Straßennamen erzählen Geschichten: Johannistreppe in Flensburg

Straßennamen erzählen vom Leben. Sie sagen etwas darüber, wie die Menschen an einem Ort arbeiten und wohnen, woran sie glauben und worauf sie hoffen.

Die Johannistreppe gibt es gleich zweimal in Deutschland: Ein Mal in Nordhausen und ein weiteres Mal in Flensburg. Während die Johannistreppe in Nordhausen noch eine echte, gruselige Geschichte erzählt (sie wird auch „Henkertreppe“ genannt, weil es dort, in der anliegenden Henkergasse, tatsächlich einen Henker gab), lebt die Johannistreppe von einer weitaus ungruseliger, nach bisherigen Recherchen. Dennoch ist die Geschichte der Flensburger Johannistreppe erzählenswert, war da nicht was mit „Hexen“? …

Die Johannistreppe liegt im Flensburger Stadtteil Sandberg. Zu diesem Stadtteil gehören die Stadtbezirke Achter de Möhl und Adelbylund sowie der Campus (Sünderup-West). Die Treppe hat eine Länge von rund 40 Metern und führt 69 Stufen. Von oben, der Straße Sandberg, geht es runter in die Blumenstraße und in das Viertel „Achter de Möhl“ (siehe hierzu im Blog die Geschichte um die Straße Munketoft, die im gleichen Viertel liegt) .

Die Sache mit den Hexen

Johannistreppe „oben“ am Sandberg

Die Treppe wurde früher Hexentreppe genannt, warum ist nicht bekannt. Ein Zusammenhang der Treppe mit Hexen oder der Hexenverfolgung soll nicht belegt sein. Genauso wenig wurde erforscht, ob die Nutzung der Treppe zu Hexenschüssen führt oder sie diese mildert. In den 1910er Jahren wurde sie ausgebaut. Seit dieser Zeit wird sie Johannistreppe genannt.

Treppe mit Sicht von „oben“, dem Sandberg auf die Blumenstraße

Betrachten wir die Bauweise und Geschichte der Johannistreppe. Wir beginnen oben, am Sandberg und folgen der Truppe und ihren 69 Stufen runter in die Blumenstraße. Die Straße Sandberg liegt, wie der Name verrät, ein wenig hügelig. Das geht auf dessen eiszeitlichen Sandhalden zurück und auf diesen Grund wurde der Stadtteil um die Jahrhundertwende errichtet.

Die Architektur der Johannistreppe ist liebevoll gestaltet, sie bietet kleine Sichtscharten und schmückende, steinernen Kugeln auf den Eckpfeilern. Das Bauwerk wirkt mächtig wie der Turm einer mittelalterlichen Burg. Und es löst Fantasie: Musste die wachsende Welt des Sandbergs gegen das alte Flensburg aus dem Tal verteidigt werden?

Und was mag in Kinderaugen vor sich gehen, wenn sie die 69 Treppen mit ihren kleinen Füßen, sicher sehr mühevoll, hoch und runtergehen? Fühlen sie sich ins Mittelalter zurück versetzt? Die Treppe ist nicht nur Schulweg, sondern oft genug Spielplatz für Jungs und Mädchen.

Blumenstraße – hat nichts mit Blumen und tun – und wiederum doch!

Blumenstraße: Mietshaus im Abendlicht, Beleuchtung eingeschaltet, rechts im Bild eine rote Ampel, Begrenzung zum davor liegenden Parkplatz

Haben wird die 69 Stufen geschafft, laden wir auf der Blumenstraße und im Viertel „Achter de Möhl“. Der Name täuscht jedoch, nichts ist mit Blumen, ringsherum graue Mauern, Steinflächen und Asphalt – allenfalls ein Löwenzahn, der sich durch das Pflaster drückt.

Warum der Name Blumenstraße in dieser Öde? Dr. Dieter Pust, Stadthistoriker, Ex-Lehrer an der Hannah-Arendt-Schule in Flensburg, Historiker und Autor hilft uns weiter: „Die auf dem Grundstück des Gärtners Meyer durchgelegte Straße erhielt den Namen Blumenstraße“, wird ein Beschluss der städtischen Kollegien aus dem Jahr 1887 zitiert. (1)

Geehrt wurde der „Kunstgärtner“ Agathon Meyer. „Er wirkte auf dem Gelände des in Flensburg seit dem 16. Jahrhundert bekannten sogenannten Fischerhofes. Diesen hatte sein Vater, der Kunst- und Handelsgärtner Adolph Meyer, 1824 gekauft.

Eine wirtschaftliche Größe der Gärtnerei rekonstruierte Pust aus einer alten Anzeige: Der Samen- und Blumenhandel hatte seine Geschäftsräume in der Angelburger Straße. Gärtner Meyer empfahl „blühende Topfpflanzen, Garten-, Feld-, und Blumen-Samen, Bouquets, Kränze und Harlemer Blumenzwiebeln.“ Also gab es in der heute öden Blumenstraße einst Beete mit Blumen. (Quelle).

Blumenstraße hinter der Johannistreppe, Blickrichtung Süden

Fast am Ende – wäre da nicht noch was?

Nun begeben wir uns an der Ende unserer kleine Reise in die Geschichte der Johannistreppe. Doch da war noch was: der kleine Ballestieg*. „Balle“? Ja, „Balle-Rum“, den kennt man. Der Name verweist auf die Branntweinbrenner-Familie Balle. Über sieben Generationen hinweg haben die jeweils ältesten Söhne mit dem Namen Ole Christian Balle die Firma übernommen, bis sie 1930 im Firmenverbund Hermann G. Dethleffsen aufging. Die Wurzeln der Firma Balle reichen bis 1780 zurück und standen unverändert durch die Jahrhunderte für Rum – na denn Prost!

Quellen: Eigene Recherchen sowie (1) Dr. Dieter Pust – Buch „Flensburger Straßennamen“ (Quelle)

* übrigens – wieder ein in Deutschland einzigartiger Straßen-Name

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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