15. März 1864: Theodor Storm wird zum Landvogt berufen

Theodor Storm (1817-1888) war einer der bekannten Lyriker und Novellisten im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Seine Werke können der Epoche des Realismus zugeordnet werden. Dabei ist es fast etwas verwunderlich, dass Storms Werke so voller Emotion sind — war er doch sein Leben lang Anwalt. Als Kreisrichter in Heiligenstadt (1856–1864) zeichnete er sich für zwei Todesurteile mitverantwortlich.

Wull shall unse Landvagt sin? Störm sull unse Landvagt sin!”, mit diesen Worten wählte am 9. Februar 1864 die Husumer Ständeversammlung noch während des deutsch-dänischen KriegHans Theodor Woldsen Storm (kurz: Theodor Storm) zum Landvogt. Sein dänischer Amtsvorgänger hatte nach dem Einrücken der Preußen die Flucht ergriffen. Wenige Tage später, am 15. März 1864, tritt Storm tritt sein neues Amt an und übersiedelt nach Husum.

Mehrere Jahre zuvor lebte und arbeitete Storm im Exil. Das hatte eine Vorgeschichte. 1851 hatte Storm eine Petition unterschrieben, die sich gegen den dänischen Gesamtstaat und damit auch gegen den dänischen König Friedrich VII. aussprach. Als unloyal eingestuft, verlor Storm ein Jahr später deshalb seine Zulassung als Advokat. Es folgte eine Zeit als Gerichtsassessor am Kreisgericht Potsdam, zwischen 1853 und 1856.

1856 wurde Storm ins Kreisrichteramt nach Heiligenstadt in Thüringen berufen. In seinen Zuständigkeitsbereich fielen Bagatellsachen und Strafsachen; zudem war Storm auch Mitglied des Schwurgerichts, das zur Aburteilung schwerer und schwerster Straftaten eingesetzt war.

Storms Todesurteile von Heiligenstadt (1856–1864)

Storm erhielt im Sommer 1856 eine Anstellung als Richter am Kreisgericht in Heiligenstadt (Thüringen) im katholischen Eichsfeld. Er arbeitete dort nicht als Einzelrichter, sondern auf Empfehlung seines Potsdamer Vorgesetzten in einem Kollegium. Hier zeichnete er sich für zwei Todesurteile mitverantwortlich.

Im Herbst 1857 schrieb Storm seinem Schwiegervater einen ungerührten Kurzbericht:

„3 Tage hintereinander von 9 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends, mit Ausnahme einer 2stündigen Mittagspause den (höchst interessanten) schwurgerichtlichen Verhandlungen über einen Mord mit unverrückbarer Consequenz beigewohnt, bis wir über den Schuldigen, der, wahrscheinlich des Altentheils wegen, seinen Schwiegervater ermordet hat, das Todesurtheil aussprachen.“ 

Erst eine königliche Gnadenentscheidung wandelte die Todesstrafe in eine lebenslange Zuchthausstrafe um.

Über einen anderen Fall, wo ein junger Mann eine junge Frau getötet hatte, verurteilte das Richterkollegium unter Mitwirkung von Theodor Storm „den jungen Bengel zum Tode„. Der preußische König wandelte auch dieses Todesurteil gnadenhalber in eine lebenslange Zuchthausstrafe um. (Quelle)

Storms innerlicher Widerspruch – ein Grund für seine spätere Krebserkrankung?

Storm sprach sich gegen die Todesstrafe aus, weil er fand, man könne einem zivilisierten Menschen nicht zumuten, einen anderen abzuschlachten. Er hatte also Mitleid mit dem Henker, nicht etwa mit dem Delinquenten. Die Todesstrafe sei „eine sittliche Unmöglichkeit“. (Quelle)

Übrigens, zu den von ihm mitverhängten Todesurteilen hatte Storm sich nie geäußert. Ob das Schweigen auf Loyalität gegenüber dem ausgeübten Amt beruhte oder die inneren Konflikte verbergen sollte, wird vermutlich immer offen bleiben.

Storm verliert Macht

Kehren wir zurück zum März 1864: Storm zog also wieder zurück in seine Geburts- und Heimatstadt Husum. Dort residierte er zunächst in die Süderstraße 12, das Eigentum der Stadt Husum war. Storm hatte für die Räumlichkeit der Landvogtei selbst zu sorgen. Das Wohnhaus bot hierfür zu wenig Platz, und so richtete er die Landvogtei in einem Nebengebäude im Garten ein.

Theodor Fontane kam zu Besuch, erkundete den 75 Kilometer entfernten Kriegsschauplatz und verfasste seine patriotische Hymne Der Tag von Düppel (1865). Auszug:

Hurra, hurra,
Von der Tann ist da!
Ihr Düppelschen Schanzen, ihr Düppelschen Schanzen,
Nun gibt es mal wieder ein Stürmen und Schanzen,
Und seid ihr erst unser, dann rüber nach Alsen,
Das Fischvolk uns gründlich vom Halse zu halsen.

Theodor Fontane: Von der Tann ist da! In: Theodor Fontane: Gedichte I. Gedichte (Sammlung 1898). Aus den Sammlungen ausgeschiedene Gedichte. Herausgegeben von Joachim Krueger und Anita Golz. Berlin. 2. Auflage 1995, S. 363-364. Mehr dazu im Blog

Doch diese Machtfülle als Kriminal- und Zivilrichter sowie Polizeichef und Obervormund in einer Person währt nicht lange. Zwei Jahre später, 1866, wird die vormals zum dänischen Gesamtstaat gehörende Region preußische Provinz.

Und mit Einführung der preußischen Verwaltungsstruktur wird Storm als Polizeichef und Richter enthoben und bei verminderten Bezügen zum einfachen Amtsrichter ernannt.

Schicksalsschlag

Am 20. Mai 1865 trifft Storm der schlimmste Schlag seines Lebens. Nach der Geburt des siebten Kindes, der Tochter Gertrud, stirbt seine Frau Constanze im Kindbett.

Nach Ende des Trauerjahres und einer langen Reise kam es zur Wiederbegegnung Storms mit seiner Jugendliebe Dorothea Jensen. Am 13. Juni 1866 ließen sich beide im sechs Kilometer entfernten Geestdorf Hattstedt (1) trauen. Nicht in der St.-Marien-Kirche, sondern im Kompastorat, Lindenweg 1.

Ihr neues Zuhause wurde das Haus in der Wasserreihe 31, das sie bis 1880 bewohnten und das heute als Theodor-Storm-Museum genutzt wird. Es ist gleichzeitig Sitz der Theodor-Storm-Gesellschaft.

Eine Besuch des Theodor-Storm-Hauses und Museums in Husum lohnt sich. Die Öffnungszeiten: November bis März: Di, Do u. Sa 14–17 Uhr.

(1) Hierzu lesen im Blog: Nordfriesland historisch: Schobüll, Hattstedt, die Geest und der Dichter. Theodor Storm ging einst auf dem Weg zwischen Hattstedt und Schobüll spazieren und ließ sich zu dem Gedicht „Abseits“ inspirieren. Ein Stück Zeitgeschichte (Link)

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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