Böser Ort: Gefangenenlager und Gedenkstätte Gudendorf

Die Gedenkstätte Gudendorf (Kreis Dithmarschen, Schleswig-Holstein) soll an sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter erinnern, die hier während des Zweiten Weltkrieges in einem Lager umgekommen sind. Die Gedenkstätte liegt innerhalb des Landschaftsschutzgebietes Klev von Windbergen bis St. Michaelisdonn.

„Der Korbflechter aus Kirow“ – Film über das Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener im Lager Gudendorf: Als Teil der Aktion „Lichter gegen Dunkelheit“ haben Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Meldorf gemeinsam mit dem Filmemacher Moses Merkle den zehnminütigen Film „Der Korbflechter aus Kirow“ realisiert, der am 27. Januar 2023 im Gemeindehaus in Gudendorf präsentiert wurde.

Screenshot aus dem Film „Der Korbflechter aus Kirow“

Als Grundlage diente ein einziger überlieferter Gegenstand, der von einem sowjetischen Kriegsgefangenen gefertigt wurde. Sie setzten sich so mit dem Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener auseinander, die bis 1945 Zwangsarbeit in Dithmarschen leisteten und über die wenig bekannt ist

Hier geht es zum Film

Vorangegangene Veranstaltungen: Im Rahmen einer Gedenkfeier am 7. Mai 2022 haben Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Meldorf das von ihnen gestaltete Tonmodell des ehemaligen Lagers für sowjetische Kriegsgefangene auf der Gedenkstätte Gudendorf (Kreis Dithmarschen) präsentiert. Etwa einhundert Menschen verloren in der Nazizeit in dem Lager ihr Leben.

Die Schülerinnen der 10. Jahrgangsstufe haben sich zuvor intensiv mit der Geschichte und dem Aufbau des Lagers auseinandergesetzt, unter anderem mit Hilfe der Grundlagenstudie von Verena Meier „Das Lager und die Gedenkstätte für sowjetische Kriegsgefangene in Gudendorf“. Unterstützt durch den Bildhauer Frank Speth haben die Schülerinnen eigene Ideen entwickelt und das Lagerrelief aus Ton entworfen und gestaltet.

Im Rahmen eines Kooperationsvertrags zwischen der Gemeinschaftsschule Meldorf und der Initiative „Blumen für Gudendorf“ vom Oktober 2021 ist die Zusammenarbeit zwischen der Schule und der Gedenkstätte Gudendorf noch intensiviert worden.

Bereits im letzten Jahr haben Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit dem Künstler Frank Speth für die Opfer des Lagers Gudendorfein „Denkmal“ entwickelt und am Parkplatz der Gedenkstätte aufgestellt.

HintergrundInfos: Die Gedenkstätte Gudendorf (Kreis Dithmarschen, Schleswig-Holstein) soll an sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter erinnern, die hier während des Zweiten Weltkrieges in einem Lager umgekommen sind. Die Gedenkstätte liegt innerhalb des Landschaftsschutzgebietes Klev von Windbergen bis St. Michaelisdonn.

Sowjetische Kriegsgefangene kamen in Schleswig-Holstein in einem erbärmlichen Zustand an, da sie nur unzureichend ernährt wurden. Kurz nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion 1941 entstand in Gudendorf ein Gefangenenlager für sowjetische Kriegsgefangene.

Auf einer Fläche von rund einem Hektar standen an der heutigen Schulstraße Baracken, in denen die sowjetischen Kriegsgefangenen untergebracht waren. Das Lager gehörte zum STALAG (Stammlager) XA Schleswig. Außerdem wurden an der Straße nach St. Michaelisdonn in der Nähe von Hindorf Baracken aufgestellt, die als „Seuchenrevier“ dienen sollten. Ein Teil des Geländes diente auch als Wehrertüchtigungslager.

Im April 1944 wurde das seit 1941 in Kaltenkirchen-Heidkaten existierende Stalag X Az „Erweitertes Krankenrevier“ für arbeitsunfähige und kranke sowjetische Kriegsgefangene nach Gudendorf in den Bereich der jetzigen Schulstraße verlegt.

