Gebäude erzählen Geschichten: Die Alte Post, die Nazis & die Musikerin

Wenn Gebäude reden könnten, würden sie die vielfältigsten, buntesten und verrücktesten Geschichten erzählen können. Das Leben spielt sich in den Gebäuden ab, seit Generationen und Epochen. Ob Dramen, Feste oder banaler Alltag, viele der Gebäude wahrten ihr würdiges Gesicht, während im Innern das Leben seine Spuren hinterließ. In der Alten Post, Flensburg wurde Weltgeschichte geschrieben

Es war eines der ersten Konzerte, das der Verfasser dieser Zeilen als talentierter Fotojournalist erleben durfte- und es war eines der schönsten und es lohnt sich die Geschichte hinter den Fotos zu erzählen.

Im April 2006 berichtete der Verfasser für ein Onlinemagzin über das mehrtägige folkBALTICA Musikfestival in Flensburg. Es fand statt in den geschichtsträchtigen Räumen der Alte Post (heute ein Hotel), in der Flensburger Innenstadt, nahe dem ZOB. Alleine die Geschichte der Alten Post ist es wert, erzählt zu werden:

Die Nazis und die Alte Post

Die Alte Post (dänisch Den gamle Post) in Flensburg ist ein als Kulturdenkmal der Innenstadt eingetragenes, ehemaliges Postgebäude aus dem 19. Jahrhundert. Im Mai 1945 strahlte der Reichssender Flensburg ein Programm mit Verlautbarungen der Regierung Dönitz aus. Doch der Reihe nach.

Errichtet und eröffnet wurde die Post in den Jahren 1880/1881 in der Rathausstraße 2, wo zuvor das Hotel du Nord stand.  Mit den Nachbarhäusern, dem ehemaligen Bahnhofshotel in der Rathausstraße 1. sowie dem Hotel Flensburger Hof, Norderhofenden 1., zusammen bildete die Post damit ein Ensemble gründerzeitlicher Architektur, das ein großstädtisches Flair ausstrahlte.

Am 30. April 1945 suizidierte sich der Diktator des Deutschen Reiches und Massenmörder Adolf Hitler. Nachdem sich der von Hitler hierfür bestimmte Nachfolger Joseph Goebbels ebenfalls suizidierte, übernahm Großadmiral Karl Dönitz die geschäftsführende Reichsregierung in Flensburg. Und es begann das schwärzeste Kapitel der Stadt Flensburgs, wenn auch nur für wenige Tage.

Die so genannte Regierung Dönitz existierte vom 2. Mai bis zum 23. Mai 1945. Während sich die Regierung Dönitz im vier Kilometer entfernten Flensburg-Mürwik niedergelassen hatte, parkte im Hof des damaligen Postgebäudes ein Übertragungswagen der Kriegsmarine.

Auch der Verlag der Flensburger Nachrichten hatte seinerzeit Räumlichkeiten in der Post bezogen. Vom Ü-Wagen übertrug der Reichssender Flensburg Propagandasendungen zum Sendemast auf die Östliche Höhe in Jürgensby, von dem diese landesweit ausgestrahlt wurden.

Das Programm des neben Prag „letzten Sprachrohres des untergehenden NS-Regimes“ bestand aus Aufrufen und Reden, Nachrichten- und Musiksendungen sowie Wehrmachtsberichten. Während aus dem Ü-Wagen Nachrichten vorgelesen und Schallplatten aufgelegt wurden,

war für die Rundfunkansprachen von Dönitz (6. und 8. Mai) und seinen Kabinettskollegen Albert Speer(3. Mai) und Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk (7. Mai) ein Erfrischungsraum für weibliche Postangestellte zu einem provisorischen Studio hergerichtet worden.

Am 8. Mai kündigte Dönitz in seiner Ansprache die „bedingungslose Kapitulation für alle kämpfenden Truppen“ an. Am 9. Mai 1945 um 20:03 Uhr verlas der Panzerspähfunker Klaus Kahlenbergüber den Flensburger Sender den letzten Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW), in dem nochmals die „bedingungslose Kapitulation für alle kämpfenden Truppen“ erklärt wird.

