Die Sage um die Entstehung der Sanddünen auf der Insel Amrum

Über das Land zwischen Nord- und Ostsee ranken sich zahlreiche Sagen und Legenden. Besonders die Halligen, Inseln, Seeleute -und nicht zuletzt das Meer- bieten Stoff für zahlreiche Geschichten, die bis heute jedes Kind in Schleswig-Holstein kennt. Um die Entstehung der Sanddünen auf der Insel Amrum rankt sich eine Sage, wo der Tod eine gewisse Rolle spielt – machen Sie sich auf was gefasst!

In alter Zeit war die Insel Amrum viel größer als jetzt und die Wasserstraßen, die es von den benachbarten Eilanden trennten, viel schmäler. Zwischen Amrum und Sylt war ein so schmaler Strom, daß es nur eines doppelten Schrittes bedurfte, von einem Eiland nach dem andern zu kommen.

In der Mitte des schmalen seichten Stromes aber lag ein Pferdekopf, der zum Auftreten diente. Damals gab es aber auf Amrum noch keine Dünen und Dünenthäler, alles war Marsch- und Ackerland, Wald und Heide.

Da ereignete es sich, daß ein etwas seltsam gestalteter Leichnam an den Strand gespült ward. Die Leute holten ihn herauf, legten ihn in einen Sarg und begruben ihn bei ihren eigenen Todten. Aber es war von Stund an nicht richtig, das Meer wurde wild, brach gewaltsam herein und wälzte ungeheure Sandmassen vor sich her.

Das war loser feiner Sand, der von der Sonne bald getrocknet und vom Sturmwind ins Land hineingetrieben ward. Das war ein rechter Jammer, Wiesen, Heiden, Aecker, Wälder und Felder waren mit Sand überschüttet.

Was ist denn das? Womit haben wir dies verschuldet? Wie ist dem Sandfluge Einhalt zu thun?„, fragte Einer den Andern. Da sagte ein kluger Mann: „Höret mir zu. Den Mann, den Ihr bei unsern Todten begraben habt, ist sicherlich ein Wassermann gewesen, und da er nicht wieder ins Wasser kommen kann, kommt das Wasser ihn zu holen. Weil Ihr ihn begraben habt, begräbt das Meer Euere Aecker und Felder mit seinem Sande. Wollt Ihr nun verständigen Rath hören, so öffnet das Grab und sehet zu, ob der Todte auch seine Daumen im Munde hat und daran saugt. Thut er das, so ist’s ein Wassermann, und Ihr müßt Euch beeilen, ihn wieder in sein Element zu bringen, wenn Ihr nicht wollt, daß es ihn selbst holen soll.

Alle Leute gaben dem klugen Manne recht; man öffnete Grab und Sarg und fand wirklich, daß der Todte an den Daumen saugend dalag. Eiligst lud man ihn auf einen mit zwei Ochsen bespannten Wagen, die Ochsen jagten mit emporgehobenen Schwänzen dem Meere zu und hinaus ins Meer mit dem Todten.

Da war’s vorbei mit der Wasser- und Sündfluth, aber die Dünen, die der Sturm einmal aufgethürmt hatte, blieben stehen und stehen noch da.

Quelle: (S. Johansen, Die Nordfriesische Sprache nach der Föhringer und Amrumer Mundart. Kiel 1862 in 8°. S. 221 etc.)

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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