Deutsche Nachkriegs-Geschichte: „Kartoffel, ich liebe dich!“ – 30. Oktober 1961 Anwerbeabkommen mit der Türkei

Nach langen Verhandlungen wurde auf nur zwei Seiten am 30. Oktober 1961 in Bonn die Grundlage für ein wichtiges Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte gelegt. Das Anwerbeabkommen ermöglichte eine staatlich regulierte Arbeitsmigration aus der Türkei nach Deutschland. Die ursprünglich vorgesehene, zweijährige Beschränkung der Aufenthaltsdauer der türkischen Arbeitskräfte wurde 1964 außer Kraft gesetzt. Damit wurde das Abkommen endgültig zum Grundstein einer gemeinsamen deutsch-türkischen Migrationsgeschichte.

Am 30. Oktober 1961 schlossen die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Türkei ein Anwerbeabkommen. Mit einer Festveranstaltung der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein erinnerte der Landtag an die Unterzeichnung des Abkommens vor 60 Jahren. Was das Ganze mit „Kartoffel, ich liebe dich!“ zu tun hat, dazu weiter unten mehr.

Lauschen wir zunächst was Parlamentsvizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber zu sagen hatte: „Ohne die Menschen der ersten, aber auch der zweiten und dritten Generation türkischstämmiger Bürgerinnen und Bürger wäre unser Land wirtschaftlich nicht so erfolgreich, kulturell nicht so vielfältig und vor allem nicht so lebenswert, wie es ist“ – mit diesen Worten leitete die Parlamentsvizepräsidentin ihre Rede zur Feierstunde ein.

Dass das Jubiläums im Plenarsaal des Landtages gefeiert würde, hatte nicht nur Symbolcharakter. Frau Eickhoff-Weber hob hervor. ,,An diesem zentralen Ort der Demokratie an 60 Jahre Anwerbeabkommen zu erinnern, ist Ausdruck einer tiefen Verbundenheit und gemeinsamer Werte.

Viele Menschen, die als sogenannte Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter nach Deutschland gekommen seien, hätten „das Land zu ihrer neuen und zweiten Heimat gemacht, auch, wenn sie oft allein gelassen wurden und sich die Frage stellen mussten, ob sie überhaupt willkommen waren.

Umso dankbarer sei sie für das Durchhaltevermögen vieler Menschen mit türkischen Wurzeln über Jahrzehnte hinweg, wird die Landtagsvizepräsidentin zitiert, ,,denn es ist an der Zeit, diese Vielfalt endlich als das zu sehen, was sie war und was sie ist: eine Bereicherung.“

Dafür wolle sie im Namen der Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages ihren Dank aussprechen, sagte Eickhoff-Weber. ,,Dabei denke ich auch an die Menschen, die mittlerweile verstorben sind und denen zu Lebzeiten die Anerkennung und Würdigung ihrer Lebensleistungen in Schleswig-Holstein versagt geblieben ist.“ Quelle: Presseinformationsdienst des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Hintergrund:

Das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei wurde am 30. Oktober 1961 in Bad Godesberg unterzeichnet (Kabinett Adenauer III) und führte trotz zunächst anderslautender vertraglicher Ausgestaltung (Befristung der Aufenthaltsdauer auf maximal zwei Jahre: sogenanntes Rotationsprinzip) zu einer verstärkten Einwanderung aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland.

Die angeworbenen Arbeiter wurden in Deutschland als „Gastarbeiter“ bezeichnet. Bis zum Anwerbestopp 1973 reisten insgesamt 867.000 türkische Gastarbeiter in die Bundesrepublik Deutschland, rund 500.000 kehrten wieder zurück in die Türkei.

Die Bundesrepublik Deutschland schloss ähnliche Anwerbeabkommen auch mit anderen Staaten: Italien (1955), Griechenland (1960), Spanien (1960), Marokko (1963), Südkorea (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968).

Beitrags-Foto: Gedenktafel für das Anwerbeabkommen im Hauptbahnhof München aus dem Jahr 2011, Autorin ist die türkische Künstlerin Gülcan Turna. Weitere Info dazu:

Gülcan Turna gewann einen vom Kultur-Forum Türkei-Deutschland ausgeschriebenen Wettbewerb zur Gestaltung eines künstlerischen Zeichens der Würdigung und Erinnerung an die Ankunft der über eine Million Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter aus Italien, Griechenland, Portugal, dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei, die zwischen 1955 und 1973 (Anwerbestopp) in Deutschland ankamen – in der Regel auf Gleis 11 des Münchner Hauptbahnhofs.

Kartoffel, ich liebe dich!„, sagte eine der ersten Gastarbeiterinnen bei der Ankunft. Diesen Spruch nahm die Künstlerin in die Tafel auf, die jetzt seitlich des Gleis 11 an der Bahnhofswand installiert hängt.. 

Autor: Cholo 3 – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33127804

Autor: Willi Schewski

Fotograf. Blogger. Autor. Fotojournalist

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