„20 Uhr und 3 Minuten. Reichssender Flensburg und die angeschlossenen Sender. Wir bringen heute den letzten Wehrmachtsbericht dieses Krieges. Aus dem Hauptquartier des Großadmirals, den 9. Mai 1945. Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt.“

„Seit Mitternacht schweigen nun an allen Fronten die Waffen. Auf Befehl des Großadmirals hat die Wehrmacht den aussichtslos gewordenen Kampf eingestellt. Damit ist das fast sechsjährige heldenhafte Ringen zu Ende. Es hat uns große Siege, aber auch schwere Niederlagen gebracht. Die deutsche Wehrmacht ist am Ende einer gewaltigen Übermacht ehrenvoll unterlegen. Wir brachten den Wortlaut des letzten Wehrmachtsberichts dieses Krieges. Es tritt eine Funkstille von drei Minuten ein.“

Klaus Kahlenberg: O-Ton/Zitat

Dem zehn Tage währenden Sendebetrieb aus der Post, bei dem britische Spezialisten ab dem 5. Mai 1945 die Oberleitung übernahmen, setzte ein Nachrichtenoffizier der 159. britischen Infrantriebrigade (159th Infantry Brigade) am 13. Mai 1945 ein Ende.

Am 23. Mai 1945 verhafteten die Briten die Reichsregierung in Mürwik. Speer, Dönitz und Alfred Jodl wurden noch am selben Tag beim benachbarten Polizeipräsidium Flensburgs der Weltpresse vorgeführt, um das Ende des Dritten Reiches zu dokumentieren.

In Anbetracht der Historie des Post-Gebäudes und des benachbarten Polizei-Gebäudes, das als Sitz der lokalen Gestapo diente, enthüllte die schleswig-holsteinische Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Anke Spoorendonk am 1. September 2013 vor der Alten Post ein Denkmal (Hebroni-Denkmal), das an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnert (siehe Foto).

Nach Kriegsende übernahm die Deutsche Bundespost das Gebäude und nutzte es wieder als Postamt. 1988 war dann Schluß für die Post. Der Name „Alte Post“ blieb aber bestehen, da 1981 nahe dem Bahnhof die „Neue Post“ (heute auch: „Hauptpost“ genannt) gebaut worden war.

Nach Ende der Post-Nutzung gab es einen Umbau zur Passage, später verschiedene Zwischennutzungen und eine mehrjähriger Leerstand. Nach einem umfassenden Umbau eröffnete 2015 das Hotel Alte Post.

Die Musikerin & die folkBALTICA

Vor der Eröffnung des Hotels Alte Post wurde das Gebäude, wie erwähnt, mehrfach zwischengenutzt. So ging in den Jahren 2005 und 2006 jeweils im April die Veranstaltung folkBALTICA in der Alten Post über die Bühne.

Das Festival 2006 ging über drei Tage und die Künstler-/ innen traten an mehreren Orten auf. Die Abschlussveranstaltung fand in der Alten Post statt. Es performten u.a. drei renommierte Künstler/ innen. So genannte Gunnel Mauritzson (siehe Bild oben: Mitte und Rechts), Sophia Karlsson (Schweden, Bild links) und als Hauptakt die großartige Norwegerin Marie Boine.

Die Schwedin Gunnel Mauritzson (Jg. 1961) ist als Volksmusik- und Jazzsängerin sowie Komponistin und Lehrerin aktiv. Sie wuchs in einer musikalischen Familie in Gotland auf und sang in der Folkgruppe „Gunnfjauns Kapelle“ 1985-99. Mauritzson wurde an der Königlichen Musikhochschule in Stockholm ausgebildet und ist Dozentin für Volkslied an der Königlichen Musikhochschule und der Inge Musikschule.

2013 hatte Mauritzson den Song „Fjord Skies“ aufgenommen. Dabei hat es ihre musikalische Begleitung in sich: Ulf Meyer · Martin Wind · Jan-Peter Klöpfel · Heinz Lichius. Insbesondere Martin Wind sei genannt: Er ist ein gebürtiger Flensburger, lebt in NY (USA) und hat eine Weltkarriere hingelegt. Beim JazzBaltica arbeitete er 2009 mit Joakim Milder. 2010 leitete er das JazzBaltica Ensemble, das seine Kompositionen interpretierte.

Hier nun „Nordic Folk“ hören mit der fantastischen Stimme von Gunnel Mauritzson:

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

Kommentar verfassen

Bitte logge dich mit einer dieser Methoden ein, um deinen Kommentar zu veröffentlichen:

Gravatar
WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: