Einmal durchpusten, bitte! Winterausklang auf der Nordseeinsel Föhr

Die Biikefeuer sind heruntergebrannt, der Winter eigentlich vertrieben. Die Sonne gewinnt an Kraft und steigt täglich höher in den Himmel. Krokusse setzen erste Farbtupfer in die Landschaft und die Gärten. Und doch gibt es sie noch: die Frostnächte, die glitzernde Morgenstunden bringen, und die Sturmtage, die das Wasser an den Strand peitschen und an den Reetdächern rütteln. Kommen Sie mit auf einen Sturmspaziergang über die Insel und lassen Sie sich noch einmal so richtig durchpusten!

Das Meer hat sich zurückgezogen, die Luft ist klar. Es ist still am Strand von Wyk und die Farben, die vom Meer, vom Sand und die vom Himmel, sind sanft. Grüne und türkise Töne, feines Blau, helle, erdige Farben. Noch wirkt alles sanft, doch über der Festlandsküste sowie den Halligen im Süden stehen schon Wolkenbänke.

In den kälteren Monaten an der Küste unterwegs zu sein, bedeutet auch wohltuende Einsamkeit zu erleben – durchzuatmen, aber auch: sich durchpusten zu lassen. Wind und Wetter zu genießen. Was solch einen Ausflug richtig schön macht, ist die Einkehr, die Heimkehr, das anschließend Wärmende für Körper und Geist:

sei es in die Aufgehobenheit einer uralten Kirche oder die gemütliche Urlaubsunterkunft, die Einkehr in eine gemütliche Bar oder ein gutes Restaurant. An den Kamin. Eine Wanderung bei Fackelschein, die auch. Das vielleicht später.

Das Krächzen von Krähen ist zu hören. Photo by Pixabay on Pexels.com

Natur mit allen Sinnen erleben

Wellen laufen an die Wasserkante und Wolken wehen heran, der Horizont liegt tief – darauf die Warften der Hallig Langeneß – und darüber der weite Himmel von Nordfriesland. Endlos wie die See, ein offener Raum und hier zu spazieren, zu wandern, heißt auch Abstand vom Alltag zu gewinnen; gefühlt größer wird der mit jedem Schritt.

Der Himmel macht langsam dicht, nun zeigen Lichtfinger auf diese Bühne, setzen das Meer in Szene, die Vögel und die Fähre. Das gleißend Silbrige des Wassers betont die dunklen Wolken nur umso mehr.

Noch ist es nur ein leises Rauschen von Wind und Wellen, ein stilles Wehen, das auf See und das im messingfarbenen Gras der Dünen, ein leises Wispern nur im Küstenwäldchen. Es ist vielleicht die Ruhe vor dem Sturm.

Seltsam, und doch schön. Das Festland ist nicht mehr zu sehen, es ist im Diesigen verschwunden. Nur noch die Insel allein, sonderbar losgelöst ist auch das Gefühl des Gehens. Die Schritte haben längst ihren Rhythmus gefunden, sie knirschen im Sand, sie klirren in die Muschelschalen.

Immer wieder glitzert das Licht auf dem Wasser und dem Watt, zu sehen sind die Silhouetten zweier Menschen, die am Spülsaum unterwegs sind und offenbar was suchen. Was werden sie wohl finden? Rechterhand stehen knorrige Kiefern, das Krächzen von Krähen ist zu hören und der Wind weht die Rufe der Seevögel vorüber. Ginster, gelbes Gras und vom ewigen Wind verbogene Bäume, die Reetdachhäuser sind ein Bild der Gemütlichkeit. 

Die Kraft von Wind und Wetter

Die Flut kommt. Und wie so oft scheint es, als ob das Wasser auch schweres Wetter mitbringt: es wird kühler, feuchter, windiger, die Wolken sind jetzt viel näher. Es ist ein unheimliches Gefühl, das unaufhaltsame Meer dabei zu beobachten, wie es Sandbänke verschlingt oder noch für den flüchtigen Augenblick als Insel stehen lässt.

Dann sind auch sie verschwunden und die See wird lauter, deutlicher. Das Klatschen der Wellen vermischt sich mit den Schreien der Möwen; es weht herbei und vorüber. Der Wind frischt böig auf, reißt die Wolken auseinander und dann liegt die Insel Amrum in strahlendem Licht und über das Meer jagen Wolkenschatten und Lichtfinger wie irre Theaterspots. Was für Eindrücke, welche Dramatik, sage noch jemand, es sei doch nur Wetter und Wind.

Über das Halligmeer im Süden ziehen Regenschleppen, wehend wie dunkle Gardinen. Weit im Westen von Wyk, hinter Nieblum und Goting schon, knistert der Sand vor den Kliffs. Und im Gesicht – ist es der Wind oder auch ein paar Körnchen Sand, die es so schön prickeln lassen?

Aus den Niederungen an der Mündung des Baches Godel fliegen Vögel auf; verloren wirken sie im Wind wie eine Hand voll hingeworfenes Konfetti. Wolken rasen durch den Himmel, der Spülsaum mit all dem angespülten Zeug aus dem Meer liegt hoch an der Kante.

In der Pause des inzwischen windiger werden Wetters flüstert der Wind nur leise, das setzt Akzente auf Details und den Fokus auf seine Kraft. Ist der Kopf klar, ist auch Zeit und Muße zum Innehalten, zum Hinsehen, zum genauen Zuhören; das Gehen im frischen Wind hat die Sinne geschärft. Neugier geweckt.

