Zeitgeschichte: Wie Boxer Wladimir Klitschko in Flensburg seine Weltkarriere startete

Dr. Wladimir Klitschko ist zusammen mit seinem älteren Bruder Vitali (Bürgermeister von Kiew, Ukraine seit 2014 ) derzeit eines der prominentesten Gesichter des ukrainischen Widerstandes gegen den russischen Angriffskrieg. Vor diesem traurigen Ereignis war er, wie auch sein Bruder Vitali , als äußerst erfolgreicher Profiboxer weltbekannt. Und diese begann 1995 in Flensburg.

Bevor wir auf Dr. Klitschkos Zeit als Boxer in Flensburg zu sprechen kommen, zunächst ein paar Informationen über seine Herkunft: Dr. Wladimir Klitschko wurde am 25. März 1976 in Semipalatinsk, Kasachische SSR, Sowjetunion; (heute Semei, Kasachstan) geboren.

Seine Mutter, Nadeschda Uljanowna Klitschko, ist ukrainische Grundschullehrerin. Sein Vater, Wladimir Rodionowitsch Klitschko (* 24. April 1947 in Olchowaja, Ukrainische SSR; † 13. Juli 2011 in Kiew) war ukrainischer Offizier der sowjetischen und später der ukrainischen Luftstreitkräfte. 

Der Vater stieg in den Ukrainischen Streitkräften bis zum Generalmajor auf und war zuletzt Militärattaché der ukrainischen Botschaft in Deutschland und bei der NATO. (Quelle, russisch). Seine Muttersprache ist Russisch.

Großmutter Holocaustüberlebende

Der Großvater väterlicherseits, Rodion Klitschko (1910–?), war Mitarbeiter des Volkskommissariats für innere Angelegenheiten. Die Großmutter väterlicherseits, Tamara Jefimowna, geborene Etkinson, war Dorfschullehrerin und Holocaustüberlebende. Ihre Eltern, ein Bruder und ihr ältester Sohn wurden ermordet. Sie selbst wurde von ihrem Ehemann bis zur Befreiung versteckt.

Boxkarriere mit Start in Flensburg und späterer Weltkarriere

Wladimir Klitschko begann seine Sportlerkarriere 1990, mit 14 Jahren. Seine ersten Boxerfahrungen gestalteten sich erfolgreich. Damals boten westliche Boxclubs für die Athleten aus den ehemaligen Ostblockstaaten gute Chancen, weiter zu kommen.

Und so landete Wladimir Klitschko – in Vertretung für seinen Bruder Vitali, dem in einer Dopingprobe die Einnahme des Steroids Nandrolon nachgewiesen worden war, im Oktober 1995 in Flensburg beim „Box-Club Sparta Flensburg“.

Dieser war seinerzeit eine Hochburg des Bundesligaboxsports und die Talentspäher des Verein waren ständig auf der Suche nach neuen Talenten.

Der damals 19-Jährige Wladimir Klitschko trainierte in der Saison 1995/1996 in der Wiking-Halle in Handewitt und boxte in der 1. Bundesliga als Amateur für den BC Sparta Flensburg.

Er bestritt zehn Kämpfe, die er alle gewann. Er wohnte übrigens in einer kleinen Wohnung in der Eiderstraße in Flensburg-Mürwik.

Wladimir hatte seinen damaligen Trainer Trainer Andrej Sliwinski durch seine außerordentliche Trainingsdisziplin beeindruckt. Vor den Duellen im Ring hätte er mit seinen Nerven zu kämpfen gehabt.

Bei einem Wiedersehen von Klitschko in Flensburg am 17.04.2018 berichtete der Ex-Trainer:

Er wurde abwechselnd blass und rot im Gesicht, manchmal weinte er fast und kam von der Toilette kaum runter. Aber im Ring war er eine Naturgewalt. Vielleicht auch, weil er zu große Angst hatte, selbst k. o. zu gehen, schlug er seine Gegner so schnell wie möglich zu Boden.“ (1)

Im Jahre 1996 begann sein Weltruhm: Wladimir Klitschko durfte für sein Land in Atlanta (USA) an den Olympischen Sommerspielen (20. Juli – 4. August 1996) teilnehmen – und gewann die Goldmedaille.

Nach der Olympiateilnahme war klar, dass Flensburg den erfolgreichen Boxer nicht halten konnte und so blieb die Zeit an der Fördestadt eine kurze Episode im Leben von Wladimir Klitschko.

Schließlich wechselte er, zusammen mit seinem Bruder, den Boxstall und setzte seine Karriere nun im Profiboxen fort. Er wurde vom legendären Hamburger Boxstall „Universum Box-Promotion“ und des Promoters Klaus-Peter Kohl unter Vertrag genommen.

An seine Zeit in Schleswig-Holstein hätte er sich aber gerne erinnert, Klitschko wird zitiert:„Für mich war Flensburg ein großes Abenteuer, eine tolle Erfahrung und der Start in mein Leben in Deutschland. Deshalb war die Bundesliga eine wichtige Etappe in meiner Karriere.

Es war das erste Mal, dass ich aus dem Schatten meines großen Bruders treten konnte. Ich konnte die Sprache nicht, das Land war mir fremd. Aber die Menschen waren sehr herzlich, haben mich großartig aufgenommen, und über das Training und den Sport habe ich schnell Anschluss gefunden.“ (1)

Nach der Boxkarriere

Klitschko studierte im Anschluß seiner aktiven Boxerlaufbahn (August 2017) Sportwissenschaft und Philosophie an der Pädagogischen Universität Hryhorij Skoworoda im ukrainischen Perejaslaw-Chmelnyzkyj.

2001 erfolgte an der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität Kiew seine Promotion in Sportwissenschaft. Das Thema seiner Dissertation war „Pädagogische Kontrolle im Sport„.

Bereits seit 1996 engagierten sich Dr. Wladimir Klitschko und sein Bruder Vitali neben dem Sport für diverse Wohltätigkeitsprojekte. Sie haben eine Stiftung für sozial benachteiligte Kinder gegründet und starteten in Marokko und Brasilien Hilfsprojekte.

Sie unterstützen Schulungs- und Bildungsaktivitäten für Kinder in Afrika, Asien und Südamerika. Für ihren Einsatz wurden sie von der UNESCO als „Heroes for Kids“ ausgezeichnet, als Vorbilder für Fairness, sportlichen Erfolg und Bildung.

Wiedersehen am 17. April 2018 in Flensburg und Eintrag in das Goldene Buch der Stadt

Dr. Wladimir Klitschko kehrte am 17.04.18 zurück zu den Wurzeln und trug sich im Beisein ehemaliger Weggefährten in das Goldene Buch der Stadt ein. Nachdem Dr. Wladimir Klitschko seine Boxkarriere August 2017 offiziell beendet hatte,

besann sich der mehrfache Weltmeister noch einmal zurück auf seine Wurzeln und kam zurück an den Ort, wo für ihn im Alter von 19 Jahren in seiner Wahlheimat Deutschland alles begann.

Das war in Flensburg, wo ihn Norbert Zewuhn, ehemaliger Vorsitzender des Vereins BC Sparta Flensburg, unter Vertrag und Andrej Sliwinski, ehemaliger Cheftrainer und Trainer die Brüder Klitschko unter seine Fittiche genommen hatte.

Ex-Boxer Wladimir Klitschko besuchte am 17.04.2018 Flensburg und trägt sich in das Goldene Buch der Stadt Flensburg ein

Bei seinem Besuch in Flensburg traf Klitschko auf seine ehemaligen Wegbegleiter sowie Stadtpräsidentin Swetlana Krätzschmar, Oberbürgermeisterin Simone Lange und Handewitts Bürgermeister Thomas Rasmussen. Auch zahlreiche Fans hatten sich im Eingangsbereich des Rathauses versammelt, um ein Selfie oder ein Autogramm ihres Idols zu ergattern.

Engagement für sein Land im Krieg gegen Russland

Wie es die Tragik der Geschichte will, führen die beiden ehemaligen Box-Stars nun ihre härtesten Kämpfe aus: Die Bürger der Ukraine gegen die russische Armee zu verteidigen.

Kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 trat Dr. Klitschko in die Reservearmee der Ukrainischen Streitkräfte ein. Zusammen mit seinem älteren Bruder Vitali Klitschko, dem Bürgermeister von Kiew, kündigte er an, die Ukraine verteidigen zu wollen. Im WELT-Interview sagte er: „Wenn es nötig wird, muss ich für mein Land mit meinem Leben zahlen“ (2)

Während der russischen Invasion richtete er einen Appell zur Unterstützung der Ukraine an die deutsche Öffentlichkeit. Zusammen mit seinem Bruder forderte Klitschko am 5. März Papst Franziskus, den Dalai Lama und weitere geistliche Oberhäupter auf, nach Kiew zu kommen und ihre Solidarität mit dem ukrainischen Volk zu zeigen.

Ende März bis Anfang April 2022 vertrat Klitschko sein Land als Teil einer nach Deutschland gereisten ukrainischen Delegation und traf mehrere Personen aus dem Kabinett Scholz, unter anderem auch den Bundeskanzler selbst (Quelle).

Quellen: Eigene Recherchen sowie:

(1) „Klitschkows Erfolg begann in Flensburg“ (Hamburger Abendblatt, v. 12.11.2014)

(2) Die Welt (Quelle)

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

Ein Gedanke zu „Zeitgeschichte: Wie Boxer Wladimir Klitschko in Flensburg seine Weltkarriere startete“

  1. Vielen Dank für die interessante Hintergrundgeschichte. Der Flensburgaufenthalt von Klitschko war mir noch nicht bekannt.

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