Sagen und Legenden in Schleswig-Holstein: Gonger – Untote auf Sylt und Amrum

Über das Land zwischen Nord- und Ostsee ranken sich zahlreiche Sagen und Legenden. Besonders die Halligen, Inseln, Seeleute -und nicht zuletzt das Meer- bieten Stoff für zahlreiche Geschichten, die bis heute jedes Kind in Schleswig-Holstein kennt

Auf den Inseln Sylt und Amrum kursiert die Sage um Wiedergänger (1), die nach ihrem Tod ihre Nachkommen aufsuchen. Auf Sylt starb einmal eine Frau und man erzählt sich, dass sie ihren Prediger so lange aufsuchte, bis er ihr Schere, Nadel und Zwirn ins Grab legte. So war es damals üblich bei den Frauen auf Sylt.

Eine weitere Legende besagt, dass ein Schiffer gemeinsam mit seinen zwei Söhnen nach Holland segeln wollte. Der jüngste Sohn fühlte sich jedoch nicht wohl dabei und bat seine Mutter, etwas zu unternehmen.

Diese konnte ihm aber nicht helfen, da es der Wille des Vaters war, dass sein Sohn mitsegelte. Auf dem Weg zum Hafen sagte der Junge: „Denket an mich, wenn ihr über diese Steine geht.

In derselben Nacht verunglückten der Schiffer und seine Söhne. Die Schwester des Schiffers wohnte in demselben Haus wie ihr Bruder und legte jede Nacht ein Brusttuch vor ihr Bett.

Am Morgen nach dem Unglück fand sie auf dem Tuch drei Blutstropfen und da wusste sie, dass ihr Bruder und seine Söhne ums Leben gekommen waren und sie nachts heimgesucht hatten. 

Unheimliche Wiedergänger 

Auf den Nordseeinseln Sylt und Amrum gibt es immer wieder schaurige Berichte von Wiedergängern, die auf Sylt und Amrum „Gonger“ genannt werden.

Bei diesen „Gongern“ handelt es sich um unschuldige Mordopfer, Menschen, die zu Lebzeiten Grundsteine versetzt oder Land abgepflügt haben. Es kann sich aber auch um Gotteslästerer oder Suizidierende handeln. 

Der „Gonger“ sucht seine Nachfahren heim

Es gibt jedoch noch eine weitere Art von „Gonger“. Dabei handelt es sich um diejenigen, die auf See ertrunken sind. Diese zeigen sich ihren Anverwandten und geben ihnen Hinweise, damit diese den Tod des Verwandten und die Erinnerung an ihn akzeptieren. 

Der Gonger meldet sich nicht bei der nächsten Blutsverwandtschaft, sondern überspringt zwei bis drei Generationen. Bei Abenddämmerung oder in der Nacht erscheint er in der Kleidung, in der er gestorben ist und streunt um das Haus des Nachfahren herum. Er tritt tropfnass in dessen Räumlichkeiten ein und löscht das Licht mit der Hand.

Dann legt er sich zu dem Schlafenden ins Bett auf die Bettdecke. Am nächsten Morgen zeugt dann eine Spur von Salzwasser von seiner Anwesenheit. Der Gonger kehrt so lange wieder und gibt Hinweise, bis

die Erinnerung an ihn wachgerufen und sein Tod anerkannt wird. Man erzählt sich, dass man einem Gonger nicht die Hand reichen darf. Diese verbrennt dann, wird schwarz und fällt ab. 

Theater und Film 

Die Legende der Gonger wurde durch Theater und Film aufgegriffen und ausgeschmückt. 1930 brachte Hugo Wolfgang Philipp sein Theaterstück „Der Gonger kommt“ heraus. Im Jahr 2009 wurde die Pro Sieben-Fernsehproduktion „Gonger – Das Böse vergisst nie“ ausgestrahlt und 2010 gab es mit „Gonger 2 – Das Böse kehrt zurück“ sogar eine Fortsetzung.

Quellen:

(1) Als Wiedergänger, auch in der Schreibweise Widergänger belegt, werden verschiedene Gespenstererscheinungen aus diversen Kulturräumen bezeichnet. Die beiden Schreibweisen beziehen sich nicht auf unterschiedliche Erscheinungsformen.

Der Kern des Wiedergänger-Mythologems ist die Vorstellung von Verstorbenen, die – oft als körperliche Erscheinung – in die Welt der Lebenden zurückkehren („Untote“). Sie sind den Lebenden unheimlich und meist böse gesinnt, sei es, weil sie sich für erlittenes Unrecht (z. B. Störung ihrer Totenruhe) rächen wollen; sei es, weil ihre Seele auf Grund ihres Lebenswandels nicht erlöst wurde. (2)

(2) Als Untote bezeichnet man phantastische Wesen, die bereits verstorbene Menschen verkörpern, welche sich körperlich weiter unter den Lebenden aufhalten oder zu ihnen zurückkehren. Untote entstammen der Mythologie, der Folklore (3) und der Religion. Als Nachlebende befinden sie sich in einem körperlich-seelischen Zustand zwischen Leben und Tod. Im Horrorgenre werden Untote als Vampire, Zombies oder Wiedergänger dargestellt.

(3) Literatur: „Deer driif en heef foont sööden jurt – En ütwool foon toochte, tääle än dächte“ von Erk Petersen: In dem bereits 2017 in den Sprachen Friesisch (mooring*) & Deutsch veröffentlichten 172 Seiten starken Band „Deer driif en heef foont sööden jurt. En ütwool foon toochtetääle än dächte / Es trieb ein Meer vom Süden her“ präsentiert Petersen eine Auswahl von Gedanken, Geschichten und Gedichten. Erk Petersen schreibt: „Die Lektüre dänischer und schleswig-holsteinischer Folkloresammlungen (Anmerkung Verfasser: Petersen nennt seinen Ansatz „Rekonstruierte Folklore“) machte mir bewusst, dass in der Volkssprache viel mehr gedacht und gesprochen wurde, als man sich – lass mich sagen die letzten fünfzig Jahre – vorstellen konnte. „ (hier im Blog lesen).

Mehr Lust auf Sagen und Legenden in Schleswig-HolsteinHier klicken 

Beitragsfoto (gemeinfrei): Ein Wiedergänger („makabrer Typ“) verlässt sein Grab (Inkunabel aus dem Jahr 1500, Bayerische Staatsbibliothek, München)

Autor unbekannt – Angelika Franz, Daniel Nösler: Geköpft und gepfählt. Archäologen auf der Jagd nach den Untoten. Theiss Verlag, Darmstadt 2016, Seite 74

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Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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