Die Sage von der „Mannigfual“ 

Über das Land zwischen Nord- und Ostsee ranken sich zahlreiche Sagen und Legenden. Besonders die Halligen, Inseln, Seeleute -und nicht zuletzt das Meer- bieten Stoff für zahlreiche Geschichten, die bis heute jedes Kind in Schleswig-Holstein kennt. Die Sage von der „Mannigfual“ dürften wohl nur wenige kennen.

Die Mannigfual (auch „De Almacht“, „Het Grote Schip“ oder „Het Schip van Ternuten“) (1) taucht im Sagenschatz der Nord- und Ostseeanrainer als ein gigantisches Schiff auf. Die Masten sollen so hoch sein, dass die jungen Matrosen nach Arbeiten auf dem Mast als alte, grauhaarige Teerjacken an Deck zurückkommen. Unterwegs werden sie in Kantinen verköstigt, die in den Blöcken (2) der Takelage (3) sind. Der Kapitän bewegt sich auf dem weitläufigen Deck nur zu Pferd. Verschiedene Abenteuer werden in den Sagen berichtet.

In der Nordsee, erzählen die nordfriesischen Seefahrer, steuert ein Riesenschiff. Sein Umfang ist untümlich groß, die Masten sind höher als alle Kirchtürme, die Taue sind so dick wie große Tannen.

In der Takellage sind Öffnungen, dahinein die Matrosen zum öftern gehen, der Einkehr halber, um eine Stärkung zu sich zu nehmen, denn wer als junger Matrose da hinaufklettert, der kommt erst in hohen Jahren mit grauem Haar und Bart wieder herunter.

Der Kapitän reist zu Pferde auf dem Verdeck herum, um seine Befehle zu erteilen, und ist froh, wenn er in einem Tage herumkommt. Dieses wundersame Schiff heißt der Mannigfual. Insgeheim hält es seinen Kurs nur im hohen Norden, im tiefsten Fahrwasser, denn sonst könnte es in der Landnähe bald aufsitzen.

Einstmals wurde das Schiff dennoch südwärts getrieben, es befand sich im Atlantischen Ozean und kam in den Kanal zwischen Dover und Calais. Da war ihm das Fahrwasser zu schmal, es füllte beinahe den Kanal ganz aus, da hätten die Franzosen auf trocknem Boden über das Schiff weg nach England spazierengehen können.

Da fiel dem Kapitän ein guter Gedanke ein, er ließ die Backbordseite, nach Dover zu, ganz mit weißer Seife bestreichen, das glückte, jetzt wischte der Mannigfual glücklich durch die Meerenge und kam in die Nordsee. Aber die abgescheuerte Seife und der Schaum, den es gab, verliehen den Felsen der britischen Küste bei Dover ihre weiße Farbe bis auf den heutigen Tag.

Einst geriet der Mannigfual in die Ostsee, Gott weiß wie. Da war das Wasser gar zu seicht. Die Schiffsleute warfen ihren Ballast, Schlacken und Asche über Bord, um das Schiff flott zu machen. Daraus ist die Insel Bornholm entstanden, und aus dem Unrat der Kabuse das dabeiliegende Inselchen Christiansoe.

Quellen: Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 134-135.

(1) Het Grote Schip, Nederlandse Volksverhalenbank, Meertens Institute (Link)

(2) Block (von mittelhochdeutsch plock oder ploch: großes oder zusammenhängendes Stück) ist ein seemännischer Begriff für ein Gehäuse, in dem eine oder mehrere drehbare Scheiben sind.

(3) Takelage (auch Takelwerk, Rigg) bezeichnet das stehende Gut und Teile des laufenden Guts eines Segelschiffes. Genauer sind dies die (feststehenden) Masten und das Tauwerk, das die Masten hält (Wanten, Stage), und die Spieren, Blöcke und Beschläge, sofern sie an den Masten und Spieren befestigt sind, sowie der Teil des Laufenden Guts, der zum Bedienen der Segel notwendig ist, aber nicht am Schiff befestigt wird (hauptsächlich Fallen, aber auch Dirk, Toppnant und Baumniederholer).

Beitragsfoto: (c) Willi Schewski

Autor: Willi Schewski

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