Gebäude erzählen Geschichten: Flensborghus

Wenn Gebäude reden könnten, würden sie die vielfältigsten, buntesten und verrücktesten Geschichten erzählen können. Das Leben spielt sich in den Gebäuden ab, seit Generationen und Epochen. Ob Dramen, Feste oder banaler Alltag, viele der Gebäude wahrten ihr würdiges Gesicht, während im Innern das Leben seine Spuren hinterließ. Die Geschichte des Flensborghus ist äußerst erzählenswert – schon vor dem Hintergrund der deutsch-dänischen Vergangenheit

Das Flensborghus in der Norderstraße 76 in Flensburg ist ein ehemaliges, 1725 fertiggestelltes Waisenhaus, das der dänischen Minderheit nach der Volksabstimmung 1920 in Schleswig als Kultur- und Versammlungshaus dient. Es ist Sitz des Südschleswigschen Vereins (SSF) und der Dänischen Jugendorganisationen in Südschleswig (SdU), des Landesverbandes des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) und der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEN). Soweit so kurz, gehen wir mehr ins Detail:

Anfänge

Der Maurermeister Johann Christian Haedel baute das Gebäude 1724/25 nach dem Vorbild des Waisenhauses Franckesche Stiftungen in Halle an der Saale. Das Baumaterial stammt zum großen Teil aus den Steinen der Duburg, die der dänische König Friedrich IV. zu dieser Zeit abbrechen ließ.

Die Funktion als städtisches Waisenhaus – zu Baubeginn das erste außerhalb Kopenhagens – behielt das Gebäude in Teilen bis 1813. Für damalige Verhältnisse galt das Waisenhaus, in dem nicht mehr als 50 Kinder wohnten, als überproportioniert.

In späteren Jahren diente das Haus als Arbeits- und Zuchthaus, als Kaserne (1760–1894) und als Hotel- und Gaststättenbetrieb; zuletzt trug es dem Namen Hotel Nordischer Hof. 1921 kaufte der dänische Kulturverein Grænseforeningen das Haus und richtete dort ein Kulturzentrum ein.

Im Flensborghus fanden jedoch auch während der Nazizeit bis 1937 jüdische Gottesdienste statt, die woanders schon nicht mehr möglich waren. Unterstützt wurden sie vor allem vom dänischen Generalsekretariat, das u. a. die Poststelle anbot. (1)

Sehenswert

ist die Wappentafel mit dem Stadtwappen Flensburgs und dem Schriftzug „Gott allein die Ehre“ am Gebäude, die mit dem Bau des Gebäudes eingesetzt wurde. Neben dieser ist eine zweite Tafel mit dem Monogramm von Frederik IV.

Im Tordurchgang in der Mitte des Gebäudes wurden im 20. Jahrhundert, nach der Übernahme durch die dänische Minderheit, dänischsprachige Balkeninschriften hinzugefügt (siehe Foto unten). Das Innere wurde mit alten Gemälden ausgestaltet (Gemäldesammlung).

Im Flensborghus finden sich im Festsaal die Brustbilder dänischer Generäle aus dem Sockel des zwischen 1862-64 auf dem Alten Friedhof aufgestellten Idstedt-Löwen (2) sowie von bekannten Mitgliedern der dänischen Minderheit um 1920.

Beitragsbild: Gedenkschild an die Errichtung des ehemaligen Waisenhauses, am Gebäude des Flensborghus in der Norderstraße 76. 

Quellen:

(1) Gershom Jessen, Jüdische Gemeinde Flensburg e. V.

(2) Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutchland. Kulturdenkmale in Schleswig-Holstein, Bd. 2 Stadt Flensburg, bearb. v. Lutz Wilde. 2011, S. 222

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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