Gebäude erzählen Geschichte : Die Stadtbibliothek Lübeck

Die Stadtbibliothek in Lübeck (offizieller Name: Bibliothek der Hansestadt Lübeck) ist eine öffentliche und wissenschaftliche Bibliothek, als letztere auch Schwerpunktbibliothek für Musik des Landes Schleswig-Holstein. Sie ist nach eigenen Angaben die reichste Altbestandsbibliothek Schleswig-Holsteins. 2022 wird die Bibliothek der Hansestadt Lübeck 400 Jahre alt. Das soll auch gebührend gefeiert werden. Alle Infos dazu in die Artikel

Mit einem vielfältigen Veranstaltungsprogramm feiert die Stadtbibliothek Lübeck in Jahr 2022 ihr 400-jähriges Bestehen. 1622 in den Räumen eines ehemaligen Katharinenklosters gegründet, ist die Bibliothek im Laufe der Jahrhunderte zu einer modernen Einrichtung mit ca. 1 Millionen Medien gewachsen. Dabei ist der Altbestand – die älteste Handschrift stammt aus dem 11. Jahrhundert – genauso vertreten wie neue digital Angebote zum Beispiel Ebooks und Streaming-Dienste.

Heute ist die Bibliothek der Hansestadt Lübeck eine Kultur- und Bildungseinrichtung für alle Menschen aller Altersgruppen und Herkunftsmilieus zum Lernen, Arbeiten und zur Unterhaltung. Mit einem großen Medienangebot, vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten und einem breiten Veranstaltungsprogramm können nahezu alle Anliegen und Wünsche erfüllt werden.

Es gibt Lesungen für Kinder und Jugendliche, Vorträge und Ausstellungen zum Altbestand. Ergänzt wird das umfangreiche Programm durch vielfältige Musikveranstaltungen von Klassik bis Jazz, zwei großen Bibliotheksfesten, einer Gruselnacht, Theater, Mitmachaktionen und einem Schreibwettbewerb.

Hier finden Sie einen Überblick über das 1. Halbjahresprogramm.

Zur Geschichte des Gebäudes (Zentralbibliothek):

Die Bibliothek der Hansestadt Lübeck ist aufgrund ihrer 400-jährigen Geschichte etwas Besonderes. Gestartet 1622 mit mehreren Bibliotheksschenkungen war die Einrichtung eng verbunden mit dem Katharineum, dem ältesten Gymnasium der Hansestadt. Sie teilt sich bis heute die Gebäude und wurde beinahe 300 Jahre von den jeweiligen Subrektoren der 3. Professur am Katharineum geleitet.

Seit 1756 hat die „öffentliche Stadt-Bibliothek“ das Pflichtexemplarrecht für
die Freie und Hansestadt Lübeck und hatte bis 1937 damit die Funktion einer Staatsbibliothek. Neben der Stadtbibliothek entwickelten sich zweimal öffentliche Bücher- und Lesehallen, die 1919 und 1973 auch räumlich in der Zentralbibliothek fusionierten.

Heute gibt es neben der Zentralbibliothek in den vier Stadtteilen jeweils kleinere Stadtteilbibliotheken: in Moisling, Kücknitz, Travemünde und Marli .

Die Lübecker Stadtbibliothek (Zentralbibliothek) stellt für ihren Bibliothekstyp ein baugeschichtliches Unikat in Deutschland dar. Das Gebäudeensemble der Stadtbibliothek umfasst sowohl Bauten aus dem Mittelalter, dem 19. wie auch aus dem frühen und späteren 20. Jahrhundert in den jeweils typischen Baustilen.

Scharbausaal und Konsistorialsaal

Die ältesten Säle der Stadtbibliothek sind der Scharbau- und der Konsistorialsaal. Ursprünglich dienten diese Säle im 14. Jahrhundert den Mönchen des Katharinen- klosters als Schlafsaal. Wie zu jener Zeit üblich, war er mit Fresken ausgemalt.

1622 wurde im vorderen Bereich die erste öffentliche Bibliothek der Stadt Lübeck, die „Bibliotheca publica“, eröffnet. Noch heute befinden sich die Bücher in der damals angefertigten Regalanlage von 1618/19.