Über die genauen Bedingungen, unter denen die Gefangenen leben und arbeiten mussten, ist nur wenig bekannt. Gerhard Hoch hatte das Vorgängerlager Heidkaten als Sterbelager charakterisiert [1]. Dies kann nach jüngeren Forschungen nicht mehr aufrechterhalten werden kann [2]. Nach Schätzungen aus den Fünfzigerjahren sollen 1944 und 1945 3.000 sowjetische Kriegsgefangene in Gudendorf gestorben sein. [3] Der Historiker Martin Gietzelt konnte dagegen nach einer Auswertung der Personalkarten 46 Verstorbene festmachen; er rechnet mit „weniger als einhundert Toten“[4].

Nach Kriegsende diente das Gelände als Auffanglager für Jugendliche aus den deutschen Ostgebieten, als Reservelazarett und als ziviles Objekt des Kreiskrankenhauses Süderdithmarschen, bevor 1946 eine erste Gedenkstätte eingerichtet wurde.

Die Gedenkstätte für die Toten von Gudendorf sowie für weitere 228 Verstorbene, die man von anderen Lagern u. a. aus Eggebek hierher umgebettet hatte, wurde 1960/61 auf Initiative des Kreises Süderdithmarschen von dem Kieler Landschaftsgärtner Hans-Erik Brodersen und dem Bildhauer Siegfried Assmann aus Großhansdorf errichtet und ersetzte eine kleinere Anlage von 1946. Sie wurde im Frühjahr 1961 fertiggestellt.

Im Zentrum befindet sich eine 11 Meter hohe Betonsäule, in deren Aussparung sich eine Bronzeplastik befindet, die den Totenschiffer Charon aus der griechischen Mythologie darstellt, der mit seinem Nachen eine trauernde Mutter mit ihrem toten Sohn über den Acheron-Fluss an den Eingang des Hades fährt. Die Fahrtrichtung des Bootes führt direkt auf die Besucher zu, wenn sie sich dem Mahnmal nähern.

Weiterführende Infos zur Gedenkveranstaltung am 8. Mai:

Schriftliches Grußwort der Ministerin Karin Prien zur Gedenkveranstaltung „Blumen für Gudendorf“ anlässlich des Landesgedenktages 8. Mai (Link)

Rede Andreas Ehresmann, Gedenkstätte Gudendorf (SH), 7.5.2022 1/10 (Link)

Quellen:

  1.  Gerhard Hoch.Erweitertes Krankenrevier Heidkaten. In: HOCH, Gerhard; SCHWARZ, Rolf (Hrsg.): Verschleppt zur Sklavenarbeit. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Schleswig-Holstein. Alveslohe 1985.78; Hoch hatte in einer unveröffentlichnzten 
  2. Thomas Tschirner:„Kleine Fische“ −. Das Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener in Schleswig-Holstein. Eine regionale Studie anhand von Personalkarten der im „Erweiterten Krankenrevier Heidkaten“ gestorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen.Examensarbeit Kiel 2011, 55, 62-68. Online: http://www.zwangsarbeiter-s-h.de/Ergebnisse/Tschirner/Sowjetische%20Kriegsgefangene%20in%20S-H.pdf
  3. Uwe Danker, Astrid Schwabe: Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus, Neumünster 2005, S. 139.
  4. Martin Gietzelt: Die Gedenkstätte Gudendorf – Von der Schwierigkeit zu erinnern. In:Katja Köhr, Hauke Petersen, Karl-Heinrich Pohl (Hrsg.): Gedenkstätten und Erinnerungskulturen in Schleswig-Holstein. Geschichte, Gegenwart, Zukunft. Berlin 2011, 81; Martin Gietzelt, Die Gedenkstätte Gudendorf, “Dithmarschen”, Neue Forschungsergebnisse. Heide, Heft 3/2004, 58-80; Martin Gietzelt: Das Lager und die Gedenkstätte Gudendorf. Studie zum Forschungsstand. In: Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein e. V. (AKENS) (Hrsg.). Kritische Annäherungen an den Nationalsozialismus in Norddeutschland. Festschrift für Gerhard Hoch zum 80. Geburtstag am 21. März 2003. Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte 41/42 (2003) 330–353

Beitragsfoto: Gedenkstätte Gudendorf/Gesamtansicht / Von Peter Werner, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16607355

Beitrag am 1.3.2023 aktualisiert

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

Ein Gedanke zu „Böser Ort: Gefangenenlager und Gedenkstätte Gudendorf“

Kommentar verfassen

Bitte logge dich mit einer dieser Methoden ein, um deinen Kommentar zu veröffentlichen:

Gravatar
WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: