Gebäude erzählen Geschichten: Brasseriehof Flensburg

Wenn Gebäude reden könnten, würden sie die vielfältigsten, buntesten und verrücktesten Geschichten erzählen können. Das Leben spielt sich in den Gebäuden ab, seit Generationen und Epochen. Ob Dramen, Feste oder banaler Alltag, viele der Gebäude wahrten ihr würdiges Gesicht, während im Innern das Leben seine Spuren hinterließ. Der Brasseriehof gab früher Inspiration für einen berühmten norddeutschen Dichter.

Er ist einer der bekanntesten und ältesten Kaufmannshöfe in Flensburg: der Brasseriehof. Die exakte Adresse lauter Große Straße 42/44, dessen Hofgebäude aus dem 17. bis 19. Jahrhundert stammen. Der Häuserbestand des Hofes wird heute gewerblich und für Wohnzwecke genutzt und gehört zu den Kulturdenkmalen der Stadt. In diesem Hof spielt die Novelle „Im Nachbarhause links“ von dem Dichter Theodor Storm; er schrieb sie 1875 nach einem Besuch bei einem Freund und seinem Schwager in Flensburg.

Beide waren Juristen (wie Storm selbst). Sie erzählten ihm einiges über das gesellschaftliche Leben in der Stadt. Storm, zeit seines Lebens interessiert an gesellschaftlichen Missständen, wurde durch ihre Erzählungen zu seiner Novelle inspiriert.

Es geht um eine Figur am Rande der Gesellschaft und ihre Geschichte, wie so oft bei Theodor Storm. In dieser Novelle steht eine „uralte“, äußerst zurückgezogenen lebenden Frau im Mittelpunkt.

Die Novelle beginnt so: „`Wenn du es hören willst`, sagte mein Freund und streifte mit dem kleinen Finger die Asche von seiner Zigarre. `Aber die Heldin meiner Geschichte ist nicht gar zu anziehend; auch ist es eigentlich keine Geschichte, sondern nur etwa der Schluß einer solchen`„; hier weiter.

Das zweigeschossige traufenständige Vorderhaus aus dem 18. Jahrhundert entstand durch die Zusammenfügung zweier Häuser, so dass es heute noch zwei Adressen besitzt. Der südliche Gebäudeteil trägt die Hausnummer 42 und der nördliche die Hausnummer 44. Auf der verputztenEinkaufsstraßenseite finden sich jeweils zwei Ladenlokale.

Im Ladenlokal Nr. 42 lag über mehrere Jahrzehnte hinweg bis in die ersten 2000er Jahre hinein ein Kochlöffel-Schnellrestaurant. Seitdem wechselten immer wieder die dortigen Geschäfte.

In der Mitte des Vorderhauses liegt sich die Durchfahrt zum eigentlichen Hof. Auf der Gebäuderückseite des Vorderhauses ist die Fachwerksausführung aus dem 18. Jahrhundert erhalten geblieben.

Hinter der Gebäudesüdseite Nr. 42 schließen sich drei Fachwerk-Seitenflügel an. Der erste Seitenflügel ist offensichtlich mit dem Vorderhaus baulich stark verbunden. Die beiden letzteren Seitenflügel stammen aus dem 17./18. Jahrhundert.

Der Gebäudenordseite Nr. 44 schließen sich ein kleiner, eingeschossiger Zwischenbau, ein erster südlicher Seitenflügel und zweiter südlicher Seitenflügel an, die vermutlich aus dem 19. Jahrhundert stammen.

Die besagte Nordseite des Hofes wirkt mit seinen verputzten Flügeln schlichter gestaltet. Die Ostseite des Hofes schließen ein Querspeicher sowie ein dritter nördlicher Seitenflügel ab.

Der Querspeicher wurde um 1840 errichtet und besitzt eine korbbogige Durchfahrt, welche zu einem zweiten Hof führt, wo sich auf der Nordseite der dritte Seitenflügel noch weiter ausbreitet. Der besagte Seitenflügel stammt aus dem Jahr 1851. Die restliche Bebauung des zweiten Hofes stammt aus neuerer Zeit.

Theodor Storm gefiel der Brasseriehof, mit seinen Aufzugserkern und Ladeluken so gut, dass er dort 1875 seine Novelle „Im Nachbarhause links“ spielen ließ. In den 1980er Jahren wurde der Kaufmannshof instand gesetzt und seitdem von verschiedenen Gastronomischen Betrieben genutzt.

Im Querspeicher des Hofes lag über viele Jahre die Brasserie „Napoleon & da Vinci“, woher offenbar der heutige Hofname abgeleitet wurde.

Kulturhof-Café (bis 26.12.2022)

2015 wurde dort das Kulturhof-Café eingerichtet, 2016 der Verein Kulturhof Flensburg e. V. gegründet. Im Kulturhof-Café fanden regelmäßig verschiedene kulturelle und soziale Veranstaltungen statt.

August 2022 gingen Teile des Brasseriehofes an Privatleute über und verkauft. Ende Dezember 2022. schloß das Kulturhof-Café seine Pforten. Ersatzräumlichkeiten wurden bis heute (Stand März 2023) nicht gefunden.

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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