Hotelkomplexes werden und wurde dann 2019 kurz vor Weihnachten abgerissen. Später kam heraus, dass es hier leider einen Fehler beim Landesamt für Denkmalpflege gegeben hat.

Das Landesamt hatte den Denkmalwert des Objektes im Rahmen der Revision der Denkmalliste zwar festgestellt und intern entsprechend festgehalten, dann aber gegenüber dem Eigentümer eine Fehlaussage, nämlich „kein Denkmalwert“ getätigt. 
Die Interessengemeinschaft Baupflege erhielt auf Nachfrage folgende Antwort: 

es sei sinnvoller, „die ohnehin knappen Ressourcen der Denkmalpflege auf positive und gewichtige Objekte und Vorhaben zu richten, statt sie an aussichtslosen Fällen zu verbrauchen – 
auch wenn es bedauerliche Verluste sein können, wie in diesem Fall.“

Sie sehen, es ist dringend notwendig, dass hier eingegriffen wird. 
Der nordfriesische Kreistag hat die Landesregierung daher ganz konkret in Form einer Resolution dazu aufgefordert,

Regelungslücken im Bau- und Denkmalschutz zu schließen, um solche Fälle in Zukunft zu verhindern. Und wir als SSW haben daraufhin zwei Anträge eingebracht, die aus unserer Sicht dem Problem begegnen. 

Ich fange einmal mit unserem Antrag zum Denkmalschutz an. 
Wir wollen qua Gesetz die bestehenden Regelungslücken schließen und zwar indem zum einen  ein Vorabschutz vor Eintragung in die Denkmalliste entsprechend der Regelungen zu beweglichen Kulturdenkmalen geschaffen wird, über den die Eigentümerin oder der Eigentümer, die betroffene Kommune sowie die untere Denkmalschutzbehörde zu benachrichtigen sind. 

Das heißt, dass auch ein unbewegliches Kulturdenkmal, mit dessen Eintragung in die Denkmalliste der unbeweglichen Kulturdenkmale zu rechnen ist, vorläufig als in die Liste eingetragen im Sinne dieses Gesetzes gilt, wenn die Gefahr einer Verschlechterung droht.

Und zum anderen wollen wir dafür sorgen, dass auch Gebäude, die nicht den Schutz nach § 8 Denkmalschutzgesetz genießen, aber von einer kommunalen Erhaltungssatzung umfasst sind, nicht ohne Genehmigung verändert oder abgerissen werden können.

Unser Antrag zum Schutz von Kulturdenkmalen soll das Landesamt für Denkmalpflege unterstützen. 

Wir fordern die Landesregierung auf, das Landesamt für Denkmalpflege umgehend personell und sachlich so auszustatten, dass die vorbewerteten Objekte möglichst schnell abschließend inhaltlich aufgearbeitet, in die Denkmalliste eingetragen werden können und eine fortlaufende Inventarisation gesichert ist. 

Wir wollen einem Geschehen Einhalt gebieten, dass es begünstigt, dass Kulturdenkmale kurz vor Feiertagen abgerissen werden, weil sie noch nicht gesetzlich geschützt oder rechtzeitig in die Denkmalliste eingetragen waren. 

Kulturdenkmäler fungieren uns als Zeugen unserer Geschichte und unseres Zusammenlebens. 

Und an manchen Orten müssen wir sie besonders vor den Interessen von gewinninteressierten Investoren schützen. 
Mancherorts geht es um nicht weniger als den Ausverkauf einer Insel.

Quelle: Presse SSW

Lt. übereinstimmenden Pressemeldungen sei geplant, auf dem Grundstück vom abgerissenen Gasthof in List zwei reetgedeckte sowie ein hartgedecktes Wohnhaus neu zu bauen. 

Erst in der vergangenen Woche hatte die Gemeinde Sylt einen Baustopp von neuen Ferienwohnungen beschlossen. Dieser gilt jedoch nur für Westerland, Tinnum, Keitum, Archsum, Morsum, Munkmarsch und Rantum. List hingegen gehört zum Amt Landschaft Sylt – genauso wie die Gemeinden Hörnum, Kampen und Wenningstedt-Braderup.

Beitragsfoto: Alter Gasthof (vermutlich um 1900)

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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