15. Januar 1362: Die Grote Mandränke richtet an der Nordseeküste schreckliche Verwüstungen an 

Es war wie die Sintflut: Eine gewaltige Sturmflut suchte vor über 660 Jahren auch die schleswig-holsteinische Nordseeküste heim und veränderte deren Verlauf für immer. Große Teile von Marschflächen und das sagenhafte Rungholt gingen für immer unter.

Vor über 660 Jahren, am 15. Januar 1362, veränderte die „Grote Mandränke“ – auch die „Große Manntränke“ („großes Ertrinken“) genannt – den Küstenverlauf im heutigen Schleswig-Holstein für immer. Diese gewaltige Sturmflut, die genau drei Tage (vom 15. bis 17. Januar 1362) dauerte, fegte wie ein riesiger Besen über die Nordseeküste. Ihre Spuren zeigten sich über die Utlande, die Außenlande vor dem Festland, über die Köge und die eingedeichten Marschgebiete. Große Teile fruchtbaren Landes zwischen Sylt und Eiderstedt in Nordfriesland gingen unter, darunter Rungholt, der damalige größte Handelsort des Nordens. Aus zusammenhängenden Landteilen wurden verstreute Inseln und Halligen. 

Aus dem Schleswiger Stadtbuch: „Anno MCCCLXII am XVI. Tage des Januars, da war eine große Wasserflut im Frieslande, darin auf dem Strande 30 Kirchen und Kirchspiele ertranken.

Folgen für die Menschen

Zwischen Elbe und Ripen (Dänemark) sollen der Überlieferung nach zehntausende Menschen ums Leben gekommen sein. Das Aussehen der Küste veränderte sich dauerhaft. Etwa 50 Prozent mehr als die heutigen Utlande umfasste dieses Gebiet vor 1362. 16 Kirchspiele sollen „ganz und gar verschwunden“ sein, andere wurden wiedererrichtet. Etwa 1000 Quadratkilometer Kulturland gingen bei dieser Sturmflut verloren, zum Vergleich: Sylt ist etwa 100 Quadratkilometer groß. 

Die gravierendste Veränderung zeige sich bei der heutigen Insel Pellworm. Das gesamte Meeresgebiet zwischen Pellworm und Nordstrand war vor der Sturmflut Land. Zwischen dem heute dänischen Tønder und Bredstedt gab es ebenfalls große Landverluste. Sylt verlor seine westlichen Gebiete, die heutige Gestalt trat hervor.

Untergang von Rungholt

Auch die sagenhafte Stadt Rungholt, eine Art Atlantis des Nordens, das aber tatsächlich existierte, ging unter. In Rungholt selbst sollen damals etwa 2000 Menschen gelebt haben. Ein Vergleich: in Kiel lebten auch etwa 2000 Menschen und in Hamburg etwa 5000, somit ist Rungholt für damalige Zeiten ein pulsierender Wirtschaftsort gewesen sein (siehe hierzu einen weiteren Artikel im Blog).

Ursache der Katastrophe

Gleich mehrere Faktoren trugen zu ihrer verheerenden Wirkung bei: Eine Klimaveränderung, der Beginn der sogenannten Kleinen Eiszeit, in den Jahrzehnten führte vor der Flut zu schlechtere Ernten in den Küstengebieten. In der Folge waren die Bewohner weniger vermögend als noch zu Anfang des 14. Jahrhunderts.

Dann der „Schwarze Tod“, die große europäische Pandemie (meist als Pestepidemie bekannt). Dieser breitete sich auch an den Nordseeküsten aus und dezimierte die Bevölkerung zusätzlich. 1349/1350 hatte es eine verheerende Pestepidemie gegeben. Die so geschwächte Bevölkerung war nicht mehr in der Lage, die Deiche zu unterhalten (siehe Quelle). 

Die Folge: Viele Leute und Rinder starben. Und wegen des Mangels an Menschen und Brotkorn wurde der Deichbau vernachlässigt. Zu diesem Unglück kam auch noch Pech hinzu: Die passende Windrichtung zur passenden Zeit – das Wasser ist glatt über die Deiche gegangen, ein Extremereignis – mit dem keiner gerechnet hatte. (Quelle)

Husum als Profiteur der Flut

Profiteur der Verluste, hier: vor allem ob des Unterganges des Ortes Rungholt, war, wenn man das so sagt darf, die heutige Kreisstadt Husum. Die Flut öffnete einen Zugang von der offenen Nordsee zur Südwestecke des Festlands. Die Stadt wuchs in wenigen Jahrzehnten zum größten Ort Nordfrieslands heran. Ein Markt wurde errichtet und ein Hafen angelegt. Innerhalb von Jahrzehnten erblüht Husum zur geschäftigen Handelsstadt. Ohne die Katastrophe wäre deren Aufstieg nicht möglich gewesen.

Zunahme der Sturmfluten durch den Klimawandel

Bisher hat sich der vom Menschen verursachte Klimawandel kaum auf die Nordseesturmfluten ausgewirkt. Künftig können sie jedoch höher auflaufen. Bis 2030 sei der derzeitige Küstenschutz an der Nordsee fast genauso wirksam wie heute. Bis Ende des Jahrhunderts könnte jedoch Handlungsbedarf entstehen, denn bis dahin können Sturmfluten drei bis elf Dezimeter höher auflaufen als heute. (Quelle)

Bleibt die Hoffnung, das der Mensch seriös handelt und uns nicht noch einmal eine Naturkatastrophe wie vor 660 Jahren widerfährt.

Beitragsfoto: Rekonstruierter Küstenverlauf um 1240 (vor der Sturmflut 1362) auf der 1649 herausgegebenen Nordfriesland-Karte von Johannes Mejer. Die roten Linien geben den heutigen Küstenverlauf an.

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

2 Kommentare zu „15. Januar 1362: Die Grote Mandränke richtet an der Nordseeküste schreckliche Verwüstungen an “

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