Foto: Fresko von Erwin Bossanyi im Lesesaal. Autor: Agnete – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33137219

Die Friese der Regale sind kunst- voll verziert und stellen die Namen und Wappen der Unterstützer und Stifter der Bibliothek dar. Im Boden sind die mittelalterlichen Klosterfliesen zu sehen, der heutige Dielenfußboden wurde im 19. Jahrhundert verlegt.

Die Mitte des Raumes war mit Arbeitsplätzen ausgestattet, wie es für Saalbibliotheken der damaligen Zeit üblich war. Nach Restaurierung ist dieser Raum nicht nur Bücheraufbewah- rungsstätte, sondern auch repräsentatives Schmuckstück der Bibliothek.

Eine besondere Beachtung verdienen die beiden Blaeu-Globen. Der Himmelsglobus wurde 1616, der Erdglobus 1622 fertiggestellt. Diesem fehlt, mangels Entdeckung, noch ein ganzer Kontinent.

Der hintere Teil des mittelalterlichen Schlafgemaches, der Konsistorialsaal, wurde 1573 durch eine eingezogene Wand abgetrennt, um dem Konsistorialgericht als Tagungsstätte zu dienen.

1759 wurde das Gericht verlegt, um für die Bibliothek Hinrich Scharbaus, Senior und Hauptpastor von St. Aegidien, Platz zu gewinnen. Er vermachte der Stadtbibliothek seine Büchersammlung von ca. 6.000 Bänden und ein beträcht- liches Barvermögen. Die Bücher wurden in schlichten Regalen aufgestellt.

Die Wände waren weiß getüncht, bei der Restaurierung des Raumes wurden fünf darunter liegende Farbschichten freigelegt. Die ersten drei Ausmalungen stam- men aus der Klosterzeit, die beiden späteren sind für die Nutzung als Gerichtssaal angefertigt worden.

Von Agnete - Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33114760

Der neugotische Mantelssaal (siehe Foto) knüpft an die Vorbilder des Mittelalters an. Der Raum war
als Saalbibliothek geplant und wurde 1877 fertig gestellt. Platzmangel führte dazu, dass bald auch im Innenbereich Regale aufgestellt wurden.

Die Galerie ist nachträglich bei der Renovierung eingefügt worden und dient nicht nur als Blickfang, sondern stabilisiert den Saal als inneres Stahlkorsett.

Der Namensgeber des Saals ist Friedrich Wilhelm Mantels, Bibliotheksdirektor von 1862 bis 1879. Er erreichte die Realisierung dieses ersten Anbaus der Bibliothek.

Kirchenvorraum

Der nächste Raum gehört baulich bereits zur Katharinenkirche. Seit 1823 wird er von der Stadtbibliothek genutzt. Es handelt sich um den südlichen Nebenchor, der im frühen 16. Jahrhun- dert eine reiche malerische Ausgestaltung erhielt.

Die Wandmalereien im Deckengewölbe zeigen Engel und andere Figuren, die aus Blüten zu entspringen scheinen, umgeben von stilisierten Ranken. Auf den Spruchbändern finden sich lateinische Schriften, die auf eine Nutzung als Sakristei hinweisen.

Die Nazis und die Bibliothek

Ein Raum, in dem nur eines zählt: Stille. Der Willy-Pieth-Lesesaal ist
ein Arbeitsraum, wie man ihn nur noch aus Filmen kennt. Dabei darf ihn jede:r nutzen. Hier gilt es noch, das traditionelle „Psst“ des Bibliothekspersonals. Willy-Pieth? Kommt einem der Name nicht bekannt vor? Genau, sein Name ist verbunden mit dem schwärzesten Kapitel der Bibliothek und selbstsprechend auch der ganzen deutschen Geschichte: dem der Nationalsozialisten.

Einen Rückschlag erlitt die Lübecker Bibliothek, die schon überregionale Bedeutung vergleichbar einer Staatsbibliothek besaß, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Der Direktor Willy Pieth wurde am 1. Juli 1933 entlassen, ebenso sein Stellvertreter Heinrich Schneider sowie Meta Corssen als Leiterin der Öffentlichen Bücherei.

Neuer Direktor wurde im November der NS-Parteigenosse Gustav Struck, und das Interesse der Nazis bestand auf der Aussonderung „gefährdender“ Schriften und Autoren. Struck war seit 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 1.847.769).

