Schleswig: Ausstellung „Heinz Reinefarth: Vom NS-Kriegsverbrecher zum Landtagsabgeordneten“

Heinz Reinefarth, eigentlich Heinrich Reinefarth, (* 26. Dezember 1903 in Gnesen, Provinz Posen, Königreich Preußen; † 7. Mai 1979 in Westerland, Sylt) war ein deutscher SS-Gruppenführer, Generalleutnant der Waffen-SS und Polizei. Reinefarth war u. a. für die Niederschlagung des Warschauer Aufstandes verantwortlich, bei der allein im Warschauer Stadtteil Wola 20.000 bis 50.000 Zivilisten von den Truppen unter seinem Befehl erschossen wurden.
Für seine Taten wurde Reinefarth nie belangt. Es gelang ihm im Gegenteil, in der Nachkriegszeit eine politische Karriere einzuschlagen, bei der er Abgeordneter des Schleswig-Holsteinischen Landtages und Bürgermeister von Westerland auf Sylt wurde.
Über die Person Reinefarth gibt es noch bis 31. März 2023 eine Ausstellung im Landesarchiv Schleswig-Holstein – zuzüglich umfassendes Begleitprogramm

„Heinz Reinefarth: Vom NS-Kriegsverbrecher zum Landtagsabgeordneten“ heißt die Ausstellung im Prinzenpalais (1) in Schleswig. Das Landesarchiv stellt mit Reinefarth einen typischen Vertreter der führenden Vertreter des NS-Staates vor, die nach dem Ende des Krieges Karriere in der Bundesrepublik gemacht haben. 

Der Jurist Heinz Reinefarth (geb. 26. Dezember 1903 – gest. 7. Mai 1979) stieg im Zweiten Weltkrieg in Spitzenpositionen des SS- und Polizeiapparats auf. Anfang August 1944 beorderte ihn der SS-Chef Heinrich Himmler nach Warschau, um den Aufstand gegen die deutschen Besatzer niederzuschlagen. Die von Reinefarth kommandierten Truppen ermordeten innerhalb weniger Tage mehr als 30.000 Zivilisten.

Für diese Verbrechen sollte sich der SS- und Polizeigeneral in Polen verantworten, doch die Westalliierten lehnten eine Auslieferung des „Henkers von Warschau“ ab. Reinefarth strebte daraufhin eine politische Karriere an: 1951 wurde er zum Bürgermeister von Westerland gewählt, 1958 zum Abgeordneten in den Kieler Landtag. Als die DDR dies skandalisierte, begann die bundesdeutsche Justiz gegen Reinefarth zu ermitteln.

Im sich wandelnden vergangenheitspolitischen Klima Anfang der 1960er wurde der Fall Reinefarth zur Belastung für die Landesregierung. Von allen politischen Ämtern trat er schließlich zurück, doch vor Gericht musste sich Reinefarth trotz jahrelanger Ermittlungen der Justiz niemals verantworten. Bis 1964 war er Bürgermeister von Westerland.

Reaktion des Landes Schleswig-Holstein

Am 10. Juli 2014 hat der Landtag Schleswig-Holstein angesichts der Gräueltaten Reinefarths den Opfern des Warschauer Aufstandes „sein tiefes Mitgefühl“ (Quelle) ausgesprochen und sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, „dass es nach 1945 in Schleswig-Holstein möglich werden konnte, dass ein Kriegsverbrecher Landtagsabgeordneter wird“ (Quelle).

Reaktion der Gemeinde Sylt

Auch die heutige Gemeinde Sylt stellt sich inzwischen der Vergangenheit ihres ehemaligen Bürgermeisters. Am 31. Juli 2014, also am Vorabend des 70. Jahrestages vom 1. August 1944, wurde am Westerländer Rathaus auf Initiative der evangelischen Pfarrerin von Westerland, die eine E-Mail aus Polen erhalten hatte (Quelle) eine Gedenktafel enthüllt (siehe hierzu Artikel in der taz).

70 Jahre nach dem Beginn des Warschauer Aufstands, der von SS- und Wehrmachts-Truppen unter Reinefarths Befehl blutig niedergeschlagen worden war, wird auf dieser Tafel in deutscher und polnischer Sprache der mehr als 100.000 Zivilisten, von Männern, Frauen und Kindern aus Polen, gedacht, die damals von den deutschen Besatzern verletzt, geschändet und ermordet wurden.

Sie endet mit zwei Sätzen, die den Bezug dieses Kriegsverbrechens zu Sylt und dem Rathaus, an dem sie angebracht ist, aussprechen:

Heinz Reinefarth, von 1951 bis 1963 Bürgermeister von Westerland, war als Kommandeur einer Kampfgruppe maßgeblich mitverantwortlich für dieses Verbrechen. Beschämt verneigen wir uns vor den Opfern des Warschauer Aufstandes und hoffen auf Versöhnung.“ (Quelle)

Die Ausstellung „Heinz Reinefarth: Vom NS-Kriegsverbrecher zum Landtagsabgeordneten“ ist noch zum 31. März 2023 im Landesarchiv im Schleswiger Prinzenpalais zu sehen. Der Eintritt ist frei. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8.30-17 Uhr.

In einem umfangreichen Begleitprogramm werden ebenfalls Aspekte aus Vergangenheit und Gegenwart zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus aufgegriffen. Neben Vorträgen deutscher und polnischer Referentinnen und Referenten sowie einer Filmvorführung werden Ausstellungsführungen und Workshops für Schulklassen angeboten. Den Abschluss bildet eine Podiumsdiskussion zum Thema „Umgang mit der NS-Vergangenheit in Schleswig-Holstein“ am 29. März 2023. Das Begleitprogramm zur Ausstellung hier.

Prinzenpalais, 24837 Schleswig, Telefon 04621 8618-00, eMail 

(1) Wissenswertes über den Veranstaltungsort Prinzenpalais in Schleswig

Das Prinzenpalais in Schleswig liegt in der Gottorfstraße Ecke Brockdorff-Rantzau-Straße im Stadtteil Friedrichsberg. Nur einen Steinwurf entfernt liegt das Stadtmuseum.

Das Prinzenpalais wurde um 1700 als dreiflügeliges Herrenhaus für die Geheimrätin von Buchwaldt erbaut und ist damit einzigartig in Schleswig. Den Namen Prinzenpalais hat es nach Friedrich Emil August Prinz zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Noer verliehen bekommen. Das Gebäude ist im Barockstil mit einer klassischen Fassade errichtet worden.

Das Prinzenpalais dient heute als Landesarchiv Schleswig-Holstein. Es enthält z.B. ca. 12.000 Pergamenturkunden, 25.000 Karten und fast 30.000 Regalmeter Akten. Die landeskundliche wissenschaftliche Bibliothek verfügt über ein Archiv von ca. 110.000 Bänden, die im Lesesaal zugänglich sind. Das Landesarchiv ist gleichzeitig auch das schleswig-holsteinische Landesfilmarchiv.

Beitragsbild: Heinz Reinefarth 1951 auf Sylt. Foto: Sylt Museum

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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