Gebäude erzählen Geschichten: Das Rathaus Flensburg

Wenn Gebäude reden könnten, würden sie die vielfältigsten, buntesten und verrücktesten Geschichten erzählen können. Das Leben spielt sich in den Gebäuden ab, seit Generationen und Epochen. Ob Dramen, Feste oder banaler Alltag, viele der Gebäude wahrten ihr würdiges Gesicht, während im Innern das Leben seine Spuren hinterließ.
Das Rathaus Flensburg gilt als „Symbol für den unsensiblen Umgang mit dem schönen alten Stadtbild“ (Quelle: shz)

Das Rathaus in Flensburg ist Sitz der Ratsversammlung sowie des Oberbürgermeisters von Flensburg und beherbergt zudem große Teile der Stadtverwaltung wie auch das Stadtarchiv. Das Rathaus-Gebäude wird heute, rund 60 Jahre nach Grundsteinlegung, als ein „Symbol für den unsensiblen Umgang mit dem schönen alten Stadtbild“ (Quelle: shz) gewertet.

Das dem Rathausbau prägende Hochhaus besitzt zwölf Stockwerke, dazu gesellt sich ein vierstöckiger Sockelbau und ein fünfstöckiger Nordflügel, womit man 17 Stockwerke zählt.

Der Architekt des ebenso imposanten wie hässlichen Gebäudes war Carl-Friedrich Fischer, dieser entwarf auch das KBA in Flensburg-Mürwik .

Bau-Sünden über Bau-Sünden

Mit dem Bau des Rathauses folgten eine Reihe weiterer Sünden: Dem Rathausklotz weichen einige Teile der alten Bebauung am südlich angrenzenden Neumarkt. Hier prägt heute massives Verkehrsaufkommen das Bild, gabeln sich doch an dieser Stelle die Bundesstraßen 199 und 200.

Östlich, etwas entfernt vom neuen Rathaus, wurden eine große Zahl von Altstadtbauten der Roten Straße, sowie der Töpferstraße abgerissen, die Straße selbst wird dabei sogar vollständig aufgehoben.

RathausParkplatz

Auch der benachbarte Klostergang verliert weite Teile seiner Bebauung. Nach der Umgestaltung dehnt sich eine unbebaute Fläche östlich vom Rathaus bis zur südlichen Roten Straße aus. Diese Fläche wird bis heute als großer Parkplatz genutzt und erhält später den Namen Rathausplatz. 

Auf der süd-östlichen Seite der Roten Straße entstand die bescheidene Grünanlage „Platz der Gärtner“. Vor jenem Grün steht seit 2014 das Deserteursdenkmal. Auf nördlicher Seite des Parkplatzes entstand ein Hotel (am Rathaus).

Herzlose bepflasterter Rathaus-Vorplatz mit Atombunker und Dienstleistungszentrum

Ende 1968 errichtete die Stadt eine neue Tiefgarage für das Rathaus. Diese sollte während des Kalten Krieges auch als atombomben- und chemiewaffensicherer Bunker dienen. Entsprechend weisen die Decken zwei bis drei Meter aus. 2012 wurde der Bunker ausgemustert.

Anfang der 199er Jahre entstanden in Nachbarschaft des Rathauses einige Neubauten. Zunächst wurde ein Dienstleistungszentrum am Rathaus südwestlich des Rathauses errichtet.

2005–2008 folgten Erweiterungsbauten für das Spital zum Heiligen Geist (Pflegeheim), denen der Platz der Gärtner geopfert wurde, und der Neubau der Sydbank an der Ecke Rote Straße-Neumarkt.

Die Gebäude stehen jedoch in keiner wirklichen städtebaulichen Beziehung zum nahen Rathaus, und der dazwischen liegenden Rathausplatz zeigt sich nach wie vor als amorphe städtebauliche Anlage mit einem Parkplatz ohne gestalterische Elemente. Auch die im Südteil abgeräumte Rote Straße erhielt ihren historischen Verlauf zurück.

Im Jahr 2014 wurden Pläne eines Hotel-Gebäudes bekannt. Es soll aus zwei mit dem Rathaus konkurrierenden Türmen bestehen und den Rathausplatz zum Neumarkt hin abschließen. Die Pläne wurden jedoch verworfen.

Übrigens

Wussten Sie schon, wie viele Aufzüge das Rathaus hat und wie lange sie aus dem Keller ganz nach oben in den 13. Stock benötigen? Das Rathaus hat 4 Aufzüge. Einer liegt auf der Sonnenseite, der Südseite des Rathauses. Das ist der Glasaufzug, den man vom Neumarkt aus sehen kann.

Die anderen drei Aufzüge finden sich nebeneinander im großen Treppenhaus. Zwei der vier Aufzüge fahren vom Keller ganz nach oben in den 13. Stock und sind beide unterschiedlich schnell unterwegs.

Der Glasaufzug ist der schnellste Aufzug – er benötigt gerade einmal 30 Sekunden vom Keller hoch in den 13. Stock. Der zweite Fahrstuhl, der von ganz unten nach ganz oben fährt, ist nur ein bisschen langsamer, er benötigt 38 Sekunden.

Wer es also mal eilig hat und schnell in ein höher gelegenes Stockwerk muss, nimmt einfach den Glasaufzug.

übrigens2: Die Flensburger Politik ist immer für Überraschungen gut. So hatte vor fünf Jahren die Links-Fraktion im Flensburger Rat die Idee, die „männlichen” Geräte abzuschaffen (siehe Quelle).

Begründung: Es sei „im Sinne einer sozial gerechten und antidiskriminierenden Gesellschaft nicht hinzunehmen, dass Nomen, die ein Arbeitsgerät/-mittel bezeichnen, häufig nur mit maskulinen Artikeln gebraucht werden. 

Dies verlängert die patriarchalische Gewohnheit, dass menschliche, mechanische oder technologische Arbeitsleistung als überwiegend ,männlich‘ charakterisiert wird.“Ok, es stellte sich am Ende als Satire heraus – wie gesagt, die Politik ist immer für Überraschungen gut. Für schöne und unschöne.

Das Beitragsfoto (oben) zeigt den Zugang zum Betonklotz über Rathausplatz / Neumarkt

Quellen: 1. Eigene Recherchen; 2. Rathaus Flensburg

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Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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