Er war aktiv bei der Niederdeutschen Bühne und von 1935 bis 1937 ihr Leiter. Ferner trat er als Rezensent für Theater und Konzerte in den Lübeckischen Blättern hervor. Seine Kritiken lassen mehrfach ein glühendes Bekenntnis zum Nationalsozialismus durchblicken. Zum 1. August 1940 wechselte er als Direktor an die Landesbibliothek Wiesbaden.

Nach Kriegsende 1945 entlassen, fand er zunächst eine Tätigkeit beim Evangelischen Hilfswerk in Wiesbaden. Seit 1947 war er beim Bärenreiter-Verlag in Kassel angestellt und arbeitete mit am Projekt Die Musik in Geschichte und Gegenwart, eines der umfangreichsten Musiklexika der Welt.

Beutekunst

Nach dem Luftangriff der Engländer 1942 auf die Lübecker Altstadt wurden die wichtigsten Bestände (28.000 Bände) in das Salzbergwerk Gröna bei Bernburg (Saale)[1] und in den Stollen Plömnitz (Gemeinde Preußlitz, Salzlandkreis) in Sachsen-Anhaltausgelagert,[2] von wo aus sie später als Beutekunst in die UdSSR gelangten und auf Teilrepubliken verteilt wurden.

Bis heute sind davon, vor allem aus Armenien und Georgien, 7.718 Bände zurückgekehrt, während bei anderen die Rückgabe offen ist.[3] Etliche Inkunabeln, darunter mindestens ein Werk aus dem früheren Besitz von Heinrich III. Bockholt, befinden sich heute in der Universitätsbibliothek Tomsk und wurden hier digitalisiert.[4]

Nach dem Krieg hatte die Bibliothek einige Schwierigkeiten, ihre dezimierten Bestände wiederaufzubauen. Nach intensiver Diskussion wurde 1971 die Zusammenlegung von wissenschaftlicher Stadtbibliothek und Öffentlicher Bücherei zu einer Institution nach dem Vorbild der englischen Public Library beschlossen.

Gleichzeitig löste Freihandaufstellung nach einer von der Stadtbibliothek Hannover übernommenen Systematik die bisherige Numerus Currens-Magazinierung ab.[5] 

1979 wurde ein weiterer Neubau fertiggestellt, und die Bibliothek stand allen offen. Teilkontingente der Auslagerungsbestände aus den GUS-Staaten kehrten zurück und die Musikabteilung (teilweise in Zusammenarbeit mit der Musikhochschule Lübeck) entwickelte ein umfangreiches Programm zur Veröffentlichung und Aufführung von Musik aus ihrem reichhaltigen Bestand.

Sind Sie nun neugierig geworden, wie der Autor, die Bibliothek der Hansestadt Lübeck zu besuchen? Das geht, es gibt

Führungen: Jeden ersten Mittwoch im Monat (sofern kein Feiertag) werden kostenlose Führungen durch die historischen Säle angeboten. Die Führungen beginnen um 17:30 Uhr im Eingangsbereich der Zentralbibliothek. Adresse: Hundestraße 5-17, 23552 Lübeck.

Quellen:

(1) u. (2): Lost Art https://www.lostart.de/

(3) Ein entsprechendes Schicksal erlitten ein Drittel der Bestände der Butendach-Bibliothek der Reformierten Gemeinde

(4)  Inkunabeln der UB Tomsk in Sibirien, Blogeintrag auf Archivalia vom 16. Juni 2017, abgerufen am 16. Juni 2017

(5) Klaus Bock: Die Lübecker Bibliotheken. In: Der Wagen 1976, S. 123–131

Hansestadt Lübeck sowie eigene Recherchen

Beitragsfoto: Vordergebäude von 1926 (Foto: 2006), gemeinfrei

Fresko von Erwin Bossanyi im Lesesaal: Von Agnete – Eigenes Werk, CC BY-SA

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

2 Kommentare zu „Gebäude erzählen Geschichte : Die Stadtbibliothek Lübeck“

Kommentar verfassen

Bitte logge dich mit einer dieser Methoden ein, um deinen Kommentar zu veröffentlichen:

Gravatar
WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: