31. Dezember 1721: Die Neujahrsflut wütet an der Nordseeküste

In den letzten tausend Jahren haben Sturmflutkatastrophen an der Nordseeküste immer wieder tausende Menschen und eine Spur der Verwüstung hinterlassen.
Die Deutsche Bucht ist eines der am stärksten von Sturmfluten bedrohten Gebiete weltweit. Am Jahreswechsel 1721/22 wütete der Blanke Hans und verursachte Tod und Leid – und das erst drei Jahre nach der verheerenden Flutkatastrophe von 1721 (Weihnachtsflut)

Die Neujahrsflut von 1721 richtete vom 31. Dezember 1720 bis 1. Januar 1721 an der Nordseeküste große Schäden an. Drei Jahre nach der Weihnachtsflut von 1717 zerstörte die noch höhere Neujahrsflut zahlreiche der zuvor notdürftig reparierten Deiche. Der Sturm war nicht so heftig wie bei den vorigen Fluten, hielt aber dafür länger an. Die Schäden waren dennoch enorm.

Auf den nordfriesischen Inseln und Halligen sieht es so aus:

Auf Föhr drang das Wasser, nachdem der Deich gebrochen war, ins Land und überflutete die Föhrer Marsch. Auf Nordstrandischmoor wurden vom Pastorat sämtliche Wände eingedrückt und die Kirche verwüstet, Kanzel, Altar, Beichtstuhl und gesamte Bestuhlung wurden weggespült.

Sämtliche Häuser wurden beschädigt und drei ins Meer gerissen. Die Hallig Hooge wurde überflutet, und das Wasser riss vier Häuser fort, die restlichen Häuser wurden fast vollständig ruiniert. 

Das heute zu Hallig Langeneß gehörende Nordmarsch (1) wurde schon durch die hohe Ebbe teilweise überspült. Zwei Stunden später wurden die Häuser auf den Warften vom Wasser heimgesucht und sieben davon weggerissen. Eine Frau und ihre beiden kleinen Kinder ertranken.

Die Kirche auf Langeneß wurde beschädigt und der Kirchhof so schwer verwüstet, dass viele Leichen aus ihren Gräbern ausgespült wurden und wegtrieben. Daneben ertranken sieben Kühe und 39 Schafe.

Halbmondwehle Südermarsch, Richard von Hagn (1815-1933), Nissenhaus Husum
Nordfriesisches Festland

Alle Köge im (damals zu Dänemark gehörenden) Herzogtum Schleswig wurden vom Wasser überschwemmt, außer den beiden Christian-Albrechts-Kögen im Amt Tondern (heute zu Dänemark). Südermarsch (Landschaft südlich von Husum und dessen Stadtteil Rödemis) wurde vom Wasser heimgesucht, und der Porrenkoog stand völlig unter Wasser.

In Husum stand das Wasser höher als bei den beiden Fluten 1717 und 1718, Brücken wurden zerstört, in den Häusern stand tagelang das Wasser.

Dithmarschen

Bei der Eddelaker Bracke in Dithmarschen riss das Wasser einige der nahe stehenden Häuser weg, wobei einige Menschen ums Leben kamen. Bei Kudensee entstand erneut ein Brack, der 50 bis 100 Fuß breit und 16 Fuß tief war. Man ging davon aus dass das Wasser diesmal fast einen Fuß höher stand als bei den Fluten 1717 und 1718.

In den Dörfern Aebtissinwisch und Seedorf stieg das Wasser fast zwei Fuß höher als bei der Flut 1718 und richtete noch mehr Schaden an. Von dem hohen Moor in der Nähe, das schon bei der vorigen Flut stark gelitten hatte, wurde ein drei Morgen großes Stück herausgerissen, das die Ländereien zweier benachbarter Höfe unbrauchbar machte.

Augenzeugenbericht zu Helgoland:

Die Insel Helgoland (seit 1714 zu Dänemark gehörig) wurde infolge der Sturmflut von der Düne getrennt, als der Steinwall, die Landverbindung, überspült und abgetragen wurde.

Einige Häuser auf dem Vorland wurden ins Meer gerissen. In der Ortschronik des Helgoländer Ratmannes und Gastwirtes Hans Broders heißt es (Original-Text, unkorrigiert):

„Am Neujahrsabend und dem darauffolgenden Neujahrstag war es um zwei Uhr ein rechter Haubt-Sturm und hieselbst ein ungemein hohes Wasser mit so grausamen Wellen, dass auch einige Häuser und Buden bey Norden dem Lande wegspületen und übertraf diese Wasserfluht fast diejenige, welche am Weihnachtsabend 1717 erging. Der Wind war auch heftiger als zu der Zeit. Der Steinwall zwischen dem Lande und der Sanddüne riss durch.“

Quelle: Ortschronik des Helgoländer Ratmannes und Gastwirtes Hans Broders; Abschrift durch Erwin Weber, 1973 (Kopie der Abschrift von 1938 = Erwin Weber, Helgoländer Chronik, Bände I-IV,2 1973-1976. o. Ortsangabe, Kopienausgabe, Band I)

Seit dieser Neujahrsnacht 1721 also besteht Helgoland aus zwei Teilen – dem rund einen Quadratkilometer großen, roten Felsen mit der berühmte Steilküste und der vorgelagerten Düne.

Und als ob die Sturmflut vom 31. Dezember 1721 nicht schon genug wäre, kommt noch der Große Nordische Krieg dazu. Und der tobte bereits seit 1714 als die Dänen die Insel militärisch eroberten. Vorher gehörte Helgoland zum Herzog von Gottorf. Mehr zur Geschichte Helgolands, siehe hier im Blog.

Quellen / Weiterführende Informationen

(1) Nordmarsch war eine Hallig in Nordfriesland, die bis 1869 durch Dammbauten, Lahnungen und natürlichen Anwuchs mit der Hallig Langeneß (sowie der kleineren Hallig Butwehl) zusammengewachsen ist. Entsprechend lautete der ursprüngliche Name der zusammengewachsenen, neuen Hallig Nordmarsch-Langeneß. Vorher war Nordmarsch durch das Ley von Langeneß und Butwehl getrennt.

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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