Zum Beispiel wenn der Wind hier mit seinen Verbündeten, den Wellen, an der Küste knabbert und Kliffs formt, so, wie auch südlich von Hedehusum. Wenn aus den Wolkenlücken heraus das Licht die Kante in Szene setzt, sie leuchtet und strahlt in den Farben Gelb, Beige und der von Rost.

Wind und Wetter, Wasser und Wellen sorgen dafür, dass das einzig Beständige die Veränderung ist. Eine steife Brise ist angenehm und ein stürmischer Tag ist ein Erlebnis, ein angenehmes und klärendes Durchpusten, auch des Kopfes. Ein wirklich schwerer Sturm aber ist gefährlich, dann sollte niemand an solchen Stellen draußen unterwegs sein.

Photo by Ralph Bossingham on Pexels.com

Ein Strandspaziergang der besonderen Art: Sörenswai-Vorland

Im Nordwesten der Insel liegt das Sörenswai-Vorland; ein Pfad dorthin, ein Tor im Wind, ein wilder Ort, ein kleiner, einsamer und verlassener Naturstrand. Draußen auf See, vor Sylt, sind Muschelkutter zu sehen, der Leuchtturm von Hörnum ist zu erkennen. Wieder schlagen die Schritte in den Sand und in die Muschelschalen, erneut bricht die Sonne durch und das Wasser draußen auf See glitzert, gleißt wieder magisch auf.

Wind und Wolken sorgen für ein schnelles, rasantes Wechselspiel, auch von Effekt und Farbe, man wird kaum müde, hinzusehen. Auch hier ist der Spülsaum hoch aufgeworfen. Wind, erst recht ein Sturm, pustet nicht nur den Kopf schön durch, sondern wühlt auch das Meer auf – und noch ist Sturmzeit.

Schwere See kann den Meeresboden erreichen und dort Pflanzen losreißen und Muscheln aufwirbeln. Gerade in der dunkleren Jahreszeit lassen sich bei einem Spaziergang am Strand Dinge entdecken, die man sonst nicht unbedingt findet.

Alpenstrandläufer im Schwarm. Photo by Trevor Carpenter on Pexels.com

Blasentang zum Beispiel oder Meersalat, Kapseln von Rocheneiern (die sehen aus wie schwarze Ravioli mit Zipfeln an den Ecken) oder manchmal, mit ganz großem Glück, „Pelikanfüße“ – das sind Meeresschnecken.

Mit ebenso viel Glück auch Bernstein. Weil an der Nordküste von Föhr in den kühleren Monaten weniger Menschen unterwegs sind als im Süden, ist die Chance, hier etwas Schönes zu finden, größer.

Schon auf dem Weg zum Sörenswai-Vorland führte der Weg über den Deich. Er ist im wahren Wortsinn erhaben, weil über allem gelegen; dem Vorland, der See, der Marsch – weit, wild und wunderbar. Ein Hochgefühl und hier greift der Wind richtig zu. Wenn er anfängt, die Leute zu schubsen und zu schieben, man Widerstand spürt beim Wandern, ist aus der steifen Brise ein wahrhaft stürmischer Wind geworden.

Vom Deich reicht der Blick auf die See, aufgewühlt ist sie und wenn von den Wellenkämmen Schaumfetzen zu fliegen beginnen, ist es wohl Zeit für den Heimweg. Auch die Vögel haben sich größtenteils verzogen. Sonst ist gerade ein Spaziergang auf dem Deich an der Nordsee, an der Nordküste von Föhr, eine gute Möglichkeit für winterlichen Vogelkiek:

Alpenstrandläufer sind nicht nur emsig am Spülsaum unterwegs, sie fliegen auch in Schwärmen auf und führen mitunter ein himmlisches Ballett auf. Gänse fliegen vorbei mit sehnsuchtsvollem Ruf.

Der stürmische Wind flaut ab, dieses Tief zieht vorüber. Die Lichter von Wyk leuchten heimwärts und in die beginnende Dämmerung. Am Strand verteilen die jungen Leute von der Schutzstation Wattenmeer Fackeln an die Gäste, laden ein zu einer märchenhaften Wanderung – Sagen und Mythen bei Fackelschein.

Sie erzählen Geschichten, berichten von sagenhaften Wesen, auch solchen, die nur in der Nacht erscheinen, und der Schein der Fackeln flackert im Wind, in das Blau der Nacht. Ist es zu windig, werden Laternen verteilt, denn romantisch soll es sein bei dieser Wanderung.

Die Lichter der Leuchttürme sind zu sehen – Langeneß, Pellworm, Amrum. Gänsehaut nicht nur wegen der kühlen Brise. Der Wind singt sein ewiges Lied im Duett mit dem Rauschen der Wellen, und wieder ist es am Wintermeer eine Atmosphäre voller Mystik und Magie. Dort, wo der Wind wohnt.

Weitere Informationen:  foehr.de

Ausflüge, Führungen und andere Veranstaltungen:  foehr.de/veranstaltungskalender

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

Kommentar verfassen

Bitte logge dich mit einer dieser Methoden ein, um deinen Kommentar zu veröffentlichen:

Gravatar
WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: