Vom Eiersammeln längst vergangener Tage – Teil 1

Von Vogeleiern, Eierdelikatessen und Eierkönige
In diesem Beitrag geht es um das Eiersammeln vergangener Tage auf den Inseln Föhr, Amrum und Sylt. Zu Beginn der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts war dies für manche Küstenbewohner ein wichtiges Zubrot. Gab es doch Eier zur Brutzeit fast überall. Heute ist das Eiersammeln auf den Inseln verboten.

Wir schauen auf das Bild oben (1): Weich gebettet auf blauem, edlem Stoff liegen da Eier wie Juwelen, in Szene gesetzt wie wertvolle Schmuckstücke. Schön sind sie anzusehen diese Eier der See- und Küstenvögel in der Ausstellung im Dr.-Carl-Häberlin-Friesenmuseum in Wyk auf Föhr. Nur beinahe identisch die Form, aber offensichtliche Vielfalt in Farbe und besonders in der Musterung einzelner Stücke.

Wie das Ei der Lachmöwe, einst fester Bestandteil auf dem Speiseplan der Insulaner; creme in der Grundfarbe, die eckig wirkenden Flecken braun und karamell, hell- und dunkelgrau. Draußen ist das eine perfekte Tarnung, im Schaukasten ausgeleuchtet ein echter Blickfang. Man bleibt stehen und staunt.

Makellos weiß und eines der größten Eier dieser Ausstellung ist das des Storches, vom Spot in Szene gesetzt strahlt es auf dem blauen Stoff. Unikate jedes einzelne, wahre Wunderwerke allesamt.

Brandgänse brüten mit Vorliebe in alten Kaninchenbauten. „Ihre Eier haben die Inselbewohner früher gern gegessen“, sagt Jutta Kollbaum-Weber, Leiterin des Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museums in Wyk auf Föhr, „bis ins Jahr 1940 gab es auf Föhr aber keine Kaninchen. Also gruben die Inselbewohner künstliche Höhlen, um die Brandgänse zum Brüten zu bewegen und so wusste man auch, wo die Eier zu finden waren.

Es wurden Holzkästen eingegraben, durch einen Eingang kamen die Vögel in dieses Nest. Durch eine Klappe am hinteren Ende gelangte der Sammler an die Eier, er holte sie mit einem speziellen Eierlöffel aus dem Gelege.

Ungeschriebenes Gesetz auf Amrum

Nach einem ungeschriebenen Gesetz gehörte die Bruthöhle nur dem, der sie angelegt hatte, „…also dem Betreuer, wenn man so sagen möchten, meist war es ein älterer Junge aus dem nächsten Dorf“, sagt Jutta Kollbaum-Weber. Es gab sogar mehr als nur Eier zu holen: Sobald die Küken das Nest verlassen hatten, konnte man die weichen Daunen, die im Nest verblieben waren, für Kissenfüllungen entnehmen.

An die Eier der Brandgans im natürlichen Gelegen eines Kaninchenbaus zu gelangen, die Ausstellung im Friesenmuseum zeigt´s, war so einfach nicht: Hierzu brauchten die Leute einen Löffel an einem langen Stiel. Auf Amrum war das ein bis zu vier Meter langer Stock mit einer löffelartigen Drahtschlaufe am Ende. Dieses Werkzeug war, wenn man wie auf Amrum Bambus zum Bau verwendete, sogar biegsam und konnte durch die gewundenen Gänge der Kaninchenbauten bewegt werden.

Die Eier von Möwen, Seeschwalben, Kiebitz, Wildenten und anderen Vögeln bereicherten früher den oft kargen Speiseplan der Inselbevölkerung“, berichtet Jutta Kollbaum-Weber, „Eiersammeln durfte jeder, es gab aber ungeschriebene, überlieferte Regeln: So ging man nicht an anderer Leute Nester oder in die Gebiete des Nachbardorfes. Und um die Bestände nicht zu gefährden, holte man die Einer je nach Vogelart nur bis spätestens Mitte Juni aus den Nestern. So blieb noch Zeit für ein zweites Gelege.“       

Photo by Pixabay on Pexels.com

Gefährliches Eiersammeln auf Föhr

Einer von den Kumpels hat immer aufgepasst, und wir hatten ja auch ständig einen Stock dabei!“, sagt Jes Arfsten aus Midlum / Föhr. Er erinnert sich, wie sie als Jungs in den 1960er-Jahren zum Eiersammeln in die Marsch oder das Vorland gingen. „Überwiegend waren es Eier von der Lachmöwe, die haben wir gegessen und verkauft, das war normal damals und erlaubt“, sagt Jes Arfsten, Jahrgang ´56.

Ganz einfach war das Eiersammeln indes nicht, die Vögel verteidigten natürlich ihr Gelege; „…die Möwen haben uns regelrecht angegriffen und an den Kopf gepickt, deshalb hatten wir immer einen Stock dabei, um die Vögel abzuwehren.“ 

 Lachmöwen brüten in Kolonien seeseitig vom Deich, im unübersichtlichen Vorland und manchmal weit draußen auf den Sand- oder Kiesbänken. „Deren Brutplätze haben wir schon oben vom Deich gesehen, zumindest die ungefähre Richtung“, berichtet Jes Arfsten, „die flogen dort zu hunderten, zu tausenden. Da mussten wir nur noch hingehen und die Eier einsammeln.“

Mit einem Stock natürlich, und mit einem Eimer. „Lachmöweneier haben wir so ungefähr jeden zweiten Tag gesammelt. Wir haben immer ein Ei aus dem Gelege angeschlagen, um zu sehen ob es schon angebrütet war. Es kamen pro Tour jeweils gut hundert Eier zusammen.“

Anders als mit den Lachmöwen verhielt es sich mit Herings-, Silber- oder Mantelmöwe: „Die Großmöwen mussten wir beobachten und genau gucken, wo sie sich niederlassen. Dort war ihr Nest“, erinnert sich Jes Arfsten und berichtet weiter; „… einer von den Jungs blieb immer auf dem Deich und hat die Möwen weiter beobachtet, uns durch die Wiesen gelotst, der hat uns dann eingewiesen.

Gesammelt wurde bis zu einem gewissen Zeitpunkt; „…die Vögel haben ja immer wieder nachgelegt. Irgendwann Mitte Mai hat Opa dann gesagt: Jetzt ist Schluss. Die Vögel brauchen Nachwuchs, dann wurde es Zeit, sie in Ruhe brüten zu lassen“, erzählt Jes Arfsten oben auf dem Deich und blickt über das weite Vorland.

Von seinem Großvater hat Jes Arfsten gelernt, wo und wie´s geht mit dem Eiersammeln in der Marsch und im Vorland, was man essen kann; im Frühjahr haben Vogeleier den Speiseplan der Bauernfamilie ergänzt. Den Überschuss verkauften die Kinder.

Jes Arfsten und seine Kumpel waren vermutlich wohl die letzte Generation auf der Insel, die sich ihr Taschengeld im Frühjahr, Saison war von Mitte April bis Mitte Mai, auf diese Weise aufgebessert haben. Dann kamen Naturschutzgedanken und Umweltschutzmaßnahmen.

Satt von zwei Silbermöwen-Eiern

Man begann, ökologisch sensible Gebiete, solche, die wichtig für das Brut- und Rastgeschäft sind, zu schützen; irgendwann war selbst das Betreten des Vorlandes tabu, das Sammeln von Eiern sowieso. Die, vom Huhn, gabs dann schließlich auch günstiger und einfacher im Supermarkt zu kaufen.

Wir haben die Eier dann zu Fischhändlern nach Wyk gebracht“, berichtet Jes Arfsten, „für ein Lachmöwenei haben wir 25 Pfennige bekommen, für ein Ei von den Großmöwen kriegten wir sogar 50 Pfennige.“ Vogeleier wurden gehandelt, verkauft und verwendet wie Hühnereier auch, sie lagen damals regulär im Schaufenster.

Möweneier haben richtig gut geschmeckt“, erinnert sich Jes Arfsten, „ein bisschen kräftiger, und fettiger vielleicht, als Hühnereier. Aber lecker. Und wenn Du dir zwei Eier von einer Silbermöwe in die Pfanne gehauen hast, dann warst du satt.“ # Ende #

Soweit der erste Teil unseres BeitragesVom Eiersammeln längst vergangener Tage“. Im zweiten Teil lauschen wir den Berichten von Rainer Schulz von der Schutzstation Wattenmeer und seine Beobachtungen und Berichte vom Eiersammeln auf den Inseln und die Frage des Naturschutzes.

Quellen / Weiterführende Informationen

Erlebnistipps:

Zu den Ostertagen dreht sich auch an der Nordsee Schleswig-Holstein natürlich alles um die Eier.

Osterveranstaltungen: www.nordseetourismus.de/ostern-an-der-nordsee

Die Schutzstation Wattenmeer bietet an vielen Orten, beispielsweise in St. Peter-Ording, am Beltringharder Koog oder in Hörnum auf Sylt vogelkundliche Führungen an:

Termine:

www.nordseetourismus.de/naturveranstaltungen

www.schutzstation-wattenmeer.de/unsere-stationen

Bestimmungshilfe für Eier im Flutsaum:

https://www.beachexplorer.org/bestimmungsgang/eier

Termine für vogelkundliche Exkursionen unter www.jordsand.de

Die Nationalpark Verwaltung Schleswig-Holstein bietet zum Beispiel vogelkundliche Exkursionen mit einem Ranger an. Zum Beispiel „Vom großen Eierlegen“ am Ostersonntag auf der Hamburger Hallig siehe:

Nationalpark-Führungen

Weitere Erlebnistipps rund um Vögel:

Anbieter von Vogelbeobachtungtouren, Ringelganstage sowie Westküsten-Vogelkiek:

Vogelbeobachtung

Besuch der Vogelkoje auf Amrum:

Einen kleinen Spaziergang wert ist auch die Vogelkoje Meeram. Sie diente bis in die 1930er Jahre als Entenfanganlage und ist heute ein Naturparadies für Gänse, Enten, Damwild und viele Wildkaninchen. Um die Koje führt ein Naturlehrpfad vorbei am Kojenteich, durch Moorlandschaft und entlang der Dünen.

https://www.amrum.de/freizeitangebote/nebel/a-vogelkoje-meeram

Ein beliebtes Ausflugsziel auf Sylt ist Vogelkoje in Kampen mit einem Naturerlebnispfad:

https://www.insel-sylt.de/address/vogelkoje-kampen/

Erlebnismuseen:

Die Sylter Museen für Heimatkunde und Kultur:

https://soelring-museen.de/syltmuseum/

Das Dr. Carl Häberlin Friesen-Museum auf Föhr:

Urlaubstipps und Informationsquellen:

Weitere Tipps und Ideen für unterhaltsame Urlaubserlebnisse finden sich auf der Seite www.nordseetourismus.de sowie im nordsee Urlaubsplaner, der über diese Seite kostenlos angefordert werden kann.

Ideen und Hinweise zu einem umweltbewussten Urlaub am UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer finden sich auf https://www.nordseetourismus.de/nachhaltigkeit

Friesenmuseum Föhr (C) Jan Christoph Schultchen

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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